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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Van und die Kurden.
bringen konnte, den berüchtigtsten Christenschlächter aus den
Vierziger Jahren. Als damals das ganze Gebiet vom furcht-
baren Religionskriege widerhallte, glaubte die Pforte einschreiten
zu müssen, aber sie gab im Ganzen genommen nur den müßigen
Zuschauer ab und mochte ihr stilles Gefallen daran finden, die
wilden Bergstämme, ob nun dieses oder jenes Glaubens, sich
gegenseitig vernichten zu sehen. Daß ihre Sympathie, namentlich
die der türkischen Truppen-Commandanten, mehr auf Seite der
Kurden stand, liegt in der Natur der Sache und so fanden diese
freie Hand, ihrem uralten Hasse die Zügel schießen zu lassen
und unter den Nestorianern aufzuräumen 1. Das Verhältniß
zwischen den beiden Bergvölkern war indeß nicht immer ein aus-
gesprochen feindliches, ja hin und wieder, namentlich zur Zeit
der Aufhebung des Feudalwesens unter Sultan Mahmud II.,
mit welcher Reform-Action bekanntlich die Macht der Dere-
Beys (Thalfürsten) gebrochen werden sollte, schwand jeder Anta-
gonismus unter ihnen und sie wehrten mit vereinter Kraft die
Invasionsbestrebungen der Pforte ab. An diese einstige Brüder-
lichkeit mochte sich aber Bedr-Khan nicht mehr erinnert haben.

1 Von Bedr Khan wird folgende schöne That berichtet. Einige Dörfer
vertheidigten tapfer ihre Pässe. Zu Dschumba am Zarbstrome (der sich
tief durch diese ganze Alpenmasse durchwindet, nur überspannt von einigen
Brücken aus schwankem Flechtwerk) wurde der Bürgermeister (Malek)
Ismael mit zerschossenem Schenkelbein vor den Wütherich geführt und als
er zusammenbrach, rief der Kurde: "Warum setzt sich der Ungläubige vor
mir nieder und wer ist dieser Hund, der es gewagt hat, das Blut wahrer
Gläubigen zu vergießen?" -- "O mir!" erwiderte Malek Ismael, "dieser
Arm hat nahezu zwanzig Kurden das Leben genommen und hätte Gott
mir das meine erhalten, wären noch ebensoviel durch ihn gefallen! ..."
Auf einen Wink Bedr-Khans schleppte man den Gefangenen an den Strom
und schnitt ihm den Kopf über dem Wasser ab. Auch um einen Wort-
bruch mehr oder weniger kam es diesem Rechtgläubigen und seinen Dienern
nicht an. Auf einer fast unzugänglichen Bergplatte hatte der Kurde Zeiner
Beg einer daselbst zusammengetriebenen Volksmenge auf den Koran ge-
schworen, sie schonen zu wollen, wenn man die Waffen ausliefere. Kaum
aber war dies geschehen, als die Metzelei begann. (Ganz wie im nörd-
lichen Thrakien im Bulgaren-Aufstande 1876.) Zuletzt des Mordens müde,
zwangen die Kurden, tief im Blute stehend und mit dem Dolche in der
Hand, Alles was noch übrig war in den Abgrund zu springen. (Layard,
Niniveh and ist Remains, I, 188, 209; bei J. Braun, "Gemälde etc.")

Van und die Kurden.
bringen konnte, den berüchtigtſten Chriſtenſchlächter aus den
Vierziger Jahren. Als damals das ganze Gebiet vom furcht-
baren Religionskriege widerhallte, glaubte die Pforte einſchreiten
zu müſſen, aber ſie gab im Ganzen genommen nur den müßigen
Zuſchauer ab und mochte ihr ſtilles Gefallen daran finden, die
wilden Bergſtämme, ob nun dieſes oder jenes Glaubens, ſich
gegenſeitig vernichten zu ſehen. Daß ihre Sympathie, namentlich
die der türkiſchen Truppen-Commandanten, mehr auf Seite der
Kurden ſtand, liegt in der Natur der Sache und ſo fanden dieſe
freie Hand, ihrem uralten Haſſe die Zügel ſchießen zu laſſen
und unter den Neſtorianern aufzuräumen 1. Das Verhältniß
zwiſchen den beiden Bergvölkern war indeß nicht immer ein aus-
geſprochen feindliches, ja hin und wieder, namentlich zur Zeit
der Aufhebung des Feudalweſens unter Sultan Mahmud II.,
mit welcher Reform-Action bekanntlich die Macht der Dere-
Beys (Thalfürſten) gebrochen werden ſollte, ſchwand jeder Anta-
gonismus unter ihnen und ſie wehrten mit vereinter Kraft die
Invaſionsbeſtrebungen der Pforte ab. An dieſe einſtige Brüder-
lichkeit mochte ſich aber Bedr-Khan nicht mehr erinnert haben.

