Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Zur älteren Literatur der Armenier. tragung des Aristoteles. Aller Einfluß aber, der sich im Bildungs-gange des armenischen Volkes fühlbar machte, ging indeß nicht nur von den Griechen, sondern auch von andern Nachbar-Völkern aus, denn wie es an dem armenischen Volke charakteristisch war, sich fremde ethnische Elemente zu assimiliren, so war auch in geistiger Beziehung diese Fähigkeit, oder wenn man es haben will, Fehler, ziemlich groß. Der Einfluß syrischer Literatur erscheint vollends festgestellt. Die Bischöfe im Gebiete zwischen Eufrat und Tigris, das an Hoch-Mesopotamien grenzte, waren eben Syrer, die Kirchensprache in Folge dessen das Syrische und die Rückwirkung dieses Zustandes auf Groß-Armenien so bedeu- tend, daß eine Zeit hindurch syrische Episkopen sogar nach dem armenischen Patriarchate strebten. Noch viel bedeutender war die Ingerenz des neu-persischen Zoroaster-Cultes. Schahpur II., schon oben mehrmals genannt, war bemüht mit Feuer und Schwert die alte Lehre in Armenien zu verbreiten und das pro- bate Mittel, Apostaten durch Versprechungen zu gewinnen, brachte viele der armenischen Fürstengeschlechter zum Abfalle1. War es nun auch völlig undenkbar, daß eine derartige Gewaltherrschaft die Geistesrichtung und die hiemit verbundene Production in ein anderes Fahrwasser drängte, so war sie dennoch im negativen Sinne schon deshalb entscheidend, als es sich nicht blos um die Knebelung der Geister und um die Ausrottung eines verhaßten Religionsbekenntnisses allein handelte. Auch die schriftlichen Denkmäler, die Bibliotheken und jedes Buch, dessen man habhaft werden konnte, wurden der Vernichtung geweiht2. Daß ähn- liche Stürme auch später über die sorgsam gehüteten geistigen Schätze hereinbrachen, hängt mit den historischen Drangsalen des synode" zu Ephesus 431 vom heiligen Cyrill von Alexandrien angeklagt, daß er die zwei Naturen in Christo zu scharf trenne, das Wort nur "Wohnung nehmen" lasse im Menschen Jesus, nichts von einer "Gottes- gebärerin", von einem Leiden des Logos wissen wolle. Unter thätlicher Mitwirkung jenes Heiligen (mittelst Fußtritten etc.) wurde Nestorius ver- dammt und abgesetzt. Sein Anhang erhielt sich aber, zumal durch die Schule von Edessa und hatte durch den älteren Islam nichts zu leiden. (Note bei Braun, a. a. O., 183.) 1 St. Martin, Histoire des revolutions etc. ... a. a. O. 2 Neumann, "Versuch etc.", 7. 5*
Zur älteren Literatur der Armenier. tragung des Ariſtoteles. Aller Einfluß aber, der ſich im Bildungs-gange des armeniſchen Volkes fühlbar machte, ging indeß nicht nur von den Griechen, ſondern auch von andern Nachbar-Völkern aus, denn wie es an dem armeniſchen Volke charakteriſtiſch war, ſich fremde ethniſche Elemente zu aſſimiliren, ſo war auch in geiſtiger Beziehung dieſe Fähigkeit, oder wenn man es haben will, Fehler, ziemlich groß. Der Einfluß ſyriſcher Literatur erſcheint vollends feſtgeſtellt. Die Biſchöfe im Gebiete zwiſchen Eufrat und Tigris, das an Hoch-Meſopotamien grenzte, waren eben Syrer, die Kirchenſprache in Folge deſſen das Syriſche und die Rückwirkung dieſes Zuſtandes auf Groß-Armenien ſo bedeu- tend, daß eine Zeit hindurch ſyriſche Episkopen ſogar nach dem armeniſchen Patriarchate ſtrebten. Noch viel bedeutender war die Ingerenz des neu-perſiſchen Zoroaſter-Cultes. Schahpur II., ſchon oben mehrmals genannt, war bemüht mit Feuer und Schwert die alte Lehre in Armenien zu verbreiten und das pro- bate Mittel, Apoſtaten durch Verſprechungen zu gewinnen, brachte viele der armeniſchen Fürſtengeſchlechter zum Abfalle1. War es nun auch völlig undenkbar, daß eine derartige Gewaltherrſchaft die Geiſtesrichtung