Schmelz noch eine eigenthümliche Substanz liegt, die ich mehrmals an Backenzähnen vom Schwein beobachtet habe. Sie ist sehr weich und voll von Blasen, so dass sie wie eine Schlacke aussieht. Wenn ich mich recht erinnere, so erwähnt Purkinje ihrer auch, obgleich ich augenblick- lich die Stelle nicht wiederfinden kann. Sie lag zwischen der Schmelzmembran und dem Zahn, doch habe ich mich nicht überzeugt, ob sie auch an solchen Stellen lag, wo die Schmelzbildung schon begonnen hatte, ob sie also wirklich die Kontinuität der Schmelzmembran und des ge- bildeten Schmelzes unterbrach. Die zweite Erklärung wäre die, dass die Schmelzprismen die kontinuirliche Fort- setzung der Prismen der Schmelzmembran bildeten, welche an ihrer einen Seite mit Kalkerde gefüllt sein könnten. Diese Erklärung ist sehr unwahrscheinlich, und es spricht auch der allzu lockere Zusammenhang zwischen beiden Gebil- den dagegen. Die dritte Erklärung, die mir für jetzt am wahrscheinlichsten vorkommt, ist die, dass die prismati- schen Zellen der Schmelzmembran sich von dieser tren- nen und mit dem schon gebildeten Schmelz verwachsen, während sich zugleich entweder ihre Höhle mit den Kalk- salzen füllt, oder während sie in ihrer ganzen Dicke ver- knöchern, nachdem vorher ihre Höhle mit einer organi- schen Substanz gefüllt ist. Durch diese Erklärung wird die Bildung des Schmelzes mit dem Wachsthum der übri- gen in der vorigen Klasse abgehandelten unorganisirten Gewebe in Uebereinstimmung gebracht. Denkt man sich z. B. dass die Schleimhautcylinderchen, die sich nach Henle ohnehin immer abstossen, während sie sich von der Oberfläche der Schleimhaut lösen, zugleich verknöchern, so erhielten wir einen Ueberzug über die Schleimhaut, der aus Kalkcylinderchen bestände, von denen aber jedes noch seine gleichgeformte organische Grundlage hat, wie die Schmelzfasern. Unter diesem Ueberzug lägen noch un- verknöcherte Cylinderchen, die, wenn sie ebenfalls verknö- chern, jenen Ueberzug verdickten, während auf der Schleim- haut neue Cylinderchen hervorwüchsen. Bei Zähnen von
Schmelz noch eine eigenthümliche Substanz liegt, die ich mehrmals an Backenzähnen vom Schwein beobachtet habe. Sie ist sehr weich und voll von Blasen, so daſs sie wie eine Schlacke aussieht. Wenn ich mich recht erinnere, so erwähnt Purkinje ihrer auch, obgleich ich augenblick- lich die Stelle nicht wiederfinden kann. Sie lag zwischen der Schmelzmembran und dem Zahn, doch habe ich mich nicht überzeugt, ob sie auch an solchen Stellen lag, wo die Schmelzbildung schon begonnen hatte, ob sie also wirklich die Kontinuität der Schmelzmembran und des ge- bildeten Schmelzes unterbrach. Die zweite Erklärung wäre die, daſs die Schmelzprismen die kontinuirliche Fort- setzung der Prismen der Schmelzmembran bildeten, welche an ihrer einen Seite mit Kalkerde gefüllt sein könnten. Diese Erklärung ist sehr unwahrscheinlich, und es spricht auch der allzu lockere Zusammenhang zwischen beiden Gebil- den dagegen. Die dritte Erklärung, die mir für jetzt am wahrscheinlichsten vorkommt, ist die, daſs die prismati- schen Zellen der Schmelzmembran sich von dieser tren- nen und mit dem schon gebildeten Schmelz verwachsen, während sich zugleich entweder ihre Höhle mit den Kalk- salzen füllt, oder während sie in ihrer ganzen Dicke ver- knöchern, nachdem vorher ihre Höhle mit einer organi- schen Substanz gefüllt ist. Durch diese Erklärung wird die Bildung des Schmelzes mit dem Wachsthum der übri- gen in der vorigen Klasse abgehandelten unorganisirten Gewebe in Uebereinstimmung gebracht. Denkt man sich z. B. daſs die Schleimhautcylinderchen, die sich nach Henle ohnehin immer abstoſsen, während sie sich von der Oberfläche der Schleimhaut lösen, zugleich verknöchern, so erhielten wir einen Ueberzug über die Schleimhaut, der aus Kalkcylinderchen bestände, von denen aber jedes noch seine gleichgeformte organische Grundlage hat, wie die Schmelzfasern. Unter diesem Ueberzug lägen noch un- verknöcherte Cylinderchen, die, wenn sie ebenfalls verknö- chern, jenen Ueberzug verdickten, während auf der Schleim- haut neue Cylinderchen hervorwüchsen. Bei Zähnen von
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0145"n="121"/>
Schmelz noch eine eigenthümliche Substanz liegt, die ich<lb/>
mehrmals an Backenzähnen vom Schwein beobachtet habe.<lb/>
Sie ist sehr weich und voll von Blasen, so daſs sie wie<lb/>
