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Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894.

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Einleitung.
praktisch geltend zu machen, so erreichten sie doch neben einer immer-
hin sehr beträchtlichen Erweiterung ihres Jagdrechtes eine vollständige
Verschiebung der Rechtsanschauung, und im 17. und 18. Jahrhundert
war die Regalität der Jagd ein allgemein anerkannter Rechtsgrund-
satz; sogar das preussische Landrecht von 1794 behandelt das Jagd-
recht noch ganz vom Standpunkte der regalistischen Theorie.

Nach der im 18. Jahrhunderte üblichen Definition wurde das
Jagdregal (Wildbann, Jagdhoheit u. s. w.) aufgefasst als das aus der
Landeshoheit herrührende Recht des Landesherrn, den Fang aller in
den Wäldern und sonst im Lande vorkommenden wilden Tiere, die in
keinem Privateigentume sind, zu dirigieren, die oberstrichterliche Gewalt
in allen dahin gehörigen Angelegenheiten auszuüben und den Fang in
allen jenen Gegenden zu seinem Nutzen vorzunehmen, in welchen Pri-
vatpersonen die Jagdgerechtigkeit nicht von unvordenklichen Zeiten
hergebracht oder durch landesherrliche oder kaiserliche Beleihung er-
halten haben.

Der Wildbann bildete einen Teil der Forsthoheit im weiteren Sinne
(s. S. 72) und schloss zwei Rechte in sich:

1. Das Hoheitsrecht des Wildbannes (jus banni ferini), ver-
möge dessen der Regent alles das zu besorgen hatte, was das Wohl des
Staates in Ansehung der wilden Tiere und Jagden erforderte. Hierher
gehörten also namentlich die Befugnisse, Jagdordnungen zu erlassen,
die Jagdzeiten zu bestimmen, schädliche Jagdarten zu verbieten, die
Eigenschaften der Jagdbediensteten zu bestimmen, die Wilddiebe zu
bestrafen u. s. w.

2. Das Jagdrecht (jus venandi), welches als die Befugnis be-
trachtet wurde, die Jagd überall da auszuüben, wo nicht Privatpersonen
einen besonderen Besitztitel des Jagdrechts nachweisen konnten, sowie
die Zubehöre des Jagdrechts, insbesondere die Jagddienste in Anspruch
zu nehmen.

Das Jagdrecht konnte von dem Landesherrn auch an Landsassen
und Unterthanen verliehen werden.

Durch die Entwickelung des Jagdregals war das Jagdrecht fast
vollständig vom Grundeigentume losgelöst und zu einem entweder dem
Landesherrn oder anderen Personen am fremden Besitze zustehenden
Rechte geworden.

Der erste und wesentlichste Anstoss gegen diese regalistische Auf-
fassung des Jagdrechts ging von Frankreich aus, wo durch die Re-
volution in der denkwürdigen Nacht vom 4. zum 5. August 1789 das
Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden aufgehoben wurde. 1)


1) Decret du 4. VIII. 1789, art. 3: Le droit exclusif de la chasse et des garennes
ouvertes est aboli, et tout proprietaire a le droit de detruire et faire detruire, seule-
ment sur ses possessions, toute espece de gibier, sauf a se conformer aux lois de police.

Einleitung.
praktisch geltend zu machen, so erreichten sie doch neben einer immer-
hin sehr beträchtlichen Erweiterung ihres Jagdrechtes eine vollständige
Verschiebung der Rechtsanschauung, und im 17. und 18. Jahrhundert
war die Regalität der Jagd ein allgemein anerkannter Rechtsgrund-
satz; sogar das preuſsische Landrecht von 1794 behandelt das Jagd-
recht noch ganz vom Standpunkte der regalistischen Theorie.

Nach der im 18. Jahrhunderte üblichen Definition wurde das
Jagdregal (Wildbann, Jagdhoheit u. s. w.) aufgefaſst als das aus der
Landeshoheit herrührende Recht des Landesherrn, den Fang aller in
den Wäldern und sonst im Lande vorkommenden wilden Tiere, die in
keinem Privateigentume sind, zu dirigieren, die oberstrichterliche Gewalt
in allen dahin gehörigen Angelegenheiten auszuüben und den Fang in
allen jenen Gegenden zu seinem Nutzen vorzunehmen, in welchen Pri-
vatpersonen die Jagdgerechtigkeit nicht von unvordenklichen Zeiten
hergebracht oder durch landesherrliche oder kaiserliche Beleihung er-
halten haben.

Der Wildbann bildete einen Teil der Forsthoheit im weiteren Sinne
(s. S. 72) und schloſs zwei Rechte in sich:

1. Das Hoheitsrecht des Wildbannes (jus banni ferini), ver-
möge dessen der Regent alles das zu besorgen hatte, was das Wohl des
Staates in Ansehung der wilden Tiere und Jagden erforderte. Hierher
gehörten also namentlich die Befugnisse, Jagdordnungen zu erlassen,
die Jagdzeiten zu bestimmen, schädliche Jagdarten zu verbieten, die
Eigenschaften der Jagdbediensteten zu bestimmen, die Wilddiebe zu
bestrafen u. s. w.

