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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840.

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seinen Schützling, weil er in seinem Auftrag als der
fromme Sohn seines Vaters Agamemnon gehandelt, und ver¬
trieb die Eumeniden von der Schwelle seines Tempels, daß
sie, die Macht des Gottes fürchtend, weit rückwärts flohen.

Dann übergab er den Orestes mit seinem Freunde
der Obhut Merkurs, des Gottes, in dessen Schutze die
Wanderer stehen, und kehrte in den Olymp zurück. Die
beiden Freunde aber schlugen, wie der Gott ihnen be¬
fohlen hatte, den Weg nach Athen ein, während die
Erinnyen ihnen, aus Scheu vor der goldenen Ruthe des
Götterboten, nur aus der Ferne zu folgen wagten. All¬
mählig jedoch wurden sie kühner; und als die beiden
Freunde glücklich in der Stadt Pallas Athene's ange¬
kommen waren, heftete sich ihnen die Schaar der Rä¬
cherinnen dicht an die Fersen und kaum war Orestes
mit seinem Freund im Tempel der Athene (Minerva)
angekommen, so stürmte auch schon der grauenvolle Chor
durch die offenen Pforten desselben herein.

Orestes hatte sich vor der Bildsäule der Göttin
niedergeworfen, streckte seine offenen Arme betend nach
ihr aus und rief in der heftigsten Aufregung seines Ge¬
müthes: "Königin Athene, auf Apollo's Befehl komme
ich zu dir. Nimm einen Angeklagten gnädig auf, dessen
Hände nicht mit unschuldigem Blute befleckt sind, und
der doch müde ist von ungerechter Flucht und abgestumpft
vom Flehen in fremden Häusern. Ueber Städte und
Einöden komme ich daher, gehorsam dem Orakel deines
Bruders, liege hier in deinem Tempel und vor deinem
Bilde, und erwarte deinen Richterspruch, o Göttin!"

Nun erhob auch der Chor der Furien, die hinter ihm
herannaheten, seine Stimme, und schrie: "Wir sind dir

Schwab, das klass. Alterthum III. 3

ſeinen Schützling, weil er in ſeinem Auftrag als der
fromme Sohn ſeines Vaters Agamemnon gehandelt, und ver¬
trieb die Eumeniden von der Schwelle ſeines Tempels, daß
ſie, die Macht des Gottes fürchtend, weit rückwärts flohen.

Dann übergab er den Oreſtes mit ſeinem Freunde
der Obhut Merkurs, des Gottes, in deſſen Schutze die
Wanderer ſtehen, und kehrte in den Olymp zurück. Die
beiden Freunde aber ſchlugen, wie der Gott ihnen be¬
fohlen hatte, den Weg nach Athen ein, während die
Erinnyen ihnen, aus Scheu vor der goldenen Ruthe des
Götterboten, nur aus der Ferne zu folgen wagten. All¬
mählig jedoch wurden ſie kühner; und als die beiden
Freunde glücklich in der Stadt Pallas Athene's ange¬
kommen waren, heftete ſich ihnen die Schaar der Rä¬
cherinnen dicht an die Ferſen und kaum war Oreſtes
mit ſeinem Freund im Tempel der Athene (Minerva)
angekommen, ſo ſtürmte auch ſchon der grauenvolle Chor
durch die offenen Pforten deſſelben herein.

Oreſtes hatte ſich vor der Bildſäule der Göttin
niedergeworfen, ſtreckte ſeine offenen Arme betend nach
ihr aus und rief in der heftigſten Aufregung ſeines Ge¬
müthes: „Königin Athene, auf Apollo's Befehl komme
ich zu dir. Nimm einen Angeklagten gnädig auf, deſſen
Hände nicht mit unſchuldigem Blute befleckt ſind, und
der doch müde iſt von ungerechter Flucht und abgeſtumpft
vom Flehen in fremden Häuſern. Ueber Städte und
Einöden komme ich daher, gehorſam dem Orakel deines
Bruders, liege hier in deinem Tempel und vor deinem
Bilde, und erwarte deinen Richterſpruch, o Göttin!“

Nun erhob auch der Chor der Furien, die hinter ihm
herannaheten, ſeine Stimme, und ſchrie: „Wir ſind dir

Schwab, das klaſſ. Alterthum III. 3
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[33/0055] ſeinen Schützling, weil er in ſeinem Auftrag als der fromme Sohn ſeines Vaters Agamemnon gehandelt, und ver¬ trieb die Eumeniden von der Schwelle ſeines Tempels, daß ſie, die Macht des Gottes fürchtend, weit rückwärts flohen. Dann übergab er den Oreſtes mit ſeinem Freunde der Obhut Merkurs, des Gottes, in deſſen Schutze die Wanderer ſtehen, und kehrte in den Olymp zurück. Die beiden Freunde aber ſchlugen, wie der Gott ihnen be¬ fohlen hatte, den Weg nach Athen ein, während die Erinnyen ihnen, aus Scheu vor der goldenen Ruthe des Götterboten, nur aus der Ferne zu folgen wagten. All¬ mählig jedoch wurden ſie kühner; und als die beiden Freunde glücklich in der Stadt Pallas Athene's ange¬ kommen waren, heftete ſich ihnen die Schaar der Rä¬ cherinnen dicht an die Ferſen und kaum war Oreſtes mit ſeinem Freund im Tempel der Athene (Minerva) angekommen, ſo ſtürmte auch ſchon der grauenvolle Chor durch die offenen Pforten deſſelben herein. Oreſtes hatte ſich vor der Bildſäule der Göttin niedergeworfen, ſtreckte ſeine offenen Arme betend nach ihr aus und rief in der heftigſten Aufregung ſeines Ge¬ müthes: „Königin Athene, auf Apollo's Befehl komme ich zu dir. Nimm einen Angeklagten gnädig auf, deſſen Hände nicht mit unſchuldigem Blute befleckt ſind, und der doch müde iſt von ungerechter Flucht und abgeſtumpft vom Flehen in fremden Häuſern. Ueber Städte und Einöden komme ich daher, gehorſam dem Orakel deines Bruders, liege hier in deinem Tempel und vor deinem Bilde, und erwarte deinen Richterſpruch, o Göttin!“ Nun erhob auch der Chor der Furien, die hinter ihm herannaheten, ſeine Stimme, und ſchrie: „Wir ſind dir Schwab, das klaſſ. Alterthum III. 3

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Zitationshilfe: Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/55>, abgerufen am 24.11.2024.