Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Ueber Karahissar nach Kjutachia. Ort, und zwar zur selben Zeit, als es einem Melikschah möglichwar, den Fährmann am Oxus in Central-Asien mit einer An- weisung auf den Schatz von Antiochien, also einer Stadt, die 400 Meilen entfernt lag, bezahlt zu machen, ohne daß es dem Schiffer zum Nachtheile gereicht hätte 1. Wie merkwürdig das klingt, wenn man sich die heutige ungeheuerliche Corruption und Nichtswürdigkeit der türkischen Beamten vor Augen hält! Nach Karahissar sind indeß die Osmanen ziemlich spät gekommen. Die Stadt lag so nahezu an der Peripherie des engeren Terri- toriums von Iconium, dessen ausgedehnte, mit gewaltigen Quader- mauern und zahlreichen Thürmen versehene Hauptstadt das heutige Konja war 2. Die Ebene, welche sich heute um Karahissar breitet, ist öde und sumpfig, riesige Trachytkegel durchbrechen sie und auf einem solchen erhebt sich auch ein uralter, aus den schwarzen Trachytblöcken hergestellter Bau. Auch die Stadt ist ganz aus diesem schwarzen Material aufgeführt, obgleich sich in dem naheliegenden Synada von altersher berühmte Marmor- brüche befinden. Aber es wäre für türkische und turkmenische Baumeister und Maurer zuviel verlangt, wollte man ihnen zu- muthen, anderes Material zu verwenden, als jenes, über das 1 Braun, "Gemälde der moh. Welt", 224. Es war unstreitig der Höhepunkt und die Blütheepoche der Türkenherrschaft in Asien. Der Wezier Nizam Almulk war die Seele all' jener staatlichen Einrichtungen und bürgerlichen Schöpfungen, wie sie der mohammedanische Orient höchstens noch unter den Chalifen gekannt. Im Uebrigen gab es zwei seldschukidische Herrscherfamilien, von denen die östliche, das ist jene, welche das Bagdader Chalifat inne hatte, bereits 1258 durch die Mongolen unter Hulagu Khan, Dschengiskhans Enkel, ihr Ende fand. Ueber den Gründer dieser Dynastie gehen die Meinungen ein wenig auseinander, indem die Einen denselben (Seldjuk) als einen Statthalter des Fürsten von Khorassan, die Andern ihn als das mächtige, allvermögende Haupt eines selbstständigen Tribus bezeichnen (Vgl. J. David "Syrie Moderne", p. 216), vor dem selbst die Herrscher am Oxus und Indus gelinden Respect hatten. Bereits Alp-Arzlan begann seine Herrschaft damit, daß er an seinem Hofe Poeten. Philosophen und alle Männer von Geist und Wissen versammelte, ohne deshalb von seinem Kriegsruhme und seinen Feldherrngaben etwas einzu- büßen. Derlei war immerdar möglich, wo ehrliche und kräftige Bestre- bungen über die Corruption den Sieg davon trugen, und auch die Os- maniden haben dies bewiesen, freilich durch nur sehr kurze Zeit. 2 Vgl. unten S. 182.
Ueber Karahiſſar nach Kjutachia. Ort, und zwar zur ſelben Zeit, als es einem Melikſchah möglichwar, den Fährmann am Oxus in Central-Aſien mit einer An- weiſung auf den Schatz von Antiochien, alſo einer Stadt, die 400 Meilen entfernt lag, bezahlt zu machen, ohne daß es dem Schiffer zum Nachtheile gereicht hätte 1. Wie merkwürdig das klingt, wenn man ſich die heutige ungeheuerliche Corruption und Nichtswürdigkeit der türkiſchen Beamten vor Augen hält! Nach Karahiſſar ſind indeß die Osmanen ziemlich ſpät gekommen. Die Stadt lag ſo nahezu an der Peripherie des engeren Terri- toriums von Iconium, deſſen ausgedehnte, mit gewaltigen Quader- mauern und zahlreichen Thürmen verſehene Hauptſtadt das heutige Konja war 2. Die Ebene, welche ſich heute um Karahiſſar breitet, iſt öde und ſumpfig, rieſige Trachytkegel durchbrechen ſie und auf einem ſolchen erhebt ſich auch ein uralter, aus den ſchwarzen Trachytblöcken hergeſtellter Bau. Auch die Stadt iſt ganz aus dieſem ſchwarzen Material aufgeführt, obgleich ſich in dem naheliegenden Synada von altersher berühmte Marmor- brüche befinden. Aber es wäre für türkiſche und turkmeniſche Baumeiſter und Maurer zuviel verlangt, wollte man ihnen zu- muthen, anderes Material zu verwenden, als jenes, über das 1 Braun, „Gemälde der moh. Welt“, 224. Es war unſtreitig der Höhepunkt