2. Das Jagdrecht (jus venandi), welches als die Befugnis be-
trachtet wurde, die Jagd überall da auszuüben, wo nicht Privatpersonen
einen besonderen Besitztitel des Jagdrechts nachweisen konnten, sowie
die Zubehöre des Jagdrechts, insbesondere die Jagddienste in Anspruch
zu nehmen.

Das Jagdrecht konnte von dem Landesherrn auch an Landsassen
und Unterthanen verliehen werden.

Durch die Entwickelung des Jagdregals war das Jagdrecht fast
vollständig vom Grundeigentume losgelöst und zu einem entweder dem
Landesherrn oder anderen Personen am fremden Besitze zustehenden
Rechte geworden.

Der erste und wesentlichste Anstoſs gegen diese regalistische Auf-
fassung des Jagdrechts ging von Frankreich aus, wo durch die Re-
volution in der denkwürdigen Nacht vom 4. zum 5. August 1789 das
Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden aufgehoben wurde. 1)


1) Decret du 4. VIII. 1789, art. 3: Le droit exclusif de la chasse et des garennes
ouvertes est aboli, et tout propriétaire a le droit de détruire et faire détruire, seule-
ment sur ses possessions, toute espèce de gibier, sauf à se conformer aux lois de police.
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[308/0326] Einleitung. praktisch geltend zu machen, so erreichten sie doch neben einer immer- hin sehr beträchtlichen Erweiterung ihres Jagdrechtes eine vollständige Verschiebung der Rechtsanschauung, und im 17. und 18. Jahrhundert war die Regalität der Jagd ein allgemein anerkannter Rechtsgrund- satz; sogar das preuſsische Landrecht von 1794 behandelt das Jagd- recht noch ganz vom Standpunkte der regalistischen Theorie. Nach der im 18. Jahrhunderte üblichen Definition wurde das Jagdregal (Wildbann, Jagdhoheit u. s. w.) aufgefaſst als das aus der Landeshoheit herrührende Recht des Landesherrn, den Fang aller in den Wäldern und sonst im Lande vorkommenden wilden Tiere, die in keinem Privateigentume sind, zu dirigieren, die oberstrichterliche Gewalt in allen dahin gehörigen Angelegenheiten auszuüben und den Fang in allen jenen Gegenden zu seinem Nutzen vorzunehmen, in welchen Pri- vatpersonen die Jagdgerechtigkeit nicht von unvordenklichen Zeiten hergebracht oder durch landesherrliche oder kaiserliche Beleihung er- halten haben. Der Wildbann bildete einen Teil der Forsthoheit im weiteren Sinne (s. S. 72) und schloſs zwei Rechte in sich: 1. Das Hoheitsrecht des Wildbannes (jus banni ferini), ver- möge dessen der Regent alles das zu besorgen hatte, was das Wohl des Staates in Ansehung der wilden Tiere und Jagden erforderte. Hierher gehörten also namentlich die Befugnisse, Jagdordnungen zu erlassen, die Jagdzeiten zu bestimmen, schädliche Jagdarten zu verbieten, die Eigenschaften der Jagdbediensteten zu bestimmen, die Wilddiebe zu bestrafen u. s. w. 2. Das Jagdrecht (jus venandi), welches als die Befugnis be- trachtet wurde, die Jagd überall da auszuüben, wo nicht Privatpersonen einen besonderen Besitztitel des Jagdrechts nachweisen konnten, sowie die Zubehöre des Jagdrechts, insbesondere die Jagddienste in Anspruch zu nehmen. Das Jagdrecht konnte von dem Landesherrn auch an Landsassen und Unterthanen verliehen werden. Durch die Entwickelung des Jagdregals war das Jagdrecht fast vollständig vom Grundeigentume losgelöst und zu einem entweder dem Landesherrn oder anderen Personen am fremden Besitze zustehenden Rechte geworden. Der erste und wesentlichste Anstoſs gegen diese regalistische Auf- fassung des Jagdrechts ging von Frankreich aus, wo durch die Re- volution in der denkwürdigen Nacht vom 4. zum 5. August 1789 das Jagdrecht auf fremdem Grund und Boden aufgehoben wurde. 1) 1) Decret du 4. VIII. 1789, art. 3: Le droit exclusif de la chasse et des garennes ouvertes est aboli, et tout propriétaire a le droit de détruire et faire détruire, seule- ment sur ses possessions, toute espèce de gibier, sauf à se conformer aux lois de police.

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Zitationshilfe: Schwappach, Adam: Forstpolitik, Jagd- und Fischereipolitik. Leipzig, 1894, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schwappach_forstpolitik_1894/326>, abgerufen am 27.11.2024.