König, es fehlt nur Eines noch! Du solltest zu den herrlichen Geschenken, die Du den Trojanern zu senden befiehlst, auch noch die Hand deiner Tochter Lavinia hinzufügen, und so den Frieden mit einem ewigen Bund versiegeln!" Jetzt entbrannte das Herz dem Turnus, der eben erst von seiner Vaterstadt zurückgekehrt, sich unter die Volksversammlung gemischt hatte. Aus der tiefsten Brust emporathmend, rief er: "O Drances, so oft der Krieg Fäuste verlangt, bist du mit der Zunge da! Jetzt aber gilt es nicht, den Rathsaal mit Worten anzufüllen: die Feinde umringen unsere Stadt, gefochten will es seyn! Was wird uns der Aetolier Diomedes und seine Pflanzstadt helfen, wenn unser eigener Arm wenn Latium, wenn ganz Volskerland, das sich für uns erhoben hat, es nicht vermag? Wenn es sich aber nur um meine Seele handelt, die ist euch längst ge¬ weiht; wenn es wahr ist, daß Aeneas mich allein heraus¬ fordert, ich bin Turnus, er soll mich finden!"
Während die Latiner so sich über die Lage ihres Reichs zankten, kam Aeneas mit seinem ganzen Ge¬ folge heran, und plötzlich stürmte die Botschaft durch den Palast, daß Trojaner und Etrusker vom Tiber¬ strome hergezogen kommen.
König, es fehlt nur Eines noch! Du ſollteſt zu den herrlichen Geſchenken, die Du den Trojanern zu ſenden befiehlſt, auch noch die Hand deiner Tochter Lavinia hinzufügen, und ſo den Frieden mit einem ewigen Bund verſiegeln!“ Jetzt entbrannte das Herz dem Turnus, der eben erſt von ſeiner Vaterſtadt zurückgekehrt, ſich unter die Volksverſammlung gemiſcht hatte. Aus der tiefſten Bruſt emporathmend, rief er: „O Drances, ſo oft der Krieg Fäuſte verlangt, biſt du mit der Zunge da! Jetzt aber gilt es nicht, den Rathſaal mit Worten anzufüllen: die Feinde umringen unſere Stadt, gefochten will es ſeyn! Was wird uns der Aetolier Diomedes und ſeine Pflanzſtadt helfen, wenn unſer eigener Arm wenn Latium, wenn ganz Volskerland, das ſich für uns erhoben hat, es nicht vermag? Wenn es ſich aber nur um meine Seele handelt, die iſt euch längſt ge¬ weiht; wenn es wahr iſt, daß Aeneas mich allein heraus¬ fordert, ich bin Turnus, er ſoll mich finden!“
Während die Latiner ſo ſich über die Lage ihres Reichs zankten, kam Aeneas mit ſeinem ganzen Ge¬ folge heran, und plötzlich ſtürmte die Botſchaft durch den Palaſt, daß Trojaner und Etrusker vom Tiber¬ ſtrome hergezogen kommen.
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König, es fehlt nur Eines noch! Du ſollteſt zu den
herrlichen Geſchenken, die Du den Trojanern zu ſenden
befiehlſt, auch noch die Hand deiner Tochter Lavinia
hinzufügen, und ſo den Frieden mit einem ewigen Bund
verſiegeln!“ Jetzt entbrannte das Herz dem Turnus,
der eben erſt von ſeiner Vaterſtadt zurückgekehrt, ſich
unter die Volksverſammlung gemiſcht hatte. Aus der
tiefſten Bruſt emporathmend, rief er: „O Drances, ſo
oft der Krieg Fäuſte verlangt, biſt du mit der Zunge
da! Jetzt aber gilt es nicht, den Rathſaal mit Worten
anzufüllen: die Feinde umringen unſere Stadt, gefochten
will es ſeyn! Was wird uns der Aetolier Diomedes
und ſeine Pflanzſtadt helfen, wenn unſer eigener Arm
wenn Latium, wenn ganz Volskerland, das ſich für
uns erhoben hat, es nicht vermag? Wenn es ſich aber
nur um meine Seele handelt, die iſt euch längſt ge¬
weiht; wenn es wahr iſt, daß Aeneas mich allein heraus¬
fordert, ich bin Turnus, er ſoll mich finden!“
Während die Latiner ſo ſich über die Lage ihres
Reichs zankten, kam Aeneas mit ſeinem ganzen Ge¬
folge heran, und plötzlich ſtürmte die Botſchaft durch
den Palaſt, daß Trojaner und Etrusker vom Tiber¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 412. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/434>, abgerufen am 22.11.2024.
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