Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Armeniens culturhistorische Stellung. Eroberer anlockte 1. So fiel alles anatolische Land bis zumHalys dem Weltreiche zu, Armenien mit einbegriffen, doch ver- hältnißmäßig weniger durch die folgenden Ereignisse berührt. Die Lostrennung Mediens von Assyrien berührte selbstverständlich auch das armenische Hochland und verschaffte ihm eine neue politische Bedeutung, die freilich nicht von besonderer Dauer sein konnte, wenn man berücksichtigt, wie rasch aus den Trümmern des assyrischen Weltreiches das persische emporgewachsen war, und mit ihm der abermalige Machteinfluß von Osten her. Ar- menien wurde dadurch wieder auf lange Zeit den unmittelbarsten asiatischen Einflüssen ausgesetzt, sowie später den neupersischen und arabischen, also stets in einer Richtung, die entweder von Süden, aus den mesopotamischen Tiefländern, oder von Osten, von den herrschenden Völkern Mittel-Asiens kam. Gegenüber diesen historischen Thatsachen ist es interessant 1 Vgl. Movers, "Die Phönikier", II, a. a. O.
Armeniens culturhiſtoriſche Stellung. Eroberer anlockte 1. So fiel alles anatoliſche Land bis zumHalys dem Weltreiche zu, Armenien mit einbegriffen, doch ver- hältnißmäßig weniger durch die folgenden Ereigniſſe berührt. Die Lostrennung Mediens von Aſſyrien berührte ſelbſtverſtändlich auch das armeniſche Hochland und verſchaffte ihm eine neue politiſche Bedeutung, die freilich nicht von beſonderer Dauer ſein konnte, wenn man berückſichtigt, wie raſch aus den Trümmern des aſſyriſchen Weltreiches das perſiſche emporgewachſen war, und mit ihm der abermalige Machteinfluß von Oſten her. Ar- menien wurde dadurch wieder auf lange Zeit den unmittelbarſten aſiatiſchen Einflüſſen ausgeſetzt, ſowie ſpäter den neuperſiſchen und arabiſchen, alſo ſtets in einer Richtung, die entweder von Süden, aus den meſopotamiſchen Tiefländern, oder von Oſten, von den herrſchenden Völkern Mittel-Aſiens kam. Gegenüber dieſen hiſtoriſchen Thatſachen iſt es intereſſant 1 Vgl. Movers, „Die Phönikier“, II, a. a. O.
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Armeniens culturhiſtoriſche Stellung.
Eroberer anlockte 1. So fiel alles anatoliſche Land bis zum
Halys dem Weltreiche zu, Armenien mit einbegriffen, doch ver-
hältnißmäßig weniger durch die folgenden Ereigniſſe berührt.
Die Lostrennung Mediens von Aſſyrien berührte ſelbſtverſtändlich
auch das armeniſche Hochland und verſchaffte ihm eine neue
politiſche Bedeutung, die freilich nicht von beſonderer Dauer ſein
konnte, wenn man berückſichtigt, wie raſch aus den Trümmern
des aſſyriſchen Weltreiches das perſiſche emporgewachſen war,
und mit ihm der abermalige Machteinfluß von Oſten her. Ar-
menien wurde dadurch wieder auf lange Zeit den unmittelbarſten
aſiatiſchen Einflüſſen ausgeſetzt, ſowie ſpäter den neuperſiſchen
und arabiſchen, alſo ſtets in einer Richtung, die entweder von
Süden, aus den meſopotamiſchen Tiefländern, oder von Oſten,
von den herrſchenden Völkern Mittel-Aſiens kam.
Gegenüber dieſen hiſtoriſchen Thatſachen iſt es intereſſant
genug, daß Armenien von den Pontusgeſtaden, von welchen es
nur durch eine hohe wilde Gebirgsſchranke getrennt war, auch
ſonſt völlig abgeſchieden blieb. Man ſollte glauben, daß die
Nähe des Meeres, welches bereits in den älteſten Zeiten von
griechiſchen Schiffern befahren wurde, und auf Grund des ſich
hieraus ergebenden Contactes mit den pontiſch-ſkythiſchen und
pontiſch-oſteuropäiſchen Uferländern, am eheſten geeignet geweſen
wäre, von hoher bedeutender Einwirkung auf die Entwickelung
des Hochlandes zu werden. Dieſe Einwirkungen waren aber
geraume Zeit nicht im Geringſten vorhanden. Während die
anatoliſche Halbinſel durch ihre dreifache Waſſergrenze mit den
oſteuropäiſchen Völkern im Norden, mit den Hellenen im Weſten
und ſchließlich mit der phönikiſch-egyptiſchen Culturwelt im Süden
in unmittelbaren Verkehr ſchon in älteſten Zeiten gerieth und
dadurch die geſammte künftige Entwickelung des Halbinſellandes
ihr eigenthümliches Gepräge, ihren Culturtypus erhielt, blieb
Armenien unberührt von dieſem befruchtenden Einfluß. Die
helleniſchen Seefahrer waren wohl wiederholt bis zu den chol-
chiſchen Küſten vorgedrungen, die eigentlichen großen Handels-
colonien lagen aber viel weiter im Weſten, wie zu Heraklea,
Sinope, Amiſus und zuletzt wohl auch zu Trapezus, dem eigent-
1 Vgl. Movers, „Die Phönikier“, II, a. a. O.
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