enthalten. Wenn sich nun hier junge Zellen bilden, so ist das Cytoblastem, welches in die obern Schichten ein- dringt, weniger konzentrirt und kann desshalb wohl noch zum Wachsthum der gebildeten Zellen, aber nicht zur Er- zeugung neuer Zellen hinreichen. Hierin liegt der Un- terschied, den man früher zwischen einem Wachsthum durch Appositio und durch Intussusceptio machte: der Ausdruck "Wachsthum durch Appositio" ist richtig, wenn man ihn auf die Entstehung neuer Zellen, nicht auf das Wachsthum der vorhandenen bezieht: die neuen Zellen z. B. bei der Epidermis bilden sich allerdings nur an der untern Fläche der Epidermis und werden nach oben geschoben, wenn sich unter ihnen wieder neue bilden; bei den organisirten Geweben aber entstehen die neuen Zellen in der ganzen Dicke des Gewebes. In beiden Fällen aber wachsen die einzelnen Zellen durch Intussusception. Die Knochen be- finden sich gewissermassen auf einem Mittelzustande zwi- schen organisirten und nicht organisirten Geweben. Der Knorpel ist Anfangs gefässlos und die neuen Zellen bilden sich daher nur in der Nähe der äussern Oberfläche; spä- ter erhält er Gefässe, die in den Markkanälchen verlaufen, die aber nicht zahlreich genug sind, dass dadurch das ganze Gewebe gleichmässig mit Blutflüssigkeit durchdrungen werden kann, was ausserdem auch durch die grössere Festigkeit des Knorpels und Knochens erschwert werden muss. Nach dem obigen Gesetze kann nun die Bildung von neuem Cytoblastem und neuen Zellen theils auf der Oberfläche des Knochens, theils rings um diese Markka- nälchen statt finden. Nimmt man nun an, dass diess we- gen der Festigkeit der Knochensubstanz in Schichten ge- schicht, die nicht vollständig untereinander verschmelzen, so erklärt sich die Struktur des Knochens sehr einfach. Er muss aus einem doppelten Schichtensystem bestehen, von denen das eine konzentrisch um jedes Markkanälchen, das andere konzentrisch mit der äussern Oberfläche des Knochens ist. Ist der Knochen hohl, so müssen die Schich- ten auch konzentrisch um diese Höhle sein; und sind
enthalten. Wenn sich nun hier junge Zellen bilden, so ist das Cytoblastem, welches in die obern Schichten ein- dringt, weniger konzentrirt und kann deſshalb wohl noch zum Wachsthum der gebildeten Zellen, aber nicht zur Er- zeugung neuer Zellen hinreichen. Hierin liegt der Un- terschied, den man früher zwischen einem Wachsthum durch Appositio und durch Intussusceptio machte: der Ausdruck „Wachsthum durch Appositio“ ist richtig, wenn man ihn auf die Entstehung neuer Zellen, nicht auf das Wachsthum der vorhandenen bezieht: die neuen Zellen z. B. bei der Epidermis bilden sich allerdings nur an der untern Fläche der Epidermis und werden nach oben geschoben, wenn sich unter ihnen wieder neue bilden; bei den organisirten Geweben aber entstehen die neuen Zellen in der ganzen Dicke des Gewebes. In beiden Fällen aber wachsen die einzelnen Zellen durch Intussusception. Die Knochen be- finden sich gewissermaſsen auf einem Mittelzustande zwi- schen organisirten und nicht organisirten Geweben. Der Knorpel ist Anfangs gefäſslos und die neuen Zellen bilden sich daher nur in der Nähe der äuſsern Oberfläche; spä- ter erhält er Gefäſse, die in den Markkanälchen verlaufen, die aber nicht zahlreich genug sind, daſs dadurch das ganze Gewebe gleichmäſsig mit Blutflüssigkeit durchdrungen werden kann, was auſserdem auch durch die gröſsere Festigkeit des Knorpels und Knochens erschwert werden muſs. Nach dem obigen Gesetze kann nun die Bildung von neuem Cytoblastem und neuen Zellen theils auf der Oberfläche des Knochens, theils rings um diese Markka- nälchen statt finden. Nimmt man nun an, daſs dieſs we- gen der Festigkeit der Knochensubstanz in Schichten ge- schicht, die nicht vollständig untereinander verschmelzen, so erklärt sich die Struktur des Knochens sehr einfach. Er muſs aus einem doppelten Schichtensystem bestehen, von denen das eine konzentrisch um jedes Markkanälchen, das andere konzentrisch mit der äuſsern Oberfläche des Knochens ist. Ist der Knochen hohl, so müssen die Schich- ten auch konzentrisch um diese Höhle sein; und sind
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enthalten. Wenn sich nun hier junge Zellen bilden, so
ist das Cytoblastem, welches in die obern Schichten ein-
dringt, weniger konzentrirt und kann deſshalb wohl noch
zum Wachsthum der gebildeten Zellen, aber nicht zur Er-
zeugung neuer Zellen hinreichen. Hierin liegt der Un-
terschied, den man früher zwischen einem Wachsthum durch
Appositio und durch Intussusceptio machte: der Ausdruck
„Wachsthum durch Appositio“ ist richtig, wenn man ihn
auf die Entstehung neuer Zellen, nicht auf das Wachsthum
der vorhandenen bezieht: die neuen Zellen z. B. bei der
Epidermis bilden sich allerdings nur an der untern Fläche
der Epidermis und werden nach oben geschoben, wenn
sich unter ihnen wieder neue bilden; bei den organisirten
Geweben aber entstehen die neuen Zellen in der ganzen
Dicke des Gewebes. In beiden Fällen aber wachsen die
einzelnen Zellen durch Intussusception. Die Knochen be-
finden sich gewissermaſsen auf einem Mittelzustande zwi-
schen organisirten und nicht organisirten Geweben. Der
Knorpel ist Anfangs gefäſslos und die neuen Zellen bilden
sich daher nur in der Nähe der äuſsern Oberfläche; spä-
ter erhält er Gefäſse, die in den Markkanälchen verlaufen,
die aber nicht zahlreich genug sind, daſs dadurch das ganze
Gewebe gleichmäſsig mit Blutflüssigkeit durchdrungen
werden kann, was auſserdem auch durch die gröſsere
Festigkeit des Knorpels und Knochens erschwert werden
muſs. Nach dem obigen Gesetze kann nun die Bildung
von neuem Cytoblastem und neuen Zellen theils auf der
Oberfläche des Knochens, theils rings um diese Markka-
nälchen statt finden. Nimmt man nun an, daſs dieſs we-
gen der Festigkeit der Knochensubstanz in Schichten ge-
schicht, die nicht vollständig untereinander verschmelzen,
so erklärt sich die Struktur des Knochens sehr einfach.
Er muſs aus einem doppelten Schichtensystem bestehen,
von denen das eine konzentrisch um jedes Markkanälchen,
das andere konzentrisch mit der äuſsern Oberfläche des
Knochens ist. Ist der Knochen hohl, so müssen die Schich-
ten auch konzentrisch um diese Höhle sein; und sind
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/226>, abgerufen am 27.11.2024.
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