statt der Markkanälchen kleine Markhöhlen vorhanden, wie in den spongiösen Knochen, so müssen die Schichten auch konzentrisch um diese Höhlen sein. Auf demselben Ge- setze beruht auch der Unterschied im Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Bei den Pflanzen wird die Nah- rungsflüssigkeit nicht so gleichmässig im ganzen Gewebe vertheilt, wie in den organisirten thierischen Geweben, sondern mehr nach Art der Knochen durch einzelne, weit von einander entfernt liegende Gefässbündel. Man sieht daher auch diese Gefässbündel ringsum mit kleinen, wahrschein- lich jüngern Zellen umgeben, so dass auch hier die Bildung der neuen Zellen wahrscheinlich um diese Gefässbündel stattfindet, wie bei den Knochen um die gefässhaltigen Markkanälchen. In dem Stamm der Dikotyledonen findet die Leitung des Saftes zwischen Rinde und Holz statt, und desshalb bilden sich die neuen Zellen nur schichten- weise konzentrisch um die Schichten des vorigen Jahres. Die verschiedene Art des Wachsthums, ob die neuen Zel- len sich bloss an einzelnen Stellen des Gewebes oder in dessen ganzer Dicke gleichmässig entwickeln, ist also über- all kein primärer Unterschied, sondern Folge der verschie- denen Art der Zuleitung der ernährenden Flüssigkeit.
Eine Ausnahme von dem hier aufgestellten Gesetz scheint auf den ersten Blick statt zu finden, wenn sich in der Dicke eines gefässlosen Gewebes, z. B. eines noch ge- fässlosen Knorpels, Zellen anderer Art bilden, z. B. Fett- zellen. Allein diess ist nur scheinbar eine Ausnahme; man kann es sich auf doppelte Weise erklären, entweder dadurch, dass das Cytoblastem für diese Art Zellen erst auf einer gewissen Entwicklungsstufe der Hauptzellen des Gewebes von diesen gebildet wird, oder dadurch, dass das in die Tiefe des Gewebes eindringende Cytoblastem den Nahrungsstoff für die Hauptzellen des Gewebes in weniger konzentrir- tem Zustande enthält, während der Nahrungsstoff für die andere Art Zellen noch konzentrirt darin bleibt.
Nach Schleiden kommt es bei den Pflanzenzellen niemals vor, dass sich neue Zellen in der Intercellularsub-
statt der Markkanälchen kleine Markhöhlen vorhanden, wie in den spongiösen Knochen, so müssen die Schichten auch konzentrisch um diese Höhlen sein. Auf demselben Ge- setze beruht auch der Unterschied im Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Bei den Pflanzen wird die Nah- rungsflüssigkeit nicht so gleichmäſsig im ganzen Gewebe vertheilt, wie in den organisirten thierischen Geweben, sondern mehr nach Art der Knochen durch einzelne, weit von einander entfernt liegende Gefäſsbündel. Man sieht daher auch diese Gefäſsbündel ringsum mit kleinen, wahrschein- lich jüngern Zellen umgeben, so daſs auch hier die Bildung der neuen Zellen wahrscheinlich um diese Gefäſsbündel stattfindet, wie bei den Knochen um die gefäſshaltigen Markkanälchen. In dem Stamm der Dikotyledonen findet die Leitung des Saftes zwischen Rinde und Holz statt, und deſshalb bilden sich die neuen Zellen nur schichten- weise konzentrisch um die Schichten des vorigen Jahres. Die verschiedene Art des Wachsthums, ob die neuen Zel- len sich bloſs an einzelnen Stellen des Gewebes oder in dessen ganzer Dicke gleichmäſsig entwickeln, ist also über- all kein primärer Unterschied, sondern Folge der verschie- denen Art der Zuleitung der ernährenden Flüssigkeit.
Eine Ausnahme von dem hier aufgestellten Gesetz scheint auf den ersten Blick statt zu finden, wenn sich in der Dicke eines gefäſslosen Gewebes, z. B. eines noch ge- fäſslosen Knorpels, Zellen anderer Art bilden, z. B. Fett- zellen. Allein dieſs ist nur scheinbar eine Ausnahme; man kann es sich auf doppelte Weise erklären, entweder dadurch, daſs das Cytoblastem für diese Art Zellen erst auf einer gewissen Entwicklungsstufe der Hauptzellen des Gewebes von diesen gebildet wird, oder dadurch, daſs das in die Tiefe des Gewebes eindringende Cytoblastem den Nahrungsstoff für die Hauptzellen des Gewebes in weniger konzentrir- tem Zustande enthält, während der Nahrungsstoff für die andere Art Zellen noch konzentrirt darin bleibt.
Nach Schleiden kommt es bei den Pflanzenzellen niemals vor, daſs sich neue Zellen in der Intercellularsub-
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[203/0227]
statt der Markkanälchen kleine Markhöhlen vorhanden, wie
in den spongiösen Knochen, so müssen die Schichten auch
konzentrisch um diese Höhlen sein. Auf demselben Ge-
setze beruht auch der Unterschied im Wachsthum der
Thiere und Pflanzen. Bei den Pflanzen wird die Nah-
rungsflüssigkeit nicht so gleichmäſsig im ganzen Gewebe
vertheilt, wie in den organisirten thierischen Geweben,
sondern mehr nach Art der Knochen durch einzelne, weit
von einander entfernt liegende Gefäſsbündel. Man sieht daher
auch diese Gefäſsbündel ringsum mit kleinen, wahrschein-
lich jüngern Zellen umgeben, so daſs auch hier die Bildung
der neuen Zellen wahrscheinlich um diese Gefäſsbündel
stattfindet, wie bei den Knochen um die gefäſshaltigen
Markkanälchen. In dem Stamm der Dikotyledonen findet
die Leitung des Saftes zwischen Rinde und Holz statt,
und deſshalb bilden sich die neuen Zellen nur schichten-
weise konzentrisch um die Schichten des vorigen Jahres.
Die verschiedene Art des Wachsthums, ob die neuen Zel-
len sich bloſs an einzelnen Stellen des Gewebes oder in
dessen ganzer Dicke gleichmäſsig entwickeln, ist also über-
all kein primärer Unterschied, sondern Folge der verschie-
denen Art der Zuleitung der ernährenden Flüssigkeit.
Eine Ausnahme von dem hier aufgestellten Gesetz
scheint auf den ersten Blick statt zu finden, wenn sich in
der Dicke eines gefäſslosen Gewebes, z. B. eines noch ge-
fäſslosen Knorpels, Zellen anderer Art bilden, z. B. Fett-
zellen. Allein dieſs ist nur scheinbar eine Ausnahme; man
kann es sich auf doppelte Weise erklären, entweder dadurch,
daſs das Cytoblastem für diese Art Zellen erst auf einer
gewissen Entwicklungsstufe der Hauptzellen des Gewebes
von diesen gebildet wird, oder dadurch, daſs das in die Tiefe
des Gewebes eindringende Cytoblastem den Nahrungsstoff
für die Hauptzellen des Gewebes in weniger konzentrir-
tem Zustande enthält, während der Nahrungsstoff für die
andere Art Zellen noch konzentrirt darin bleibt.
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Schwann, Theodor: Mikroskopische Untersuchungen über die Uebereinstimmung in der Struktur und dem Wachsthum der Thiere und Pflanzen. Berlin, 1839, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwann_mikroskopische_1839/227>, abgerufen am 14.05.2024.
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