1 Von Bedr Khan wird folgende ſchöne That berichtet. Einige Dörfer
vertheidigten tapfer ihre Päſſe. Zu Dſchumba am Zarbſtrome (der ſich
tief durch dieſe ganze Alpenmaſſe durchwindet, nur überſpannt von einigen
Brücken aus ſchwankem Flechtwerk) wurde der Bürgermeiſter (Malek)
Ismael mit zerſchoſſenem Schenkelbein vor den Wütherich geführt und als
er zuſammenbrach, rief der Kurde: „Warum ſetzt ſich der Ungläubige vor
mir nieder und wer iſt dieſer Hund, der es gewagt hat, das Blut wahrer
Gläubigen zu vergießen?“ — „O mir!“ erwiderte Malek Ismael, „dieſer
Arm hat nahezu zwanzig Kurden das Leben genommen und hätte Gott
mir das meine erhalten, wären noch ebenſoviel durch ihn gefallen! …“
Auf einen Wink Bedr-Khans ſchleppte man den Gefangenen an den Strom
und ſchnitt ihm den Kopf über dem Waſſer ab. Auch um einen Wort-
bruch mehr oder weniger kam es dieſem Rechtgläubigen und ſeinen Dienern
nicht an. Auf einer faſt unzugänglichen Bergplatte hatte der Kurde Zeiner
Beg einer daſelbſt zuſammengetriebenen Volksmenge auf den Koran ge-
ſchworen, ſie ſchonen zu wollen, wenn man die Waffen ausliefere. Kaum
aber war dies geſchehen, als die Metzelei begann. (Ganz wie im nörd-
lichen Thrakien im Bulgaren-Aufſtande 1876.) Zuletzt des Mordens müde,
zwangen die Kurden, tief im Blute ſtehend und mit dem Dolche in der
Hand, Alles was noch übrig war in den Abgrund zu ſpringen. (Layard,
Niniveh and ist Remains, I, 188, 209; bei J. Braun, „Gemälde ꝛc.“)
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[102/0134] Van und die Kurden. bringen konnte, den berüchtigtſten Chriſtenſchlächter aus den Vierziger Jahren. Als damals das ganze Gebiet vom furcht- baren Religionskriege widerhallte, glaubte die Pforte einſchreiten zu müſſen, aber ſie gab im Ganzen genommen nur den müßigen Zuſchauer ab und mochte ihr ſtilles Gefallen daran finden, die wilden Bergſtämme, ob nun dieſes oder jenes Glaubens, ſich gegenſeitig vernichten zu ſehen. Daß ihre Sympathie, namentlich die der türkiſchen Truppen-Commandanten, mehr auf Seite der Kurden ſtand, liegt in der Natur der Sache und ſo fanden dieſe freie Hand, ihrem uralten Haſſe die Zügel ſchießen zu laſſen und unter den Neſtorianern aufzuräumen 1. Das Verhältniß zwiſchen den beiden Bergvölkern war indeß nicht immer ein aus- geſprochen feindliches, ja hin und wieder, namentlich zur Zeit der Aufhebung des Feudalweſens unter Sultan Mahmud II., mit welcher Reform-Action bekanntlich die Macht der Dere- Beys (Thalfürſten) gebrochen werden ſollte, ſchwand jeder Anta- gonismus unter ihnen und ſie wehrten mit vereinter Kraft die Invaſionsbeſtrebungen der Pforte ab. An dieſe einſtige Brüder- lichkeit mochte ſich aber Bedr-Khan nicht mehr erinnert haben. 1 Von Bedr Khan wird folgende ſchöne That berichtet. Einige Dörfer vertheidigten tapfer ihre Päſſe. Zu Dſchumba am Zarbſtrome (der ſich tief durch dieſe ganze Alpenmaſſe durchwindet, nur überſpannt von einigen Brücken aus ſchwankem Flechtwerk) wurde der Bürgermeiſter (Malek) Ismael mit zerſchoſſenem Schenkelbein vor den Wütherich geführt und als er zuſammenbrach, rief der Kurde: „Warum ſetzt ſich der Ungläubige vor mir nieder und wer iſt dieſer Hund, der es gewagt hat, das Blut wahrer Gläubigen zu vergießen?“ — „O mir!“ erwiderte Malek Ismael, „dieſer Arm hat nahezu zwanzig Kurden das Leben genommen und hätte Gott mir das meine erhalten, wären noch ebenſoviel durch ihn gefallen! …“ Auf einen Wink Bedr-Khans ſchleppte man den Gefangenen an den Strom und ſchnitt ihm den Kopf über dem Waſſer ab. Auch um einen Wort- bruch mehr oder weniger kam es dieſem Rechtgläubigen und ſeinen Dienern nicht an. Auf einer faſt unzugänglichen Bergplatte hatte der Kurde Zeiner Beg einer daſelbſt zuſammengetriebenen Volksmenge auf den Koran ge- ſchworen, ſie ſchonen zu wollen, wenn man die Waffen ausliefere. Kaum aber war dies geſchehen, als die Metzelei begann. (Ganz wie im nörd- lichen Thrakien im Bulgaren-Aufſtande 1876.) Zuletzt des Mordens müde, zwangen die Kurden, tief im Blute ſtehend und mit dem Dolche in der Hand, Alles was noch übrig war in den Abgrund zu ſpringen. (Layard, Niniveh and ist Remains, I, 188, 209; bei J. Braun, „Gemälde ꝛc.“)

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/134>, abgerufen am 21.11.2024.