und die hiemit verbundene Production in ein anderes Fahrwaſſer drängte, ſo war ſie dennoch im negativen Sinne ſchon deshalb entſcheidend, als es ſich nicht blos um die Knebelung der Geiſter und um die Ausrottung eines verhaßten Religionsbekenntniſſes allein handelte. Auch die ſchriftlichen Denkmäler, die Bibliotheken und jedes Buch, deſſen man habhaft werden konnte, wurden der Vernichtung geweiht2. Daß ähn- liche Stürme auch ſpäter über die ſorgſam gehüteten geiſtigen Schätze hereinbrachen, hängt mit den hiſtoriſchen Drangſalen des ſynode“ zu Epheſus 431 vom heiligen Cyrill von Alexandrien angeklagt, daß er die zwei Naturen in Chriſto zu ſcharf trenne, das Wort nur „Wohnung nehmen“ laſſe im Menſchen Jeſus, nichts von einer „Gottes- gebärerin“, von einem Leiden des Logos wiſſen wolle. Unter thätlicher Mitwirkung jenes Heiligen (mittelſt Fußtritten ꝛc.) wurde Neſtorius ver- dammt und abgeſetzt. Sein Anhang erhielt ſich aber, zumal durch die Schule von Edeſſa und hatte durch den älteren Islam nichts zu leiden. (Note bei Braun, a. a. O., 183.) 1 St. Martin, Histoire des révolutions etc. … a. a. O. 2 Neumann, „Verſuch ꝛc.“, 7. 5*
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Zur älteren Literatur der Armenier.
tragung des Ariſtoteles. Aller Einfluß aber, der ſich im Bildungs-
gange des armeniſchen Volkes fühlbar machte, ging indeß nicht
nur von den Griechen, ſondern auch von andern Nachbar-Völkern
aus, denn wie es an dem armeniſchen Volke charakteriſtiſch war,
ſich fremde ethniſche Elemente zu aſſimiliren, ſo war auch in
geiſtiger Beziehung dieſe Fähigkeit, oder wenn man es haben
will, Fehler, ziemlich groß. Der Einfluß ſyriſcher Literatur
erſcheint vollends feſtgeſtellt. Die Biſchöfe im Gebiete zwiſchen
Eufrat und Tigris, das an Hoch-Meſopotamien grenzte, waren
eben Syrer, die Kirchenſprache in Folge deſſen das Syriſche und
die Rückwirkung dieſes Zuſtandes auf Groß-Armenien ſo bedeu-
tend, daß eine Zeit hindurch ſyriſche Episkopen ſogar nach dem
armeniſchen Patriarchate ſtrebten. Noch viel bedeutender war
die Ingerenz des neu-perſiſchen Zoroaſter-Cultes. Schahpur II.,
ſchon oben mehrmals genannt, war bemüht mit Feuer und
Schwert die alte Lehre in Armenien zu verbreiten und das pro-
bate Mittel, Apoſtaten durch Verſprechungen zu gewinnen, brachte
viele der armeniſchen Fürſtengeſchlechter zum Abfalle 1. War es
nun auch völlig undenkbar, daß eine derartige Gewaltherrſchaft
die Geiſtesrichtung und die hiemit verbundene Production in ein
anderes Fahrwaſſer drängte, ſo war ſie dennoch im negativen
Sinne ſchon deshalb entſcheidend, als es ſich nicht blos um die
Knebelung der Geiſter und um die Ausrottung eines verhaßten
Religionsbekenntniſſes allein handelte. Auch die ſchriftlichen
Denkmäler, die Bibliotheken und jedes Buch, deſſen man habhaft
werden konnte, wurden der Vernichtung geweiht 2. Daß ähn-
liche Stürme auch ſpäter über die ſorgſam gehüteten geiſtigen
Schätze hereinbrachen, hängt mit den hiſtoriſchen Drangſalen des
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1 St. Martin, Histoire des révolutions etc. … a. a. O.
2 Neumann, „Verſuch ꝛc.“, 7.
4 ſynode“ zu Epheſus 431 vom heiligen Cyrill von Alexandrien angeklagt,
daß er die zwei Naturen in Chriſto zu ſcharf trenne, das Wort nur
„Wohnung nehmen“ laſſe im Menſchen Jeſus, nichts von einer „Gottes-
gebärerin“, von einem Leiden des Logos wiſſen wolle. Unter thätlicher
Mitwirkung jenes Heiligen (mittelſt Fußtritten ꝛc.) wurde Neſtorius ver-
dammt und abgeſetzt. Sein Anhang erhielt ſich aber, zumal durch die
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(Note bei Braun, a. a. O., 183.)
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