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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Armeniens culturhistorische Stellung.
stauen und als ergiebigster Niederschlag zur Erde fallen. Daher
die reiche Pflanzenfülle, die dichten Wälder und die herrlichen
Gärten des Dschanik und der trapezuntischen Landschaft; daher
aber auch die verheerenden Bergströme, die in Folge ihres kurzen
Laufes mit um so größerer Wucht zur See abstürzen, Brücken
und Wege vernichtend. Bei der oftmaligen, ja constanten Wieder-
holung von derlei Elementar-Ereignissen, kann selbstverständlich
auch der allerlocalste Verkehr stets nur ein problematischer
sein. Aber auch die Küste bietet und bot niemals Schutz und
zur Zeit, als die kühnen griechischen Segler den östlichen Pontus
kreuzten, konnte die Schiffer wohl das abenteuerliche solcher Fahrten
reizen, nimmer aber irgend ein materieller Gewinn, oder prak-
tischer Nutzen, der am Ende dem Verkehre Leben verliehen hätte.
Daher die Abgeschlossenheit Armeniens durch viele Jahrtausende
von der pontischen Gestadewelt. Erst mit der Gründung Tra-
pezunts belebte sich jener beschwerliche Handelsweg, der von
dieser Stadt zur armenischen Capitale Erzerum heraufzog und
dessen Zustand heute noch derselbe ist, wie vor Jahrhunderten.
Die einzigen Einwirkungen, die von Westen her Armenien treffen
sollten, waren die byzantinischen. Sie blieben aber belanglos
und nach kurzer Unterbrechung waren es wieder eine Reihe öst-
licher Völker, zuletzt die Türken, welche ihren Machteinfluß im
Hochlande geltend machten, und wie die Dinge heute stehen,
ist der Besitz dieses Landes abermals einem östlichen Eroberer
gesichert, der im Laufe unseres Jahrhunderts Stück für Stück
von demselben losgerissen und nunmehr seine Grenzpfähle bereits
bis zu den Eufratquellen vorgeschoben hat. In allen diesen
Stürmen aber hat das armenische Volk seine Individualität ge-
wahrt und seine culturgeschichtliche Bedeutung als arischer Stamm
inmitten der Sturmfluth zumeist fremder Racen unverkennbar
zum Ausdruck gebracht.

Zuletzt hat sich dieses ethnische Moment allerdings dadurch
modificiren müssen, daß der osmanische Einfluß in socialer Be-
ziehung beim armenischen Volke mit der Zeit derartige Fortschritte
zu machen wußte, um hier etwaige Gegensätze vollends zu ebnen.
Wie nirgends auf türkischem Reichsboden, haben sich die christlichen
Armenier ihren Bedrückern zu unterordnen verstanden und dadurch mit
diesen ein leidliches Auskommen gefunden. Hiebei ist dieses Ver-

Armeniens culturhiſtoriſche Stellung.
ſtauen und als ergiebigſter Niederſchlag zur Erde fallen. Daher
die reiche Pflanzenfülle, die dichten Wälder und die herrlichen
Gärten des Dſchanik und der trapezuntiſchen Landſchaft; daher
aber auch die verheerenden Bergſtröme, die in Folge ihres kurzen
Laufes mit um ſo größerer Wucht zur See abſtürzen, Brücken
und Wege vernichtend. Bei der oftmaligen, ja conſtanten Wieder-
holung von derlei Elementar-Ereigniſſen, kann ſelbſtverſtändlich
auch der allerlocalſte Verkehr ſtets nur ein problematiſcher
ſein. Aber auch die Küſte bietet und bot niemals Schutz und
zur Zeit, als die kühnen griechiſchen Segler den öſtlichen Pontus
kreuzten, konnte die Schiffer wohl das abenteuerliche ſolcher Fahrten
reizen, nimmer aber irgend ein materieller Gewinn, oder prak-
tiſcher Nutzen, der am Ende dem Verkehre Leben verliehen hätte.
Daher die Abgeſchloſſenheit Armeniens durch viele Jahrtauſende
von der pontiſchen Geſtadewelt. Erſt mit der Gründung Tra-
pezunts belebte ſich jener beſchwerliche Handelsweg, der von
dieſer Stadt zur armeniſchen Capitale Erzerum heraufzog und
deſſen Zuſtand heute noch derſelbe iſt, wie vor Jahrhunderten.
Die einzigen Einwirkungen, die von Weſten her Armenien treffen
ſollten, waren die byzantiniſchen. Sie blieben aber belanglos
und nach kurzer Unterbrechung waren es wieder eine Reihe öſt-
licher Völker, zuletzt die Türken, welche ihren Machteinfluß im
Hochlande geltend machten, und wie die Dinge heute ſtehen,
iſt der Beſitz dieſes Landes abermals einem öſtlichen Eroberer
geſichert, der im Laufe unſeres Jahrhunderts Stück für Stück
von demſelben losgeriſſen und nunmehr ſeine Grenzpfähle bereits
bis zu den Eufratquellen vorgeſchoben hat. In allen dieſen
Stürmen aber hat das armeniſche Volk ſeine Individualität ge-
wahrt und ſeine culturgeſchichtliche Bedeutung als ariſcher Stamm
inmitten der Sturmfluth zumeiſt fremder Racen unverkennbar
zum Ausdruck gebracht.