und die Blütheepoche der Türkenherrſchaft in Aſien. Der Wezier Nizam Almulk war die Seele all’ jener ſtaatlichen Einrichtungen und bürgerlichen Schöpfungen, wie ſie der mohammedaniſche Orient höchſtens noch unter den Chalifen gekannt. Im Uebrigen gab es zwei ſeldſchukidiſche Herrſcherfamilien, von denen die öſtliche, das iſt jene, welche das Bagdader Chalifat inne hatte, bereits 1258 durch die Mongolen unter Hulagu Khan, Dſchengiskhans Enkel, ihr Ende fand. Ueber den Gründer dieſer Dynaſtie gehen die Meinungen ein wenig auseinander, indem die Einen denſelben (Seldjuk) als einen Statthalter des Fürſten von Khoraſſan, die Andern ihn als das mächtige, allvermögende Haupt eines ſelbſtſtändigen Tribus bezeichnen (Vgl. J. David „Syrie Moderne“, p. 216), vor dem ſelbſt die Herrſcher am Oxus und Indus gelinden Reſpect hatten. Bereits Alp-Arzlan begann ſeine Herrſchaft damit, daß er an ſeinem Hofe Poeten. Philoſophen und alle Männer von Geiſt und Wiſſen verſammelte, ohne deshalb von ſeinem Kriegsruhme und ſeinen Feldherrngaben etwas einzu- büßen. Derlei war immerdar möglich, wo ehrliche und kräftige Beſtre- bungen über die Corruption den Sieg davon trugen, und auch die Os- maniden haben dies bewieſen, freilich durch nur ſehr kurze Zeit. 2 Vgl. unten S. 182.
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Ueber Karahiſſar nach Kjutachia.
Ort, und zwar zur ſelben Zeit, als es einem Melikſchah möglich
war, den Fährmann am Oxus in Central-Aſien mit einer An-
weiſung auf den Schatz von Antiochien, alſo einer Stadt, die
400 Meilen entfernt lag, bezahlt zu machen, ohne daß es dem
Schiffer zum Nachtheile gereicht hätte 1. Wie merkwürdig das
klingt, wenn man ſich die heutige ungeheuerliche Corruption und
Nichtswürdigkeit der türkiſchen Beamten vor Augen hält! Nach
Karahiſſar ſind indeß die Osmanen ziemlich ſpät gekommen.
Die Stadt lag ſo nahezu an der Peripherie des engeren Terri-
toriums von Iconium, deſſen ausgedehnte, mit gewaltigen Quader-
mauern und zahlreichen Thürmen verſehene Hauptſtadt das
heutige Konja war 2. Die Ebene, welche ſich heute um Karahiſſar
breitet, iſt öde und ſumpfig, rieſige Trachytkegel durchbrechen ſie
und auf einem ſolchen erhebt ſich auch ein uralter, aus den
ſchwarzen Trachytblöcken hergeſtellter Bau. Auch die Stadt iſt
ganz aus dieſem ſchwarzen Material aufgeführt, obgleich ſich in
dem naheliegenden Synada von altersher berühmte Marmor-
brüche befinden. Aber es wäre für türkiſche und turkmeniſche
Baumeiſter und Maurer zuviel verlangt, wollte man ihnen zu-
muthen, anderes Material zu verwenden, als jenes, über das
1 Braun, „Gemälde der moh. Welt“, 224. Es war unſtreitig der
Höhepunkt und die Blütheepoche der Türkenherrſchaft in Aſien. Der
Wezier Nizam Almulk war die Seele all’ jener ſtaatlichen Einrichtungen
und bürgerlichen Schöpfungen, wie ſie der mohammedaniſche Orient höchſtens
noch unter den Chalifen gekannt. Im Uebrigen gab es zwei ſeldſchukidiſche
Herrſcherfamilien, von denen die öſtliche, das iſt jene, welche das Bagdader
Chalifat inne hatte, bereits 1258 durch die Mongolen unter Hulagu
Khan, Dſchengiskhans Enkel, ihr Ende fand. Ueber den Gründer dieſer
Dynaſtie gehen die Meinungen ein wenig auseinander, indem die Einen
denſelben (Seldjuk) als einen Statthalter des Fürſten von Khoraſſan, die
Andern ihn als das mächtige, allvermögende Haupt eines ſelbſtſtändigen
Tribus bezeichnen (Vgl. J. David „Syrie Moderne“, p. 216), vor dem
ſelbſt die Herrſcher am Oxus und Indus gelinden Reſpect hatten. Bereits
Alp-Arzlan begann ſeine Herrſchaft damit, daß er an ſeinem Hofe Poeten.
Philoſophen und alle Männer von Geiſt und Wiſſen verſammelte, ohne
deshalb von ſeinem Kriegsruhme und ſeinen Feldherrngaben etwas einzu-
büßen. Derlei war immerdar möglich, wo ehrliche und kräftige Beſtre-
bungen über die Corruption den Sieg davon trugen, und auch die Os-
maniden haben dies bewieſen, freilich durch nur ſehr kurze Zeit.
2 Vgl. unten S. 182.
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