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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Trapezunt. Historische Reminiscenzen.
Reich übergegangen und wie zu Constantinopel, so war auch zu
Trapezunt nach dem Erstarken des Osmanenthums an eine
längere Behauptung der Herrschaft nicht zu denken. Dieselbe
hohle Aeußerlichkeit, auf falschem Glanze fußend, dieselbe innere
Corruption, Weichlichkeit und Sittenlosigkeit, die das ohnedies
zerbröckelte byzantinische Reich zerfraß1, fanden ihre schädlichen
Ableger auch am Hofe der Comnenen und so mochte das Trape-
zuntische Kaiserthum sein Verderben wol unabwendbar schon
vom Anbeginne her in sich getragen haben. Thatsächlich ver-
dankte es auch nur seinen verschiedenartigen, guten Beziehungen
mit den entfernteren Reichen, die einen unleugbaren Machteinfluß
ausübten, wie mit den benachbarten Grenzvölkern, darunter den
Armeniern und Persern, seine Existenz, sowie der komnenische
Kaiserhof nicht verabsäumte, seine als Schönheiten ersten Ranges
geltenden Prinzessinnen2 an Fürsten des verschiedenartigsten
Calibers zu verehelichen. Selbst ein Turkmenen-Fürst -- Uzun
Hassan, der "lange Hassan" -- führte eine solche Trapezuntische
Schönheit heim und bei dem wenig kriegerischen Charakter der
Bewohner drehte sich auch der höfische Zeitvertreib, namentlich
der der fremdländischen Gäste, hauptsächlich um romantisches
Minnewerben und Liebeslegenden aller Art3. Das konnten nun
keineswegs die inneren Bedingungen zu einer ersprießlichen Fort-
existenz sein. Zwar der Trapezuntische Handel beherrschte den
gesammten materiellen Austausch zwischen den nördlichen Ufer-
staaten und Armenien, Persien, ja selbst nach entlegeneren Ländern4
und dieselbe Handelsstraße, welche noch heute die armenischen
Plateaus und das nördliche Iran durchzieht, war bereits damals
die ungleich frequentirteste in der ganzen nördlichen Länderzone
von West-Asien. Aber das belebende Element dieser Handelsbewe-
gung waren keine Griechen, keine Trapezuntier, sondern Venetianer
und Genuesen, namentlich aber letztere, die zu den armenischen
Königen sogar in ein schutzherrliches Verhältniß traten, um auf

1 Der Versuch einer Rechtfertigung in dieser Richtung, bei A. D.
Mordtmann, "Belag. und Erob. Constantinopels", p. 106 u. ff.
2 Hammer-Purgstall, a. a. O., II, 57.
3 Fallmerayer, "Gesch. d. Kais. Trap.", 314.
4 Fallmerayer, a. a. O., 308.

Trapezunt. Hiſtoriſche Reminiscenzen.
Reich übergegangen und wie zu Conſtantinopel, ſo war auch zu
Trapezunt nach dem Erſtarken des Osmanenthums an eine
längere Behauptung der Herrſchaft nicht zu denken. Dieſelbe
hohle Aeußerlichkeit, auf falſchem Glanze fußend, dieſelbe innere
Corruption, Weichlichkeit und Sittenloſigkeit, die das ohnedies
zerbröckelte byzantiniſche Reich zerfraß1, fanden ihre ſchädlichen
Ableger auch am Hofe der Comnenen und ſo mochte das Trape-
zuntiſche Kaiſerthum ſein Verderben wol unabwendbar ſchon
vom Anbeginne her in ſich getragen haben. Thatſächlich ver-
dankte es auch nur ſeinen verſchiedenartigen, guten Beziehungen
mit den entfernteren Reichen, die einen unleugbaren Machteinfluß
ausübten, wie mit den benachbarten Grenzvölkern, darunter den
Armeniern und Perſern, ſeine Exiſtenz, ſowie der komneniſche
Kaiſerhof nicht verabſäumte, ſeine als Schönheiten erſten Ranges
geltenden Prinzeſſinnen2 an Fürſten des verſchiedenartigſten
Calibers zu verehelichen. Selbſt ein Turkmenen-Fürſt — Uzun
Haſſan, der „lange Haſſan“ — führte eine ſolche Trapezuntiſche
Schönheit heim und bei dem wenig kriegeriſchen Charakter der
Bewohner drehte ſich auch der höfiſche Zeitvertreib, namentlich
der der fremdländiſchen Gäſte, hauptſächlich um romantiſches
Minnewerben und Liebeslegenden aller Art3. Das konnten nun
keineswegs die inneren Bedingungen zu einer erſprießlichen Fort-
exiſtenz ſein. Zwar der Trapezuntiſche Handel beherrſchte den
geſammten materiellen Austauſch zwiſchen den nördlichen Ufer-
ſtaaten und Armenien, Perſien, ja ſelbſt nach entlegeneren Ländern4
und dieſelbe Handelsſtraße, welche noch heute die armeniſchen
Plateaus und das nördliche Iran durchzieht, war bereits damals
die ungleich frequentirteſte in der ganzen nördlichen Länderzone
von Weſt-Aſien. Aber das belebende Element dieſer Handelsbewe-
gung waren keine Griechen, keine Trapezuntier, ſondern Venetianer
und Genueſen, namentlich aber letztere, die zu den armeniſchen
Königen ſogar in ein ſchutzherrliches Verhältniß traten, um auf

