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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Das pontisch-armenische Gestade-Land.
den persisch-armenischen Handelsverkehr unterbanden. Mit dem
Besitze von Constantinopel im Westen und Trapezunt im Osten
ward Mohammed II. so recht zum ersten großen Beherrscher
jenes Reichscomplexes, der bis in die neueste Zeit hinein identisch
mit der Machtgrenze des Osmanenthums in Europa und Asien
blieb. Erst mit dem Vorrücken der Russen über den Kaukasus
zu Beginn unseres Jahrhunderts begann das stückweise Abbröckeln
jenes Territorial-Besitzes, durch den die Sultane zu unum-
schränkten Herrschern an der Schwelle zwischen Iran, Kaukasus
und Vorder-Asien wurden.

Daß Trapezunt im Laufe der Jahrhunderte immer mehr
zu Grunde ging, kann bei der bekannten Art gouvernementalen
Verfahrens in allen Regierungs- und Verwaltungsfragen kaum
befremden. Selbst die seit 1836 auf dem Schwarzen Meere ins
Leben gerufene Dampfschifffahrt hat dem allgemeinen Niedergange
nicht zu steuern vermocht, denn die verschiedenartigsten Vexationen
und die denkbar unvernünftigste Zolladministration hemmen jeden
gesunden Handelsverkehr1. Zudem hat die Pforte in den be-
nachbarten Gebieten -- in Lazistan und im Dschanik -- so un-
glaublich dies klingen mag, thatsächlich erst in den letzten Jahr-
zehnten, seit Mahmud II. energischem Regimente, autoritativ
Fuß gefaßt. Inwieweit dies von der westpontischen Küstenprovinz,
dem Gartenlande "Oschanik" (dem Lande der Tzanen)2, gilt, mag
um so mittheilenswerther sein, als die dortigen Verhältnisse
damals innig mit dem Schicksale der beklagenswerthen armenischen
Provinz verknüpft waren. Vor noch kaum vierzig Jahren lag
das Dschanik noch vollkommen außer der Machtsphäre der Pforte.
Die Unwegsamkeit des Gebietes, der geringe Verkehr und die
urwaldähnliche Vegetation, welche sich über die meist steilen
Küstenberge (mit romantischen, versteckten Schluchten) breitete,
sowie die geringe Productivität des Bodens (trotz des natürlichen
Reichthums an Baumfrüchten) machten die benachbarten Gouver-
neure keineswegs lüstern. Gleichwohl tauchte um diese Zeit in
der pontischen Küstenprovinz ein einheimischer Feudalherr (Dere-

1 Consularbericht im Manusc. (Vgl. "Oesterr. Monatsschr. für den
Orient", II, 29.)
2 Hammer-Purgstall, a. a. O., I, 227.

Das pontiſch-armeniſche Geſtade-Land.
den perſiſch-armeniſchen Handelsverkehr unterbanden. Mit dem
Beſitze von Conſtantinopel im Weſten und Trapezunt im Oſten
ward Mohammed II. ſo recht zum erſten großen Beherrſcher
jenes Reichscomplexes, der bis in die neueſte Zeit hinein identiſch
mit der Machtgrenze des Osmanenthums in Europa und Aſien
blieb. Erſt mit dem Vorrücken der Ruſſen über den Kaukaſus
zu Beginn unſeres Jahrhunderts begann das ſtückweiſe Abbröckeln
jenes Territorial-Beſitzes, durch den die Sultane zu unum-
ſchränkten Herrſchern an der Schwelle zwiſchen Iran, Kaukaſus
und Vorder-Aſien wurden.

