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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

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Kjutachia.
es nach dem Berichte eines Augenzeugen in einer Zeit, wo es
der Türkei benommmen war, in Anbetracht des moslemischen
Feindes Ibrahim und seiner Egypter, den religiösen Fanatismus
zu schüren. Es bleibt der eigentliche und wahre Maßstab zur
Beurtheilung des türkischen Patriotismus, denn mit dem ewigen
Schlagworte, der Glaube sei bedroht, läßt man im Oriente ganz
andere Instincte erwachen, als jene warmer Vaterlandsliebe und
Anhänglichkeit an die herrschende Dynastie.

Vom alten Castellberge Kjutachias wollen wir noch einmal
die eigenthümliche Landschaft Central-Phrygiens überblicken und
dann nordwärts in das Territorium des ersten osmanischen
Sultanats niedersteigen. Die Stadt mit ihren winkeligen Gassen
und elenden Holzhäusern liegt in einer ziemlich weitläufigen
Ebene, die der antike Tymbres, der heutige Pursak durchströmt.
Das Thal ist stellenweise sumpfig, gegen Süden wird es enger
und nach dieser Seite führt der uralte Verkehrsweg, den auch
die Kreuzfahrer mehrfach eingeschlagen, durch Geröllschluchten
nach Afium-Karahissar. Gegen Osten steigen mäßig die endlosen
Plateaux-Landschaften von Sidi Ghazi an, im Sommer der
Tummelplatz zahlloser Heerden der Turkmenen; westwärts um-
rahmen kahle, niedere Höhenrücken mit spärlichen Ortschaften
das Bild und im Südwesten die imposante Gebirgsmauer des
Murad-Dagh 1. Es ist der eigentliche Knotenpunkt der vorder-
anatolischen Gebirgssysteme und somit die Quellregion aller
großen Flußläufe dieses Gebietes, die meist Namen von gut
historischem Klange führen, wie: Mäander, Hermos, Rhindacus
und Tymbres, heute freilich ersetzt durch die weniger gekannten
türkischen Benennungen: Menderez, Gedis, Adirnas und Pur-
sak ... Nach diesem, im Ganzen wenig lohnenden Rundblick
folgen wir dem Laufe des Kjutachia-Flusses zum Ruinenfelde
Dorylaiums, von dem heute, einige niedere Erdwälle ausgenommen,

berichtet. Um überdies das Heimweh zu verscheuchen und seine bittere
Existenz vergessen zu machen, genießt der asiatische Soldat nach Kräften
das verderbliche Haschisch oder Opium. Beinahe jeder der Soldaten, die
in den letzten Krieg zogen und von Anatolien kamen, führte eine ziemliche
Quantität dieser Betäubungsmittel mit sich. ("Allgemeine Zeitung" 1877,
Nr. 61).
1 Ausführliche Topographie bei Tschichatscheff, "Asie Mineure" I, a. a. O.

Kjutachia.
es nach dem Berichte eines Augenzeugen in einer Zeit, wo es
der Türkei benommmen war, in Anbetracht des moslemiſchen
Feindes Ibrahim und ſeiner Egypter, den religiöſen Fanatismus
zu ſchüren. Es bleibt der eigentliche und wahre Maßſtab zur
Beurtheilung des türkiſchen Patriotismus, denn mit dem ewigen
Schlagworte, der Glaube ſei bedroht, läßt man im Oriente ganz
andere Inſtincte erwachen, als jene warmer Vaterlandsliebe und
Anhänglichkeit an die herrſchende Dynaſtie.

Vom alten Caſtellberge Kjutachias wollen wir noch einmal
die eigenthümliche Landſchaft Central-Phrygiens überblicken und
dann nordwärts in das Territorium des erſten osmaniſchen
Sultanats niederſteigen. Die Stadt mit ihren winkeligen Gaſſen
und elenden Holzhäuſern liegt in einer ziemlich weitläufigen
Ebene, die der antike Tymbres, der heutige Purſak durchſtrömt.
Das Thal iſt ſtellenweiſe ſumpfig, gegen Süden wird es enger
und nach dieſer Seite führt der uralte Verkehrsweg, den auch
die Kreuzfahrer mehrfach eingeſchlagen, durch Geröllſchluchten
nach Afium-Karahiſſar. Gegen Oſten ſteigen mäßig die endloſen
Plateaux-Landſchaften von Sidi Ghazi an, im Sommer der
Tummelplatz zahlloſer Heerden der Turkmenen; weſtwärts um-
rahmen kahle, niedere Höhenrücken mit ſpärlichen Ortſchaften
das Bild und im Südweſten die impoſante Gebirgsmauer des
Murad-Dagh 1. Es iſt der eigentliche Knotenpunkt der vorder-
anatoliſchen Gebirgsſyſteme und ſomit die Quellregion aller
großen Flußläufe dieſes Gebietes, die meiſt Namen von gut
hiſtoriſchem Klange führen, wie: Mäander, Hermos, Rhindacus
und Tymbres, heute freilich erſetzt durch die weniger gekannten
türkiſchen Benennungen: Menderez, Gedis, Adirnas und Pur-
ſak … Nach dieſem, im Ganzen wenig lohnenden Rundblick
folgen wir dem Laufe des Kjutachia-Fluſſes zum Ruinenfelde
Dorylaïums, von dem heute, einige niedere Erdwälle ausgenommen,

