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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Jezidenschlächtereien im Sindjargebirge. -- Ali Ilahi.
lichen Orgien sollen Verleumdung sein 1. Von den libanesischen
Secten (Drusen, Nasarier, Ismaelier) ist dergleichen bekannt,
unter den Kurden soll aber dieser Vorwurf nicht die Jeziden,
sondern die sogenannten Kyzilbaschs oder "Rothköpfe," die räube-
rischsten des ganzen Kurdistans, treffen. Ihre Wohnsitze sind die
Hochzinnen des "Tausend Seen-Gebirges" (Bingöl-Dagh) südlich
von Erzerum. Daß diese Secten speciell die Jeziden von den
Moslems mit grimmigem Hasse verfolgt werden, rührt daher,
daß sie keine geschriebenen, religiösen Ueberlieferungen besitzen,
also, wie Mohammed sich im Koran ausdrückt, keine "Schrift-
besitzer" sind. Es würde zu weit führen, all' jene Jeziden-
Schlächtereien, welche die Pforte am Gewissen hat, hier einge-
hender zu behandeln, bedauerlich bleibt es aber auf alle Fälle,
daß gerade der brauchbarste Theil der kurdischen Bevölkerung
auf Schritt und Tritt verfolgt und ausgerottet wird. Eine Zeit
lang wurde namentlich von Seite der Türken unter officiellem
Schutze der Raub jezidischer Frauen schwunghaft betrieben; da aber
am Stambuler Markt für die "Teufelsanbeterinnen" nur schwache
Nachfrage war, ging der saubere Geschäftsbetrieb wieder ein.

Die Jeziden wohnen am dichtesten im Berglande von Ama-
dia, halbwegs zwischen Mosul und dem Alpenlande der Ne-
storianer, wo sich in der Nachbarschaft der Schneewipfel des
Djulamerk-Stockes Dutzende kurdischer Raubburgen, der Besitz
moslemischer Kurdenbeys, erheben ... Ueber die Zustände da-
selbst -- Hakkiari -- haben wir bereits berichtet. Von dort ist
die persische Grenze nur wenige Tagreisen entfernt und mit
ihrem Ueberschreiten gelangen wir in das Gebiet der wildesten
und unbändigsten aller Kurdenstämme, oder besser: mit den Kur-
den eng verwandter Bergvölker, in jenes der Luren und Buch-
thiaren. Sie hausen in ihren Gebirgsschlupfwinkeln halb nackt
wie Troglodyten und verwehren Jedermann den Zutritt. Unter
solchen Umständen ist es mit unserer Kenntniß über diese kur-
dischen Zweigfamilien selbstverständlich sehr schlecht bestellt. Ueber
die angrenzenden Ardelan-Kurden hinaus treffen wir bei Kir-
manschah auf die Secte der "Ali Ilahi". Ihr Hauptsitz ist

1 Layard, "Niniveh and Babylon". (Die gegentheilige Behauptung
bei Petermann, "Reisen", II, 331.)
Schweiger-Lerchenfeld, Freih. von, Armenien. 8

Jezidenſchlächtereien im Sindjargebirge. — Ali Ilahi.
lichen Orgien ſollen Verleumdung ſein 1. Von den libaneſiſchen
Secten (Druſen, Naſarier, Ismaelier) iſt dergleichen bekannt,
unter den Kurden ſoll aber dieſer Vorwurf nicht die Jeziden,
ſondern die ſogenannten Kyzilbaſchs oder „Rothköpfe,“ die räube-
riſchſten des ganzen Kurdiſtans, treffen. Ihre Wohnſitze ſind die
Hochzinnen des „Tauſend Seen-Gebirges“ (Bingöl-Dagh) ſüdlich
von Erzerum. Daß dieſe Secten ſpeciell die Jeziden von den
Moslems mit grimmigem Haſſe verfolgt werden, rührt daher,
daß ſie keine geſchriebenen, religiöſen Ueberlieferungen beſitzen,
alſo, wie Mohammed ſich im Koran ausdrückt, keine „Schrift-
beſitzer“ ſind. Es würde zu weit führen, all’ jene Jeziden-
Schlächtereien, welche die Pforte am Gewiſſen hat, hier einge-
hender zu behandeln, bedauerlich bleibt es aber auf alle Fälle,
daß gerade der brauchbarſte Theil der kurdiſchen Bevölkerung
auf Schritt und Tritt verfolgt und ausgerottet wird. Eine Zeit
lang wurde namentlich von Seite der Türken unter officiellem
Schutze der Raub jezidiſcher Frauen ſchwunghaft betrieben; da aber
am Stambuler Markt für die „Teufelsanbeterinnen“ nur ſchwache
Nachfrage war, ging der ſaubere Geſchäftsbetrieb wieder ein.

