Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Anhang. Anatolische Fragmente. aus dem natürlichen Felsgestein gemeißelt worden1. Aber nichtdie gigantischen Nischen allein, fünf oder sechs an der Zahl, der Ruheplatz einer ganzen Dynastie, wurden dem lebendigen Fels abgerungen; in jeder dieser durch den Meißel entstandenen Grotten ward über deren Sohle noch ein gewaltiger Felswürfel belassen, kunstvoll behauen und innen ausgehölt, behufs Aufnahme eines Sarkophages. Diese letzteren sind zu unbekannter Zeit ver- schwunden; im Volksmunde aber gelten, trotz der griechischen Inschriften, welche das Geheimniß der Grotten entsiegeln, diese als einstige Grabkammern der Riesen Ferhads. Es war ein Oesterreicher, der zuerst Kunde von Amasia, 1 Ansicht bei Hamilton, "Researches in Asia minor" I, (Titelblatt);
auch bei W. Ouseley, "Trav., III", und bei v. Moltke, "Briefe etc." 202--205 ("Die Felsenkammern in Amasia"). Anhang. Anatoliſche Fragmente. aus dem natürlichen Felsgeſtein gemeißelt worden1. Aber nichtdie gigantiſchen Niſchen allein, fünf oder ſechs an der Zahl, der Ruheplatz einer ganzen Dynaſtie, wurden dem lebendigen Fels abgerungen; in jeder dieſer durch den Meißel entſtandenen Grotten ward über deren Sohle noch ein gewaltiger Felswürfel belaſſen, kunſtvoll behauen und innen ausgehölt, behufs Aufnahme eines Sarkophages. Dieſe letzteren ſind zu unbekannter Zeit ver- ſchwunden; im Volksmunde aber gelten, trotz der griechiſchen Inſchriften, welche das Geheimniß der Grotten entſiegeln, dieſe als einſtige Grabkammern der Rieſen Ferhads. Es war ein Oeſterreicher, der zuerſt Kunde von Amaſia, 1 Anſicht bei Hamilton, „Researches in Asia minor“ I, (Titelblatt);
auch bei W. Ouſeley, „Trav., III“, und bei v. Moltke, „Briefe ꝛc.“ 202—205 („Die Felſenkammern in Amaſia“). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0228" n="196"/><fw place="top" type="header">Anhang. Anatoliſche Fragmente.</fw><lb/> aus dem natürlichen Felsgeſtein gemeißelt worden<note place="foot" n="1">Anſicht bei Hamilton, <hi rendition="#aq">„Researches in Asia minor“ I,</hi> (Titelblatt);<lb/> auch bei W. Ouſeley, <hi rendition="#aq">„Trav., III“</hi>, und bei v. Moltke, „Briefe ꝛc.“ 202—205<lb/> („Die Felſenkammern in Amaſia“).</note>. Aber nicht<lb/> die gigantiſchen Niſchen allein, fünf oder ſechs an der Zahl, der<lb/> Ruheplatz einer ganzen Dynaſtie, wurden dem lebendigen Fels<lb/> abgerungen; in jeder dieſer durch den Meißel entſtandenen Grotten<lb/> ward über deren Sohle noch ein gewaltiger Felswürfel belaſſen,<lb/> kunſtvoll behauen und innen ausgehölt, behufs Aufnahme eines<lb/> Sarkophages. Dieſe letzteren ſind zu unbekannter Zeit ver-<lb/> ſchwunden; im Volksmunde aber gelten, trotz der griechiſchen<lb/> Inſchriften, welche das Geheimniß der Grotten entſiegeln, dieſe<lb/> als einſtige Grabkammern der Rieſen Ferhads.</p><lb/> <p>Es war ein Oeſterreicher, der zuerſt Kunde von Amaſia,<lb/> der Gartenſtadt brachte. Unter der Regierung Ferdinand <hi rendition="#aq">I.</hi> gab<lb/> es in Bezug auf Siebenbürgen allerlei Streitigkeiten mit den<lb/> Paſchas Suleiman <hi rendition="#aq">I.