Daß Trapezunt im Laufe der Jahrhunderte immer mehr
zu Grunde ging, kann bei der bekannten Art gouvernementalen
Verfahrens in allen Regierungs- und Verwaltungsfragen kaum
befremden. Selbſt die ſeit 1836 auf dem Schwarzen Meere ins
Leben gerufene Dampfſchifffahrt hat dem allgemeinen Niedergange
nicht zu ſteuern vermocht, denn die verſchiedenartigſten Vexationen
und die denkbar unvernünftigſte Zolladminiſtration hemmen jeden
geſunden Handelsverkehr1. Zudem hat die Pforte in den be-
nachbarten Gebieten — in Laziſtan und im Dſchanik — ſo un-
glaublich dies klingen mag, thatſächlich erſt in den letzten Jahr-
zehnten, ſeit Mahmud II. energiſchem Regimente, autoritativ
Fuß gefaßt. Inwieweit dies von der weſtpontiſchen Küſtenprovinz,
dem Gartenlande „Oſchanik“ (dem Lande der Tzanen)2, gilt, mag
um ſo mittheilenswerther ſein, als die dortigen Verhältniſſe
damals innig mit dem Schickſale der beklagenswerthen armeniſchen
Provinz verknüpft waren. Vor noch kaum vierzig Jahren lag
das Dſchanik noch vollkommen außer der Machtſphäre der Pforte.
Die Unwegſamkeit des Gebietes, der geringe Verkehr und die
urwaldähnliche Vegetation, welche ſich über die meiſt ſteilen
Küſtenberge (mit romantiſchen, verſteckten Schluchten) breitete,
ſowie die geringe Productivität des Bodens (trotz des natürlichen
Reichthums an Baumfrüchten) machten die benachbarten Gouver-
neure keineswegs lüſtern. Gleichwohl tauchte um dieſe Zeit in
der pontiſchen Küſtenprovinz ein einheimiſcher Feudalherr (Dere-

1 Conſularbericht im Manuſc. (Vgl. „Oeſterr. Monatsſchr. für den
Orient“, II, 29.)
2 Hammer-Purgſtall, a. a. O., I, 227.
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[74/0106] Das pontiſch-armeniſche Geſtade-Land. den perſiſch-armeniſchen Handelsverkehr unterbanden. Mit dem Beſitze von Conſtantinopel im Weſten und Trapezunt im Oſten ward Mohammed II. ſo recht zum erſten großen Beherrſcher jenes Reichscomplexes, der bis in die neueſte Zeit hinein identiſch mit der Machtgrenze des Osmanenthums in Europa und Aſien blieb. Erſt mit dem Vorrücken der Ruſſen über den Kaukaſus zu Beginn unſeres Jahrhunderts begann das ſtückweiſe Abbröckeln jenes Territorial-Beſitzes, durch den die Sultane zu unum- ſchränkten Herrſchern an der Schwelle zwiſchen Iran, Kaukaſus und Vorder-Aſien wurden. Daß Trapezunt im Laufe der Jahrhunderte immer mehr zu Grunde ging, kann bei der bekannten Art gouvernementalen Verfahrens in allen Regierungs- und Verwaltungsfragen kaum befremden. Selbſt die ſeit 1836 auf dem Schwarzen Meere ins Leben gerufene Dampfſchifffahrt hat dem allgemeinen Niedergange nicht zu ſteuern vermocht, denn die verſchiedenartigſten Vexationen und die denkbar unvernünftigſte Zolladminiſtration hemmen jeden geſunden Handelsverkehr 1. Zudem hat die Pforte in den be- nachbarten Gebieten — in Laziſtan und im Dſchanik — ſo un- glaublich dies klingen mag, thatſächlich erſt in den letzten Jahr- zehnten, ſeit Mahmud II. energiſchem Regimente, autoritativ Fuß gefaßt. Inwieweit dies von der weſtpontiſchen Küſtenprovinz, dem Gartenlande „Oſchanik“ (dem Lande der Tzanen) 2, gilt, mag um ſo mittheilenswerther ſein, als die dortigen Verhältniſſe damals innig mit dem Schickſale der beklagenswerthen armeniſchen Provinz verknüpft waren. Vor noch kaum vierzig Jahren lag das Dſchanik noch vollkommen außer der Machtſphäre der Pforte. Die Unwegſamkeit des Gebietes, der geringe Verkehr und die urwaldähnliche Vegetation, welche ſich über die meiſt ſteilen Küſtenberge (mit romantiſchen, verſteckten Schluchten) breitete, ſowie die geringe Productivität des Bodens (trotz des natürlichen Reichthums an Baumfrüchten) machten die benachbarten Gouver- neure keineswegs lüſtern. Gleichwohl tauchte um dieſe Zeit in der pontiſchen Küſtenprovinz ein einheimiſcher Feudalherr (Dere- 1 Conſularbericht im Manuſc. (Vgl. „Oeſterr. Monatsſchr. für den Orient“, II, 29.) 2 Hammer-Purgſtall, a. a. O., I, 227.

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/106>, abgerufen am 21.11.2024.