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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Hoch-Armenien.
Landes und seines Volkes eng zusammen. Aber selbst das
Gerettete würde uns kaum je bekannt geworden sein, hätte es
nicht der gelehrte und patriotische Mechitar und nach ihm die
von demselben gestiftete und nach ihm benannte Congregation
wieder an das Tageslicht gebracht.

Das segensreiche Wirken dieses katholisch-armenischen Ordens
ist allenthalben bekannt. Im Heimatlande durch das orthodoxe
Armenierthum in seiner Existenz bedroht, oder doch gehemmt,
sich frei dem Studium der alt-armenischen Literatur hinzugeben,
gestört, übersiedelte die Congregation, nachdem sie 1712 durch
Papst Clemens XI., ihre, dem Benedictiner-Orden abgelauschten
Statuten bestätigt erhielten, nach Morea und als dieses den
Türken zufiel nach Venedig, wo ihr die Republik die malerisch
und einsam gelegene Insel S. Lazaro als buen retiro anwies.
Mechitar selbst hatte nur ein Lexikon des Haikanischen und der
armenischen Vulgärsprache verfaßt, bald hierauf aber begann die
reiche Ausbeute, Drucklegung und Verbreitung der classischen
Schriften und die Publication zahlreicher anderer specifisch orien-
talischer Sprachstudien, historischer und wissenschaftlicher Werke,
die alle wieder durch deutsche1 und französische, sowie durch
andere europäische Philologen dem Fachpublicum des Abend-
landes vermittelt wurden. Vollends zu einem großen historisch-
geographischen Sammelwerke, jedoch nur in den heimischen Quellen
wurzelnd, hat neuestens der Mechitarist Paul Lucas Indschidschean
das reichhaltige literarische Material copilirt (neben einer Erd-
beschreibung in 12 Bänden, von der übrigens im Manuscripte
Einiges verloren ging) und so das Studium des Quellenschatzes
wesentlich erleichtert ...2


1 Zuerst durch Dr. Neumann und Dr. Petermann. Das neueste
Werk philologischen Inhalts sind die 1877 erschienenen "Armenischen
Studien" von P. de Lagarde (Göttingen), ein Verzeichniß derjenigen
armenischen Vocabeln, welche man durch Vergleichung mit Wörtern anderer
Sprachen wirklich erklärt oder zu erklären versucht hat (2413 an der Zahl),
nebst abhandelndem Texte.
2 Manuscript-Uebersetzung v. H. Kiepert.

Hoch-Armenien.
Landes und ſeines Volkes eng zuſammen. Aber ſelbſt das
Gerettete würde uns kaum je bekannt geworden ſein, hätte es
nicht der gelehrte und patriotiſche Mechitar und nach ihm die
von demſelben geſtiftete und nach ihm benannte Congregation
wieder an das Tageslicht gebracht.

Das ſegensreiche Wirken dieſes katholiſch-armeniſchen Ordens
iſt allenthalben bekannt. Im Heimatlande durch das orthodoxe
Armenierthum in ſeiner Exiſtenz bedroht, oder doch gehemmt,
ſich frei dem Studium der alt-armeniſchen Literatur hinzugeben,
geſtört, überſiedelte die Congregation, nachdem ſie 1712 durch
Papſt Clemens XI., ihre, dem Benedictiner-Orden abgelauſchten
Statuten beſtätigt erhielten, nach Morea und als dieſes den
Türken zufiel nach Venedig, wo ihr die Republik die maleriſch
und einſam gelegene Inſel S. Lazaro als buen retiro anwies.
Mechitar ſelbſt hatte nur ein Lexikon des Haikaniſchen und der
armeniſchen Vulgärſprache verfaßt, bald hierauf aber begann die
reiche Ausbeute, Drucklegung und Verbreitung der claſſiſchen
Schriften und die Publication zahlreicher anderer ſpecifiſch orien-
taliſcher Sprachſtudien, hiſtoriſcher und wiſſenſchaftlicher Werke,
die alle wieder durch deutſche1 und franzöſiſche, ſowie durch
andere europäiſche Philologen dem Fachpublicum des Abend-
landes vermittelt wurden. Vollends zu einem großen hiſtoriſch-
geographiſchen Sammelwerke, jedoch nur in den heimiſchen Quellen
wurzelnd, hat neueſtens der Mechitariſt Paul Lucas Indſchidſchean
das reichhaltige literariſche Material copilirt (neben einer Erd-
beſchreibung in 12 Bänden, von der übrigens im Manuſcripte
Einiges verloren ging) und ſo das Studium des Quellenſchatzes
weſentlich erleichtert …2


