Gerichtes herbeigekommen seyn wird. Einstweilen sammle jede Partie Zeugen und Beweise: ich selbst aber will die besten Männer dieser Stadt, die meinen Namen führt, auslesen, und zur Aburtheilung dieses Streites bestellen."
Nachdem die Göttin sodann den Tag des abzuhal¬ tenden Gerichtes festgesetzt hatte, wurden die Parteien aus dem Tempel entlassen. Die Rachegöttinnen gehorch¬ ten dem Ausspruche Minerva's ohne Murren, ihre Schaar verließ den Boden von Athen und sie stiegen wieder zur Unterwelt hinab; Orestes mit seinem Freunde wurde von den Bürgern Athens gastlich aufgenommen und verpflegt.
Als der Gerichtstag erschienen war, berief ein He¬ rold die auserwählten Bürger der Stadt auf einen Hügel vor derselben, der dem Mars oder Ares heilig war, und deßwegen der Areopag oder Aresberg hieß, wo die Göt¬ tin in Person ihrer harrte und Klägerinnen und Ange¬ klagter bereits sich eingefunden hatten. Aber noch ein Dritter war erschienen und stand dem Angeklagten zur Seite. Es war der Gott Apollo. Als die Erinnyen diesen erblickten, erschracken sie und riefen zornig: "Kö¬ nig Apollo, kümmere du dich um deine eigenen Ange¬ legenheiten! Sprich, was hast du hier zu schaffen?" -- "Dieser Mann," erwiederte der Gott, "ist mein Schützling, der in meinem Tempel zu Delphi sich in meinen Schirm begeben, und ich habe ihn von dem vergossenen Blut entsündigt. Darum ist es billig, daß ich ihm beistehe; und so bin ich denn erschienen, einentheils für ihn zu zeugen, aiderntheils als sein Anwalt vor dem ehr¬ würdigen heimlichen Gerichte dieser Stadt, das meine
Gerichtes herbeigekommen ſeyn wird. Einſtweilen ſammle jede Partie Zeugen und Beweiſe: ich ſelbſt aber will die beſten Männer dieſer Stadt, die meinen Namen führt, ausleſen, und zur Aburtheilung dieſes Streites beſtellen.“
Nachdem die Göttin ſodann den Tag des abzuhal¬ tenden Gerichtes feſtgeſetzt hatte, wurden die Parteien aus dem Tempel entlaſſen. Die Rachegöttinnen gehorch¬ ten dem Ausſpruche Minerva's ohne Murren, ihre Schaar verließ den Boden von Athen und ſie ſtiegen wieder zur Unterwelt hinab; Oreſtes mit ſeinem Freunde wurde von den Bürgern Athens gaſtlich aufgenommen und verpflegt.
Als der Gerichtstag erſchienen war, berief ein He¬ rold die auserwählten Bürger der Stadt auf einen Hügel vor derſelben, der dem Mars oder Ares heilig war, und deßwegen der Areopag oder Aresberg hieß, wo die Göt¬ tin in Perſon ihrer harrte und Klägerinnen und Ange¬ klagter bereits ſich eingefunden hatten. Aber noch ein Dritter war erſchienen und ſtand dem Angeklagten zur Seite. Es war der Gott Apollo. Als die Erinnyen dieſen erblickten, erſchracken ſie und riefen zornig: „Kö¬ nig Apollo, kümmere du dich um deine eigenen Ange¬ legenheiten! Sprich, was haſt du hier zu ſchaffen?“ — „Dieſer Mann,“ erwiederte der Gott, „iſt mein Schützling, der in meinem Tempel zu Delphi ſich in meinen Schirm begeben, und ich habe ihn von dem vergoſſenen Blut entſündigt. Darum iſt es billig, daß ich ihm beiſtehe; und ſo bin ich denn erſchienen, einentheils für ihn zu zeugen, aiderntheils als ſein Anwalt vor dem ehr¬ würdigen heimlichen Gerichte dieſer Stadt, das meine
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Gerichtes herbeigekommen ſeyn wird. Einſtweilen ſammle
jede Partie Zeugen und Beweiſe: ich ſelbſt aber will
die beſten Männer dieſer Stadt, die meinen Namen
führt, ausleſen, und zur Aburtheilung dieſes Streites
beſtellen.“
Nachdem die Göttin ſodann den Tag des abzuhal¬
tenden Gerichtes feſtgeſetzt hatte, wurden die Parteien
aus dem Tempel entlaſſen. Die Rachegöttinnen gehorch¬
ten dem Ausſpruche Minerva's ohne Murren, ihre Schaar
verließ den Boden von Athen und ſie ſtiegen wieder
zur Unterwelt hinab; Oreſtes mit ſeinem Freunde wurde
von den Bürgern Athens gaſtlich aufgenommen und
verpflegt.
Als der Gerichtstag erſchienen war, berief ein He¬
rold die auserwählten Bürger der Stadt auf einen Hügel
vor derſelben, der dem Mars oder Ares heilig war, und
deßwegen der Areopag oder Aresberg hieß, wo die Göt¬
tin in Perſon ihrer harrte und Klägerinnen und Ange¬
klagter bereits ſich eingefunden hatten. Aber noch ein
Dritter war erſchienen und ſtand dem Angeklagten zur
Seite. Es war der Gott Apollo. Als die Erinnyen
dieſen erblickten, erſchracken ſie und riefen zornig: „Kö¬
nig Apollo, kümmere du dich um deine eigenen Ange¬
legenheiten! Sprich, was haſt du hier zu ſchaffen?“ —
„Dieſer Mann,“ erwiederte der Gott, „iſt mein Schützling,
der in meinem Tempel zu Delphi ſich in meinen Schirm
begeben, und ich habe ihn von dem vergoſſenen Blut
entſündigt. Darum iſt es billig, daß ich ihm beiſtehe;
und ſo bin ich denn erſchienen, einentheils für ihn zu
zeugen, aiderntheils als ſein Anwalt vor dem ehr¬
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Schwab, Gustav: Die schönsten Sagen des klassischen Alterthums. Bd. 3. Stuttgart, 1840, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwab_sagen03_1840/59>, abgerufen am 24.11.2024.
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