eine Schlacke aussieht. Wenn ich mich recht erinnere,<lb/>
so erwähnt <hirendition="#g">Purkinje</hi> ihrer auch, obgleich ich augenblick-<lb/>
lich die Stelle nicht wiederfinden kann. Sie lag zwischen<lb/>
der Schmelzmembran und dem Zahn, doch habe ich mich<lb/>
nicht überzeugt, ob sie auch an solchen Stellen lag, wo<lb/>
die Schmelzbildung schon begonnen hatte, ob sie also<lb/>
wirklich die Kontinuität der Schmelzmembran und des ge-<lb/>
bildeten Schmelzes unterbrach. Die zweite Erklärung<lb/>
wäre die, daſs die Schmelzprismen die kontinuirliche Fort-<lb/>
setzung der Prismen der Schmelzmembran bildeten, welche<lb/>
an ihrer einen Seite mit Kalkerde gefüllt sein könnten. Diese<lb/>
Erklärung ist sehr unwahrscheinlich, und es spricht auch<lb/>
der allzu lockere Zusammenhang zwischen beiden Gebil-<lb/>
den dagegen. Die dritte Erklärung, die mir für jetzt am<lb/>
wahrscheinlichsten vorkommt, ist die, daſs die prismati-<lb/>
schen Zellen der Schmelzmembran sich von dieser tren-<lb/>
nen und mit dem schon gebildeten Schmelz verwachsen,<lb/>
während sich zugleich entweder ihre Höhle mit den Kalk-<lb/>
salzen füllt, oder während sie in ihrer ganzen Dicke ver-<lb/>
knöchern, nachdem vorher ihre Höhle mit einer organi-<lb/>
schen Substanz gefüllt ist. Durch diese Erklärung wird<lb/>
die Bildung des Schmelzes mit dem Wachsthum der übri-<lb/>
gen in der vorigen Klasse abgehandelten unorganisirten<lb/>
Gewebe in Uebereinstimmung gebracht. Denkt man sich<lb/>
z. B. daſs die Schleimhautcylinderchen, die sich nach<lb/><hirendition="#g">Henle</hi> ohnehin immer abstoſsen, während sie sich von der<lb/>
Oberfläche der Schleimhaut lösen, zugleich verknöchern,<lb/>
so erhielten wir einen Ueberzug über die Schleimhaut, der<lb/>
aus Kalkcylinderchen bestände, von denen aber jedes noch<lb/>
seine gleichgeformte organische Grundlage hat, wie die<lb/>
Schmelzfasern. Unter diesem Ueberzug lägen noch un-<lb/>
verknöcherte Cylinderchen, die, wenn sie ebenfalls verknö-<lb/>
chern, jenen Ueberzug verdickten, während auf der Schleim-<lb/>
haut neue Cylinderchen hervorwüchsen. Bei Zähnen von<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[121/0145]
Schmelz noch eine eigenthümliche Substanz liegt, die ich
mehrmals an Backenzähnen vom Schwein beobachtet habe.
Sie ist sehr weich und voll von Blasen, so daſs sie wie
eine Schlacke aussieht. Wenn ich mich recht erinnere,
so erwähnt Purkinje ihrer auch, obgleich ich augenblick-
lich die Stelle nicht wiederfinden kann. Sie lag zwischen
der Schmelzmembran und dem Zahn, doch habe ich mich
nicht überzeugt, ob sie auch an solchen Stellen lag, wo
die Schmelzbildung schon begonnen hatte, ob sie also
wirklich die Kontinuität der Schmelzmembran und des ge-
bildeten Schmelzes unterbrach. Die zweite Erklärung
wäre die, daſs die Schmelzprismen die kontinuirliche Fort-
setzung der Prismen der Schmelzmembran bildeten, welche
an ihrer einen Seite mit Kalkerde gefüllt sein könnten. Diese
Erklärung ist sehr unwahrscheinlich, und es spricht auch
der allzu lockere Zusammenhang zwischen beiden Gebil-
den dagegen. Die dritte Erklärung, die mir für jetzt am
wahrscheinlichsten vorkommt, ist die, daſs die prismati-
schen Zellen der Schmelzmembran sich von dieser tren-
nen und mit dem schon gebildeten Schmelz verwachsen,
während sich zugleich entweder ihre Höhle mit den Kalk-
salzen füllt, oder während sie in ihrer ganzen Dicke ver-
knöchern, nachdem vorher ihre Höhle mit einer organi-
schen Substanz gefüllt ist. Durch diese Erklärung wird
die Bildung des Schmelzes mit dem Wachsthum der übri-
gen in der vorigen Klasse abgehandelten unorganisirten
Gewebe in Uebereinstimmung gebracht. Denkt man sich
z. B. daſs die Schleimhautcylinderchen, die sich nach
Henle ohnehin immer abstoſsen, während sie sich von der
Oberfläche der Schleimhaut lösen, zugleich verknöchern,
so erhielten wir einen Ueberzug über die Schleimhaut, der
aus Kalkcylinderchen bestände, von denen aber jedes noch
seine gleichgeformte organische Grundlage hat, wie die
Schmelzfasern. Unter diesem Ueberzug lägen noch un-
verknöcherte Cylinderchen, die, wenn sie ebenfalls verknö-
chern, jenen Ueberzug verdickten, während auf der Schleim-
haut neue Cylinderchen hervorwüchsen. Bei Zähnen von
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/145>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.