1 Zuerſt durch Dr. Neumann und Dr. Petermann. Das neueſte
Werk philologiſchen Inhalts ſind die 1877 erſchienenen „Armeniſchen
Studien“ von P. de Lagarde (Göttingen), ein Verzeichniß derjenigen
armeniſchen Vocabeln, welche man durch Vergleichung mit Wörtern anderer
Sprachen wirklich erklärt oder zu erklären verſucht hat (2413 an der Zahl),
nebſt abhandelndem Texte.
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[68/0100] Hoch-Armenien. Landes und ſeines Volkes eng zuſammen. Aber ſelbſt das Gerettete würde uns kaum je bekannt geworden ſein, hätte es nicht der gelehrte und patriotiſche Mechitar und nach ihm die von demſelben geſtiftete und nach ihm benannte Congregation wieder an das Tageslicht gebracht. Das ſegensreiche Wirken dieſes katholiſch-armeniſchen Ordens iſt allenthalben bekannt. Im Heimatlande durch das orthodoxe Armenierthum in ſeiner Exiſtenz bedroht, oder doch gehemmt, ſich frei dem Studium der alt-armeniſchen Literatur hinzugeben, geſtört, überſiedelte die Congregation, nachdem ſie 1712 durch Papſt Clemens XI., ihre, dem Benedictiner-Orden abgelauſchten Statuten beſtätigt erhielten, nach Morea und als dieſes den Türken zufiel nach Venedig, wo ihr die Republik die maleriſch und einſam gelegene Inſel S. Lazaro als buen retiro anwies. Mechitar ſelbſt hatte nur ein Lexikon des Haikaniſchen und der armeniſchen Vulgärſprache verfaßt, bald hierauf aber begann die reiche Ausbeute, Drucklegung und Verbreitung der claſſiſchen Schriften und die Publication zahlreicher anderer ſpecifiſch orien- taliſcher Sprachſtudien, hiſtoriſcher und wiſſenſchaftlicher Werke, die alle wieder durch deutſche 1 und franzöſiſche, ſowie durch andere europäiſche Philologen dem Fachpublicum des Abend- landes vermittelt wurden. Vollends zu einem großen hiſtoriſch- geographiſchen Sammelwerke, jedoch nur in den heimiſchen Quellen wurzelnd, hat neueſtens der Mechitariſt Paul Lucas Indſchidſchean das reichhaltige literariſche Material copilirt (neben einer Erd- beſchreibung in 12 Bänden, von der übrigens im Manuſcripte Einiges verloren ging) und ſo das Studium des Quellenſchatzes weſentlich erleichtert … 2 1 Zuerſt durch Dr. Neumann und Dr. Petermann. Das neueſte Werk philologiſchen Inhalts ſind die 1877 erſchienenen „Armeniſchen Studien“ von P. de Lagarde (Göttingen), ein Verzeichniß derjenigen armeniſchen Vocabeln, welche man durch Vergleichung mit Wörtern anderer Sprachen wirklich erklärt oder zu erklären verſucht hat (2413 an der Zahl), nebſt abhandelndem Texte. 2 Manuſcript-Ueberſetzung v. H. Kiepert.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/100>, abgerufen am 24.11.2024.