1 Der Verſuch einer Rechtfertigung in dieſer Richtung, bei A. D.
Mordtmann, „Belag. und Erob. Conſtantinopels“, p. 106 u. ff.
2 Hammer-Purgſtall, a. a. O., II, 57.
3 Fallmerayer, „Geſch. d. Kaiſ. Trap.“, 314.
4 Fallmerayer, a. a. O., 308.
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[71/0103] Trapezunt. Hiſtoriſche Reminiscenzen. Reich übergegangen und wie zu Conſtantinopel, ſo war auch zu Trapezunt nach dem Erſtarken des Osmanenthums an eine längere Behauptung der Herrſchaft nicht zu denken. Dieſelbe hohle Aeußerlichkeit, auf falſchem Glanze fußend, dieſelbe innere Corruption, Weichlichkeit und Sittenloſigkeit, die das ohnedies zerbröckelte byzantiniſche Reich zerfraß 1, fanden ihre ſchädlichen Ableger auch am Hofe der Comnenen und ſo mochte das Trape- zuntiſche Kaiſerthum ſein Verderben wol unabwendbar ſchon vom Anbeginne her in ſich getragen haben. Thatſächlich ver- dankte es auch nur ſeinen verſchiedenartigen, guten Beziehungen mit den entfernteren Reichen, die einen unleugbaren Machteinfluß ausübten, wie mit den benachbarten Grenzvölkern, darunter den Armeniern und Perſern, ſeine Exiſtenz, ſowie der komneniſche Kaiſerhof nicht verabſäumte, ſeine als Schönheiten erſten Ranges geltenden Prinzeſſinnen 2 an Fürſten des verſchiedenartigſten Calibers zu verehelichen. Selbſt ein Turkmenen-Fürſt — Uzun Haſſan, der „lange Haſſan“ — führte eine ſolche Trapezuntiſche Schönheit heim und bei dem wenig kriegeriſchen Charakter der Bewohner drehte ſich auch der höfiſche Zeitvertreib, namentlich der der fremdländiſchen Gäſte, hauptſächlich um romantiſches Minnewerben und Liebeslegenden aller Art 3. Das konnten nun keineswegs die inneren Bedingungen zu einer erſprießlichen Fort- exiſtenz ſein. Zwar der Trapezuntiſche Handel beherrſchte den geſammten materiellen Austauſch zwiſchen den nördlichen Ufer- ſtaaten und Armenien, Perſien, ja ſelbſt nach entlegeneren Ländern 4 und dieſelbe Handelsſtraße, welche noch heute die armeniſchen Plateaus und das nördliche Iran durchzieht, war bereits damals die ungleich frequentirteſte in der ganzen nördlichen Länderzone von Weſt-Aſien. Aber das belebende Element dieſer Handelsbewe- gung waren keine Griechen, keine Trapezuntier, ſondern Venetianer und Genueſen, namentlich aber letztere, die zu den armeniſchen Königen ſogar in ein ſchutzherrliches Verhältniß traten, um auf 1 Der Verſuch einer Rechtfertigung in dieſer Richtung, bei A. D. Mordtmann, „Belag. und Erob. Conſtantinopels“, p. 106 u. ff. 2 Hammer-Purgſtall, a. a. O., II, 57. 3 Fallmerayer, „Geſch. d. Kaiſ. Trap.“, 314. 4 Fallmerayer, a. a. O., 308.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/103>, abgerufen am 21.11.2024.