Zuletzt hat ſich dieſes ethniſche Moment allerdings dadurch
modificiren müſſen, daß der osmaniſche Einfluß in ſocialer Be-
ziehung beim armeniſchen Volke mit der Zeit derartige Fortſchritte
zu machen wußte, um hier etwaige Gegenſätze vollends zu ebnen.
Wie nirgends auf türkiſchem Reichsboden, haben ſich die chriſtlichen
Armenier ihren Bedrückern zu unterordnen verſtanden und dadurch mit
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[137/0169] Armeniens culturhiſtoriſche Stellung. ſtauen und als ergiebigſter Niederſchlag zur Erde fallen. Daher die reiche Pflanzenfülle, die dichten Wälder und die herrlichen Gärten des Dſchanik und der trapezuntiſchen Landſchaft; daher aber auch die verheerenden Bergſtröme, die in Folge ihres kurzen Laufes mit um ſo größerer Wucht zur See abſtürzen, Brücken und Wege vernichtend. Bei der oftmaligen, ja conſtanten Wieder- holung von derlei Elementar-Ereigniſſen, kann ſelbſtverſtändlich auch der allerlocalſte Verkehr ſtets nur ein problematiſcher ſein. Aber auch die Küſte bietet und bot niemals Schutz und zur Zeit, als die kühnen griechiſchen Segler den öſtlichen Pontus kreuzten, konnte die Schiffer wohl das abenteuerliche ſolcher Fahrten reizen, nimmer aber irgend ein materieller Gewinn, oder prak- tiſcher Nutzen, der am Ende dem Verkehre Leben verliehen hätte. Daher die Abgeſchloſſenheit Armeniens durch viele Jahrtauſende von der pontiſchen Geſtadewelt. Erſt mit der Gründung Tra- pezunts belebte ſich jener beſchwerliche Handelsweg, der von dieſer Stadt zur armeniſchen Capitale Erzerum heraufzog und deſſen Zuſtand heute noch derſelbe iſt, wie vor Jahrhunderten. Die einzigen Einwirkungen, die von Weſten her Armenien treffen ſollten, waren die byzantiniſchen. Sie blieben aber belanglos und nach kurzer Unterbrechung waren es wieder eine Reihe öſt- licher Völker, zuletzt die Türken, welche ihren Machteinfluß im Hochlande geltend machten, und wie die Dinge heute ſtehen, iſt der Beſitz dieſes Landes abermals einem öſtlichen Eroberer geſichert, der im Laufe unſeres Jahrhunderts Stück für Stück von demſelben losgeriſſen und nunmehr ſeine Grenzpfähle bereits bis zu den Eufratquellen vorgeſchoben hat. In allen dieſen Stürmen aber hat das armeniſche Volk ſeine Individualität ge- wahrt und ſeine culturgeſchichtliche Bedeutung als ariſcher Stamm inmitten der Sturmfluth zumeiſt fremder Racen unverkennbar zum Ausdruck gebracht. Zuletzt hat ſich dieſes ethniſche Moment allerdings dadurch modificiren müſſen, daß der osmaniſche Einfluß in ſocialer Be- ziehung beim armeniſchen Volke mit der Zeit derartige Fortſchritte zu machen wußte, um hier etwaige Gegenſätze vollends zu ebnen. Wie nirgends auf türkiſchem Reichsboden, haben ſich die chriſtlichen Armenier ihren Bedrückern zu unterordnen verſtanden und dadurch mit dieſen ein leidliches Auskommen gefunden. Hiebei iſt dieſes Ver-

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/169>, abgerufen am 21.11.2024.