ihm gemessen: glaubet mir's, er ist ein gewaltiger Mann, wenn er sich mit seinem Schild emporbäumt und im Wir¬ bel die Lanze dreht! Wären nach Hektors Tode noch zwei Männer wie er in Troja gewesen, so hätte die Welt nichts von unserm Siege zu erzählen. Darum, bietet die Hände zum Frieden, so lange es noch Zeit ist: seinen Waffen seyd ihr nicht gewachsen."
Als Venulus seinen Bericht geendigt hatte, entstand ein murrendes Tosen in der Volksversammlung, wie ein Gießbach durch Felsen rauscht. Wie die bewegten Lippen endlich stille wurden, sprach der König Latinus von sei¬ nem hohen Throne herab: "Wir führen einen unglück¬ seligen Krieg, ihr Bürger, mit unbezwinglichen Männern, mit einem Göttergeschlecht. Beherziget deßwegen, was ich euch verkünden will. Nicht ferne von der Tiber, gegen Abend, besitze ich ein altes Gebiet, von Rutulern und Aurunkern bebaut und beweidet, und von Fichten¬ bergen begränzt. Dieses will ich den Trojanern abtreten, und sie zu Reichsgenossen aufnehmen: dort mögen sie sich ansiedeln und die verheißene Stadt begründen. Ziehen sie es aber vor, ein anderes Land aufzusuchen, so wollen wir ihnen Erz, Schiffsbauzeug und Hände darreichen, um sich fünfzig Ruderschiffe zu bereiten und auszurüsten. Außerdem sollen hundert Gesandte aus den edelsten Ge¬ schlechtern von Latium sich aufmachen, mit Friedens¬ zweigen in der Hand, und ihnen Gold, Elfenbein, und Mantel und Thron als Reichskleinodien darbringen."
Da stand der alte Drances in der Versammlung auf, ein reicher beredter Mann, obwohl kein Held im Kampfe mehr, der seit langer Zeit den Ruhm des Tur¬ nus mit Scheelsucht betrachtete, und rief: "Vortrefflicher
ihm gemeſſen: glaubet mir's, er iſt ein gewaltiger Mann, wenn er ſich mit ſeinem Schild emporbäumt und im Wir¬ bel die Lanze dreht! Wären nach Hektors Tode noch zwei Männer wie er in Troja geweſen, ſo hätte die Welt nichts von unſerm Siege zu erzählen. Darum, bietet die Hände zum Frieden, ſo lange es noch Zeit iſt: ſeinen Waffen ſeyd ihr nicht gewachſen.“
Als Venulus ſeinen Bericht geendigt hatte, entſtand ein murrendes Toſen in der Volksverſammlung, wie ein Gießbach durch Felſen rauſcht. Wie die bewegten Lippen endlich ſtille wurden, ſprach der König Latinus von ſei¬ nem hohen Throne herab: „Wir führen einen unglück¬ ſeligen Krieg, ihr Bürger, mit unbezwinglichen Männern, mit einem Göttergeſchlecht. Beherziget deßwegen, was ich euch verkünden will. Nicht ferne von der Tiber, gegen Abend, beſitze ich ein altes Gebiet, von Rutulern und Aurunkern bebaut und beweidet, und von Fichten¬ bergen begränzt. Dieſes will ich den Trojanern abtreten, und ſie zu Reichsgenoſſen aufnehmen: dort mögen ſie ſich anſiedeln und die verheißene Stadt begründen. Ziehen ſie es aber vor, ein anderes Land aufzuſuchen, ſo wollen wir ihnen Erz, Schiffsbauzeug und Hände darreichen, um ſich fünfzig Ruderſchiffe zu bereiten und auszurüſten. Außerdem ſollen hundert Geſandte aus den edelſten Ge¬ ſchlechtern von Latium ſich aufmachen, mit Friedens¬ zweigen in der Hand, und ihnen Gold, Elfenbein, und Mantel und Thron als Reichskleinodien darbringen.“
Da ſtand der alte Drances in der Verſammlung auf, ein reicher beredter Mann, obwohl kein Held im Kampfe mehr, der ſeit langer Zeit den Ruhm des Tur¬ nus mit Scheelſucht betrachtete, und rief: „Vortrefflicher
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ihm gemeſſen: glaubet mir's, er iſt ein gewaltiger Mann,
wenn er ſich mit ſeinem Schild emporbäumt und im Wir¬
bel die Lanze dreht! Wären nach Hektors Tode noch zwei
Männer wie er in Troja geweſen, ſo hätte die Welt
nichts von unſerm Siege zu erzählen. Darum, bietet die
Hände zum Frieden, ſo lange es noch Zeit iſt: ſeinen
Waffen ſeyd ihr nicht gewachſen.“
Als Venulus ſeinen Bericht geendigt hatte, entſtand
ein murrendes Toſen in der Volksverſammlung, wie ein
Gießbach durch Felſen rauſcht. Wie die bewegten Lippen
endlich ſtille wurden, ſprach der König Latinus von ſei¬
nem hohen Throne herab: „Wir führen einen unglück¬
ſeligen Krieg, ihr Bürger, mit unbezwinglichen Männern,
mit einem Göttergeſchlecht. Beherziget deßwegen, was
ich euch verkünden will. Nicht ferne von der Tiber,
gegen Abend, beſitze ich ein altes Gebiet, von Rutulern
und Aurunkern bebaut und beweidet, und von Fichten¬
bergen begränzt. Dieſes will ich den Trojanern abtreten,
und ſie zu Reichsgenoſſen aufnehmen: dort mögen ſie
ſich anſiedeln und die verheißene Stadt begründen. Ziehen
ſie es aber vor, ein anderes Land aufzuſuchen, ſo wollen
wir ihnen Erz, Schiffsbauzeug und Hände darreichen,
um ſich fünfzig Ruderſchiffe zu bereiten und auszurüſten.
Außerdem ſollen hundert Geſandte aus den edelſten Ge¬
ſchlechtern von Latium ſich aufmachen, mit Friedens¬
zweigen in der Hand, und ihnen Gold, Elfenbein, und
Mantel und Thron als Reichskleinodien darbringen.“
Da ſtand der alte Drances in der Verſammlung
auf, ein reicher beredter Mann, obwohl kein Held im
Kampfe mehr, der ſeit langer Zeit den Ruhm des Tur¬
nus mit Scheelſucht betrachtete, und rief: „Vortrefflicher
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 411. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/433>, abgerufen am 22.11.2024.
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