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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839.

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Figur 9 b. Schon die scharfe äussere Begrenzung
spricht gegen eine Zusammensetzung dieser Membran aus
Zellgewebe; man sieht aber auch in dem freiliegenden
Stück der Membran gar keine faserige Struktur; sie sieht
nur etwas fein granulirt aus. Ist dies richtig, so kann sie
nichts Anderes als die Zellenmembran der Nervenfaser
oder sekundären Nervenzelle sein. Die weisse Substanz
ist dann eine sekundäre Ablagerung auf der innern Fläche
derselben. Dafür spricht nun auch die Lage der Zellen-
kerne. Die meisten Zellenkerne, wie sie an den jüngsten
noch blassen Nervenfasern vorkommen, verschwinden bei
der Ausbildung der weissen Substanz, wie diess ja bei den
meisten andern Zellen ebenfalls der Fall ist. Einzelne
scheinen aber doch längere Zeit zu bleiben; man sieht we-
nigstens zuweilen, obwohl nicht oft, an Nerven, deren
weisse Substanz vollständig entwickelt ist, seitwärts noch
hier und da einen Zellenkern, der in dem blassen Saume
liegt, welcher aussen die weisse Substanz umgiebt. Fig. 9 cd
stellt solche Fasern vom Nerv. vagus desselben Kalbes
dar. In der Faser c bildet sogar die weisse Substanz,
entsprechend dem Kern, einen kleinen Vorsprung in die
Höhle der Faser. Dieser Zellenkern scheint also wirklich
der Faser anzugehören und an der innern Fläche der Zel-
lenmembran zu liegen, während die weisse Substanz so
abgelagert ist, dass der Kern nach aussen von ihr liegen
bleibt. Das von Remak entdeckte Band würde dann der
eigentliche Zelleninhalt sein. Ich bitte indessen, diess nur
als einen Versuch einer Deutung zu betrachten, über des-
sen Richtigkeit weitere Untersuchungen entscheiden müs-
sen, da zur Sicherheit in einem so wichtigen Gegenstande
viel ausführlichere Untersuchungen und eine monographi-
sche Behandlung durchaus nothwendig ist.

Nach dieser Deutung ist also jede Nervenfaser in ih-
rem ganzen Verlaufe eine sekundäre Zelle, entstanden
durch Verschmelzung primärer, mit einem Kern versehe-
ner Zellen. Man muss an diesen Zellen unterscheiden:
1) eine äussere blasse, granulirt aussehende, nicht faserige,

Figur 9 b. Schon die scharfe äuſsere Begrenzung
spricht gegen eine Zusammensetzung dieser Membran aus
Zellgewebe; man sieht aber auch in dem freiliegenden
Stück der Membran gar keine faserige Struktur; sie sieht
nur etwas fein granulirt aus. Ist dies richtig, so kann sie
nichts Anderes als die Zellenmembran der Nervenfaser
oder sekundären Nervenzelle sein. Die weiſse Substanz
ist dann eine sekundäre Ablagerung auf der innern Fläche
derselben. Dafür spricht nun auch die Lage der Zellen-
kerne. Die meisten Zellenkerne, wie sie an den jüngsten
noch blassen Nervenfasern vorkommen, verschwinden bei
der Ausbildung der weiſsen Substanz, wie dieſs ja bei den
meisten andern Zellen ebenfalls der Fall ist. Einzelne
scheinen aber doch längere Zeit zu bleiben; man sieht we-
nigstens zuweilen, obwohl nicht oft, an Nerven, deren
weiſse Substanz vollständig entwickelt ist, seitwärts noch
hier und da einen Zellenkern, der in dem blassen Saume
liegt, welcher auſsen die weiſse Substanz umgiebt. Fig. 9 cd
stellt solche Fasern vom Nerv. vagus desselben Kalbes
dar. In der Faser c bildet sogar die weiſse Substanz,
entsprechend dem Kern, einen kleinen Vorsprung in die
Höhle der Faser. Dieser Zellenkern scheint also wirklich
der Faser anzugehören und an der innern Fläche der Zel-
lenmembran zu liegen, während die weiſse Substanz so
abgelagert ist, daſs der Kern nach auſsen von ihr liegen
bleibt. Das von Remak entdeckte Band würde dann der
eigentliche Zelleninhalt sein. Ich bitte indessen, dieſs nur
als einen Versuch einer Deutung zu betrachten, über des-
sen Richtigkeit weitere Untersuchungen entscheiden müs-
sen, da zur Sicherheit in einem so wichtigen Gegenstande
viel ausführlichere Untersuchungen und eine monographi-
sche Behandlung durchaus nothwendig ist.

Nach dieser Deutung ist also jede Nervenfaser in ih-
rem ganzen Verlaufe eine sekundäre Zelle, entstanden
durch Verschmelzung primärer, mit einem Kern versehe-
ner Zellen. Man muſs an diesen Zellen unterscheiden:
1) eine äuſsere blasse, granulirt aussehende, nicht faserige,

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[175/0199] Figur 9 b. Schon die scharfe äuſsere Begrenzung spricht gegen eine Zusammensetzung dieser Membran aus Zellgewebe; man sieht aber auch in dem freiliegenden Stück der Membran gar keine faserige Struktur; sie sieht nur etwas fein granulirt aus. Ist dies richtig, so kann sie nichts Anderes als die Zellenmembran der Nervenfaser oder sekundären Nervenzelle sein. Die weiſse Substanz ist dann eine sekundäre Ablagerung auf der innern Fläche derselben. Dafür spricht nun auch die Lage der Zellen- kerne. Die meisten Zellenkerne, wie sie an den jüngsten noch blassen Nervenfasern vorkommen, verschwinden bei der Ausbildung der weiſsen Substanz, wie dieſs ja bei den meisten andern Zellen ebenfalls der Fall ist. Einzelne scheinen aber doch längere Zeit zu bleiben; man sieht we- nigstens zuweilen, obwohl nicht oft, an Nerven, deren weiſse Substanz vollständig entwickelt ist, seitwärts noch hier und da einen Zellenkern, der in dem blassen Saume liegt, welcher auſsen die weiſse Substanz umgiebt. Fig. 9 cd stellt solche Fasern vom Nerv. vagus desselben Kalbes dar. In der Faser c bildet sogar die weiſse Substanz, entsprechend dem Kern, einen kleinen Vorsprung in die Höhle der Faser. Dieser Zellenkern scheint also wirklich der Faser anzugehören und an der innern Fläche der Zel- lenmembran zu liegen, während die weiſse Substanz so abgelagert ist, daſs der Kern nach auſsen von ihr liegen bleibt. Das von Remak entdeckte Band würde dann der eigentliche Zelleninhalt sein. Ich bitte indessen, dieſs nur als einen Versuch einer Deutung zu betrachten, über des- sen Richtigkeit weitere Untersuchungen entscheiden müs- sen, da zur Sicherheit in einem so wichtigen Gegenstande viel ausführlichere Untersuchungen und eine monographi- sche Behandlung durchaus nothwendig ist. Nach dieser Deutung ist also jede Nervenfaser in ih- rem ganzen Verlaufe eine sekundäre Zelle, entstanden durch Verschmelzung primärer, mit einem Kern versehe- ner Zellen. Man muſs an diesen Zellen unterscheiden: 1) eine äuſsere blasse, granulirt aussehende, nicht faserige,

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Zitationshilfe: Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/199>, abgerufen am 21.11.2024.