Die Jeziden wohnen am dichteſten im Berglande von Ama-
dia, halbwegs zwiſchen Moſul und dem Alpenlande der Ne-
ſtorianer, wo ſich in der Nachbarſchaft der Schneewipfel des
Djulamerk-Stockes Dutzende kurdiſcher Raubburgen, der Beſitz
moslemiſcher Kurdenbeys, erheben … Ueber die Zuſtände da-
ſelbſt — Hakkiari — haben wir bereits berichtet. Von dort iſt
die perſiſche Grenze nur wenige Tagreiſen entfernt und mit
ihrem Ueberſchreiten gelangen wir in das Gebiet der wildeſten
und unbändigſten aller Kurdenſtämme, oder beſſer: mit den Kur-
den eng verwandter Bergvölker, in jenes der Luren und Buch-
thiaren. Sie hauſen in ihren Gebirgsſchlupfwinkeln halb nackt
wie Troglodyten und verwehren Jedermann den Zutritt. Unter
ſolchen Umſtänden iſt es mit unſerer Kenntniß über dieſe kur-
diſchen Zweigfamilien ſelbſtverſtändlich ſehr ſchlecht beſtellt. Ueber
die angrenzenden Ardelan-Kurden hinaus treffen wir bei Kir-
manſchah auf die Secte der „Ali Ilahi“. Ihr Hauptſitz iſt

1 Layard, „Niniveh and Babylon“. (Die gegentheilige Behauptung
bei Petermann, „Reiſen“, II, 331.)
Schweiger-Lerchenfeld, Freih. von, Armenien. 8
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[113/0145] Jezidenſchlächtereien im Sindjargebirge. — Ali Ilahi. lichen Orgien ſollen Verleumdung ſein 1. Von den libaneſiſchen Secten (Druſen, Naſarier, Ismaelier) iſt dergleichen bekannt, unter den Kurden ſoll aber dieſer Vorwurf nicht die Jeziden, ſondern die ſogenannten Kyzilbaſchs oder „Rothköpfe,“ die räube- riſchſten des ganzen Kurdiſtans, treffen. Ihre Wohnſitze ſind die Hochzinnen des „Tauſend Seen-Gebirges“ (Bingöl-Dagh) ſüdlich von Erzerum. Daß dieſe Secten ſpeciell die Jeziden von den Moslems mit grimmigem Haſſe verfolgt werden, rührt daher, daß ſie keine geſchriebenen, religiöſen Ueberlieferungen beſitzen, alſo, wie Mohammed ſich im Koran ausdrückt, keine „Schrift- beſitzer“ ſind. Es würde zu weit führen, all’ jene Jeziden- Schlächtereien, welche die Pforte am Gewiſſen hat, hier einge- hender zu behandeln, bedauerlich bleibt es aber auf alle Fälle, daß gerade der brauchbarſte Theil der kurdiſchen Bevölkerung auf Schritt und Tritt verfolgt und ausgerottet wird. Eine Zeit lang wurde namentlich von Seite der Türken unter officiellem Schutze der Raub jezidiſcher Frauen ſchwunghaft betrieben; da aber am Stambuler Markt für die „Teufelsanbeterinnen“ nur ſchwache Nachfrage war, ging der ſaubere Geſchäftsbetrieb wieder ein. Die Jeziden wohnen am dichteſten im Berglande von Ama- dia, halbwegs zwiſchen Moſul und dem Alpenlande der Ne- ſtorianer, wo ſich in der Nachbarſchaft der Schneewipfel des Djulamerk-Stockes Dutzende kurdiſcher Raubburgen, der Beſitz moslemiſcher Kurdenbeys, erheben … Ueber die Zuſtände da- ſelbſt — Hakkiari — haben wir bereits berichtet. Von dort iſt die perſiſche Grenze nur wenige Tagreiſen entfernt und mit ihrem Ueberſchreiten gelangen wir in das Gebiet der wildeſten und unbändigſten aller Kurdenſtämme, oder beſſer: mit den Kur- den eng verwandter Bergvölker, in jenes der Luren und Buch- thiaren. Sie hauſen in ihren Gebirgsſchlupfwinkeln halb nackt wie Troglodyten und verwehren Jedermann den Zutritt. Unter ſolchen Umſtänden iſt es mit unſerer Kenntniß über dieſe kur- diſchen Zweigfamilien ſelbſtverſtändlich ſehr ſchlecht beſtellt. Ueber die angrenzenden Ardelan-Kurden hinaus treffen wir bei Kir- manſchah auf die Secte der „Ali Ilahi“. Ihr Hauptſitz iſt 1 Layard, „Niniveh and Babylon“. (Die gegentheilige Behauptung bei Petermann, „Reiſen“, II, 331.) Schweiger-Lerchenfeld, Freih. von, Armenien. 8

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/145>, abgerufen am 21.11.2024.