</hi> Dieſe zu ſchlichten, entſendete der Kaiſer<lb/> den Geſandten Busbek nach Conſtantinopel, wo er jedoch den<lb/> Sultan nicht antraf, da dieſer kurz vorher mit ſeinem ganzen<lb/> Hofſtaate nach Amaſia überſiedelt war, um den Friedensſchluß<lb/> mit dem Schah von Perſien feſtlich und mit allem Pomp zu<lb/> begehen. Busbeck war demnach gezwungen, ſich von Conſtanti-<lb/> nopel aus über Land, und zwar mit der Zwiſchenſtation Angora,<lb/> nach dem augenblicklichen Hoflager Suleimans zu begeben, und<lb/> er war ſomit einer der erſten Europäer, der Klein-Aſien nahezu<lb/> ſeiner ganzen Länge nach gekreuzt hatte. (Im Jahre 1515.) Die<lb/> Aufzeichnungen des Diplomaten, deren Originale in irgend einem<lb/> Staatsarchive modern mögen, ſind intereſſant genug, im Ganzen<lb/> aber erſtreckt ſich ſeine Bewunderung weniger auf die Alterthümer<lb/> Amaſias, als vielmehr auf den feenhaften Pomp, die rauſchenden<lb/> Feierlichkeiten und die glänzenden Coſtüme am großherrlichen<lb/> Hoflager ſelbſt. Drei Monate verweilte Busbeck am Hoflager<lb/> Suleimans zu Amaſia, dann kehrte er, anſtatt des erwünſchten<lb/> Friedens, blos die Einwilligung zu einem ſechsmonatlichen Waffen-<lb/> ſtillſtand mitbringend in ſeine Heimat zurück, Wunderdinge be-<lb/> richtend von ſeiner großen Reiſe ins Herz Anatoliens. Seitdem<lb/> haben ſich die Zeiten freilich geändert und Anfang der ſiebziger<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [196/0228]
Anhang. Anatoliſche Fragmente.
aus dem natürlichen Felsgeſtein gemeißelt worden 1. Aber nicht
die gigantiſchen Niſchen allein, fünf oder ſechs an der Zahl, der
Ruheplatz einer ganzen Dynaſtie, wurden dem lebendigen Fels
abgerungen; in jeder dieſer durch den Meißel entſtandenen Grotten
ward über deren Sohle noch ein gewaltiger Felswürfel belaſſen,
kunſtvoll behauen und innen ausgehölt, behufs Aufnahme eines
Sarkophages. Dieſe letzteren ſind zu unbekannter Zeit ver-
ſchwunden; im Volksmunde aber gelten, trotz der griechiſchen
Inſchriften, welche das Geheimniß der Grotten entſiegeln, dieſe
als einſtige Grabkammern der Rieſen Ferhads.
Es war ein Oeſterreicher, der zuerſt Kunde von Amaſia,
der Gartenſtadt brachte. Unter der Regierung Ferdinand I. gab
es in Bezug auf Siebenbürgen allerlei Streitigkeiten mit den
Paſchas Suleiman I. Dieſe zu ſchlichten, entſendete der Kaiſer
den Geſandten Busbek nach Conſtantinopel, wo er jedoch den
Sultan nicht antraf, da dieſer kurz vorher mit ſeinem ganzen
Hofſtaate nach Amaſia überſiedelt war, um den Friedensſchluß
mit dem Schah von Perſien feſtlich und mit allem Pomp zu
begehen. Busbeck war demnach gezwungen, ſich von Conſtanti-
nopel aus über Land, und zwar mit der Zwiſchenſtation Angora,
nach dem augenblicklichen Hoflager Suleimans zu begeben, und
er war ſomit einer der erſten Europäer, der Klein-Aſien nahezu
ſeiner ganzen Länge nach gekreuzt hatte. (Im Jahre 1515.) Die
Aufzeichnungen des Diplomaten, deren Originale in irgend einem
Staatsarchive modern mögen, ſind intereſſant genug, im Ganzen
aber erſtreckt ſich ſeine Bewunderung weniger auf die Alterthümer
Amaſias, als vielmehr auf den feenhaften Pomp, die rauſchenden
Feierlichkeiten und die glänzenden Coſtüme am großherrlichen
Hoflager ſelbſt. Drei Monate verweilte Busbeck am Hoflager
Suleimans zu Amaſia, dann kehrte er, anſtatt des erwünſchten
Friedens, blos die Einwilligung zu einem ſechsmonatlichen Waffen-
ſtillſtand mitbringend in ſeine Heimat zurück, Wunderdinge be-
richtend von ſeiner großen Reiſe ins Herz Anatoliens. Seitdem
haben ſich die Zeiten freilich geändert und Anfang der ſiebziger
1 Anſicht bei Hamilton, „Researches in Asia minor“ I, (Titelblatt);
auch bei W. Ouſeley, „Trav., III“, und bei v. Moltke, „Briefe ꝛc.“ 202—205
(„Die Felſenkammern in Amaſia“).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |