Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Ueberblick auf Gesammt-Armenien. lichen vermittelnden Küstenpunkte zwischen dem Hochlande undden entlegeneren Gestadeländern. Der Grund dieser starren, weder durch Handels-Intensität noch durch andere Momente zu brechenden Exclusivität ist abermals auf den Abgang aller Thalwege und Ströme zurückzuführen. Die ungegliederte Gebirgs- wand zwischen Pontus und Armenien war zu einem lebhafteren Verkehre nicht geschaffen. Selbst die großen asiatischen Eroberer zogen, wenn sie verheerend ins Hochland einbrachen, an jener Schranke vorüber, um auf bequemeren Pfaden ins anatolische Binnenland einzubrechen und von dort die glänzenden Cultur- stätten am jonischen, bithynischen, lycischen und cilycischen Gestade zu erreichen. Auch schalteten in jenen Bergwildnissen rohe, barbarische Völker, die ihren Unabhängigkeitsdrang und ihre Unzugänglichkeit bis auf den Tag zu erhalten wußten, und deren magere, wohl auch von urwaldähnlicher Vegetation geschützten Gaue weniger als irgend ein anderer Strich in Vorder-Asien den Ruhmesdurst oder die Begier nach Besitz lockten. Ja selbst an der Küste blieb der Verkehr ein so schwieriger und so unlohnender, daß nur die außergewöhnlich günstige Lage des trapezuntischen Küsten- schemels und die durch diese Lage gewissermaßen bedingte Herr- schaft über den östlichen Pontus, die Milesier Sinopes bestimmt haben mochten, eine Tochter-Colonie an jener Stelle zu gründen, wo nachmals ein byzantinisches Schattenreich erstehen sollte. Noch in unseren Tagen ist dieser östliche Theil der Pontusküste, wie wir bereits gesehen haben (S. den dritten Abschnitt), durch seine Vernachlässigung ein getreues Abbild jener Zustände, wie sie in ältester Zeit -- freilich in noch höherem Grade -- geherrscht haben mochten. Die steile, wildromantische Küstenwand ist so viel wie gar nicht gegliedert. Die kurzen, torrentenartigen Berg- ströme, welche zum Meere sich ergießen, verhindern allenthalben den transversalen Verkehr, der nach dem Hinterlande bislang nur von jenen Seepunkten aus vermittelt wurde, die in der Mündungs-Nähe der großen Flüsse (Halys und Iris), wie Sinope und Amisus (Samsun) lagen. Den größten Theil des Jahres herrschen die Nord- und Ostwinde am Pontus vor. Colossale Wolkenmassen, die über das düstere Meer einen unheim- lichen Schatten werfen, treiben über die sturmgepeitschte Fläche bis zur hohen pontisch-anatolischen Gebirgsschranke, wo sie sich Ueberblick auf Geſammt-Armenien. lichen vermittelnden Küſtenpunkte zwiſchen dem Hochlande undden entlegeneren Geſtadeländern. Der Grund dieſer ſtarren, weder durch Handels-Intenſität noch durch andere Momente zu brechenden Excluſivität iſt abermals auf den Abgang aller Thalwege und Ströme zurückzuführen. Die ungegliederte Gebirgs- wand zwiſchen Pontus und Armenien war zu einem lebhafteren Verkehre nicht geſchaffen. Selbſt die großen aſiatiſchen Eroberer zogen, wenn ſie verheerend ins Hochland einbrachen, an jener Schranke vorüber, um auf bequemeren Pfaden ins anatoliſche Binnenland einzubrechen und von dort die glänzenden Cultur- ſtätten am joniſchen, bithyniſchen, lyciſchen und cilyciſchen Geſtade zu erreichen. Auch ſchalteten in jenen Bergwildniſſen rohe, barbariſche Völker, die ihren Unabhängigkeitsdrang und ihre Unzugänglichkeit bis auf den Tag zu erhalten wußten, und deren magere, wohl auch von urwaldähnlicher Vegetation geſchützten Gaue weniger als irgend ein anderer Strich in Vorder-Aſien den Ruhmesdurſt oder die Begier nach Beſitz lockten. Ja ſelbſt an der Küſte blieb der Verkehr ein ſo ſchwieriger und ſo unlohnender, daß nur die außergewöhnlich günſtige Lage des trapezuntiſchen Küſten- ſchemels und die durch dieſe Lage gewiſſermaßen bedingte Herr- ſchaft über den öſtlichen Pontus, die Mileſier Sinopes beſtimmt haben mochten, eine Tochter-Colonie an jener Stelle zu gründen, wo nachmals ein byzantiniſches Schattenreich erſtehen ſollte. Noch in unſeren Tagen iſt dieſer