berichtet. Um überdies das Heimweh zu verſcheuchen und ſeine bittere
Exiſtenz vergeſſen zu machen, genießt der aſiatiſche Soldat nach Kräften
das verderbliche Haſchiſch oder Opium. Beinahe jeder der Soldaten, die
in den letzten Krieg zogen und von Anatolien kamen, führte eine ziemliche
Quantität dieſer Betäubungsmittel mit ſich. („Allgemeine Zeitung“ 1877,
Nr. 61).
1 Ausführliche Topographie bei Tſchichatſcheff, „Asie Mineure“ I, a. a. O.
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[153/0185] Kjutachia. es nach dem Berichte eines Augenzeugen in einer Zeit, wo es der Türkei benommmen war, in Anbetracht des moslemiſchen Feindes Ibrahim und ſeiner Egypter, den religiöſen Fanatismus zu ſchüren. Es bleibt der eigentliche und wahre Maßſtab zur Beurtheilung des türkiſchen Patriotismus, denn mit dem ewigen Schlagworte, der Glaube ſei bedroht, läßt man im Oriente ganz andere Inſtincte erwachen, als jene warmer Vaterlandsliebe und Anhänglichkeit an die herrſchende Dynaſtie. Vom alten Caſtellberge Kjutachias wollen wir noch einmal die eigenthümliche Landſchaft Central-Phrygiens überblicken und dann nordwärts in das Territorium des erſten osmaniſchen Sultanats niederſteigen. Die Stadt mit ihren winkeligen Gaſſen und elenden Holzhäuſern liegt in einer ziemlich weitläufigen Ebene, die der antike Tymbres, der heutige Purſak durchſtrömt. Das Thal iſt ſtellenweiſe ſumpfig, gegen Süden wird es enger und nach dieſer Seite führt der uralte Verkehrsweg, den auch die Kreuzfahrer mehrfach eingeſchlagen, durch Geröllſchluchten nach Afium-Karahiſſar. Gegen Oſten ſteigen mäßig die endloſen Plateaux-Landſchaften von Sidi Ghazi an, im Sommer der Tummelplatz zahlloſer Heerden der Turkmenen; weſtwärts um- rahmen kahle, niedere Höhenrücken mit ſpärlichen Ortſchaften das Bild und im Südweſten die impoſante Gebirgsmauer des Murad-Dagh 1. Es iſt der eigentliche Knotenpunkt der vorder- anatoliſchen Gebirgsſyſteme und ſomit die Quellregion aller großen Flußläufe dieſes Gebietes, die meiſt Namen von gut hiſtoriſchem Klange führen, wie: Mäander, Hermos, Rhindacus und Tymbres, heute freilich erſetzt durch die weniger gekannten türkiſchen Benennungen: Menderez, Gedis, Adirnas und Pur- ſak … Nach dieſem, im Ganzen wenig lohnenden Rundblick folgen wir dem Laufe des Kjutachia-Fluſſes zum Ruinenfelde Dorylaïums, von dem heute, einige niedere Erdwälle ausgenommen, 3 1 Ausführliche Topographie bei Tſchichatſcheff, „Asie Mineure“ I, a. a. O. 3 berichtet. Um überdies das Heimweh zu verſcheuchen und ſeine bittere Exiſtenz vergeſſen zu machen, genießt der aſiatiſche Soldat nach Kräften das verderbliche Haſchiſch oder Opium. Beinahe jeder der Soldaten, die in den letzten Krieg zogen und von Anatolien kamen, führte eine ziemliche Quantität dieſer Betäubungsmittel mit ſich. („Allgemeine Zeitung“ 1877, Nr. 61).

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/185>, abgerufen am 24.11.2024.