öſtliche Theil der Pontusküſte, wie wir bereits geſehen haben (S. den dritten Abſchnitt), durch ſeine Vernachläſſigung ein getreues Abbild jener Zuſtände, wie ſie in älteſter Zeit — freilich in noch höherem Grade — geherrſcht haben mochten. Die ſteile, wildromantiſche Küſtenwand iſt ſo viel wie gar nicht gegliedert. Die kurzen, torrentenartigen Berg- ſtröme, welche zum Meere ſich ergießen, verhindern allenthalben den transverſalen Verkehr, der nach dem Hinterlande bislang nur von jenen Seepunkten aus vermittelt wurde, die in der Mündungs-Nähe der großen Flüſſe (Halys und Iris), wie Sinope und Amiſus (Samſun) lagen. Den größten Theil des Jahres herrſchen die Nord- und Oſtwinde am Pontus vor. Coloſſale Wolkenmaſſen, die über das düſtere Meer einen unheim- lichen Schatten werfen, treiben über die ſturmgepeitſchte Fläche bis zur hohen pontiſch-anatoliſchen Gebirgsſchranke, wo ſie ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0168" n="136"/><fw place="top" type="header">Ueberblick auf Geſammt-Armenien.</fw><lb/> lichen vermittelnden Küſtenpunkte zwiſchen dem Hochlande und<lb/> den entlegeneren Geſtadeländern. Der Grund dieſer ſtarren,<lb/> weder durch Handels-Intenſität noch durch andere Momente<lb/> zu brechenden Excluſivität iſt abermals auf den Abgang aller<lb/> Thalwege und Ströme zurückzuführen. Die ungegliederte Gebirgs-<lb/> wand zwiſchen Pontus und Armenien war zu einem lebhafteren<lb/> Verkehre nicht geſchaffen. 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Ueberblick auf Geſammt-Armenien.
lichen vermittelnden Küſtenpunkte zwiſchen dem Hochlande und
den entlegeneren Geſtadeländern. Der Grund dieſer ſtarren,
weder durch Handels-Intenſität noch durch andere Momente
zu brechenden Excluſivität iſt abermals auf den Abgang aller
Thalwege und Ströme zurückzuführen. Die ungegliederte Gebirgs-
wand zwiſchen Pontus und Armenien war zu einem lebhafteren
Verkehre nicht geſchaffen. Selbſt die großen aſiatiſchen Eroberer
zogen, wenn ſie verheerend ins Hochland einbrachen, an jener
Schranke vorüber, um auf bequemeren Pfaden ins anatoliſche
Binnenland einzubrechen und von dort die glänzenden Cultur-
ſtätten am joniſchen, bithyniſchen, lyciſchen und cilyciſchen Geſtade
zu erreichen. Auch ſchalteten in jenen Bergwildniſſen rohe, barbariſche
Völker, die ihren Unabhängigkeitsdrang und ihre Unzugänglichkeit
bis auf den Tag zu erhalten wußten, und deren magere, wohl
auch von urwaldähnlicher Vegetation geſchützten Gaue weniger
als irgend ein anderer Strich in Vorder-Aſien den Ruhmesdurſt
oder die Begier nach Beſitz lockten. Ja ſelbſt an der Küſte blieb
der Verkehr ein ſo ſchwieriger und ſo unlohnender, daß nur
die außergewöhnlich günſtige Lage des trapezuntiſchen Küſten-
ſchemels und die durch dieſe Lage gewiſſermaßen bedingte Herr-
ſchaft über den öſtlichen Pontus, die Mileſier Sinopes beſtimmt
haben mochten, eine Tochter-Colonie an jener Stelle zu gründen,
wo nachmals ein byzantiniſches Schattenreich erſtehen ſollte. Noch
in unſeren Tagen iſt dieſer öſtliche Theil der Pontusküſte, wie
wir bereits geſehen haben (S. den dritten Abſchnitt), durch ſeine
Vernachläſſigung ein getreues Abbild jener Zuſtände, wie ſie in
älteſter Zeit — freilich in noch höherem Grade — geherrſcht
haben mochten. Die ſteile, wildromantiſche Küſtenwand iſt ſo
viel wie gar nicht gegliedert. Die kurzen, torrentenartigen Berg-
ſtröme, welche zum Meere ſich ergießen, verhindern allenthalben
den transverſalen Verkehr, der nach dem Hinterlande bislang
nur von jenen Seepunkten aus vermittelt wurde, die in der
Mündungs-Nähe der großen Flüſſe (Halys und Iris), wie
Sinope und Amiſus (Samſun) lagen. Den größten Theil des
Jahres herrſchen die Nord- und Oſtwinde am Pontus vor.
Coloſſale Wolkenmaſſen, die über das düſtere Meer einen unheim-
lichen Schatten werfen, treiben über die ſturmgepeitſchte Fläche
bis zur hohen pontiſch-anatoliſchen Gebirgsſchranke, wo ſie ſich
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