Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Der russisch-türkische Krieg in Armenien. hier nicht die Rede sein, will man sich etwa nicht an das bekannteSprichwort halten, daß alle Wege nach Rom -- folglich auch nach Calcutta -- führen. Es ist ganz unbegründet von einer Beherrschung des Eufratthales zu sprechen, sobald Rußland sich nur im Besitze des ganz unbedeutenden Oberlaufes dieses Flusses befindet. Es wäre etwas ganz Aehnliches, wenn man annehmen wollte, daß Württemberg, oder Süddeutschland, oder Deutschland überhaupt, im Besitze des Oberlaufes der Donau, eine absolute Herrschaft über den Strom ausübe. Alles in Allem, der russische Besitz der Grenzprovinz in Armenien kann noch lange nicht maßgebend für eine Bedrohung des Ueberlandweges nach Indien sein. Ganz Persien und Afghanistan, in gewissem Sinne auch Kurdistan, liegen dazwischen, und erst demjenigen werden sich die Pforten nach dem Pendschab öffnen, der Herr des Iranischen Hochlandes sein wird ... Gehen wir nun zu den letzten kriegerischen Ereignissen in Der ruſſiſch-türkiſche Krieg in Armenien. hier nicht die Rede ſein, will man ſich etwa nicht an das bekannteSprichwort halten, daß alle Wege nach Rom — folglich auch nach Calcutta — führen. Es iſt ganz unbegründet von einer Beherrſchung des Eufratthales zu ſprechen, ſobald Rußland ſich nur im Beſitze des ganz unbedeutenden Oberlaufes dieſes Fluſſes befindet. Es wäre etwas ganz Aehnliches, wenn man annehmen wollte, daß Württemberg, oder Süddeutſchland, oder Deutſchland überhaupt, im Beſitze des Oberlaufes der Donau, eine abſolute Herrſchaft über den Strom ausübe. Alles in Allem, der ruſſiſche Beſitz der Grenzprovinz in Armenien kann noch lange nicht maßgebend für eine Bedrohung des Ueberlandweges nach Indien ſein. Ganz Perſien und Afghaniſtan, in gewiſſem Sinne auch Kurdiſtan, liegen dazwiſchen, und erſt demjenigen werden ſich die Pforten nach dem Pendſchab öffnen, der Herr des Iraniſchen Hochlandes ſein wird … Gehen wir nun zu den letzten kriegeriſchen Ereigniſſen in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0025" n="XXI"/><fw place="top" type="header">Der ruſſiſch-türkiſche Krieg in Armenien.</fw><lb/> hier nicht die Rede ſein, will man ſich etwa nicht an das bekannte<lb/> Sprichwort halten, daß alle Wege nach Rom — folglich auch<lb/> nach Calcutta — führen. Es iſt ganz unbegründet von einer<lb/> Beherrſchung des Eufratthales zu ſprechen, ſobald Rußland ſich<lb/> nur im Beſitze des ganz unbedeutenden Oberlaufes dieſes Fluſſes<lb/> befindet. Es wäre etwas ganz Aehnliches, wenn man annehmen<lb/> wollte, daß Württemberg, oder Süddeutſchland, oder Deutſchland<lb/> überhaupt, im Beſitze des Oberlaufes der Donau, eine abſolute<lb/> Herrſchaft über den Strom ausübe. Alles in Allem, der ruſſiſche<lb/> Beſitz der Grenzprovinz in Armenien kann noch lange nicht<lb/> maßgebend für eine Bedrohung des Ueberlandweges nach Indien<lb/> ſein. Ganz Perſien und Afghaniſtan, in gewiſſem Sinne auch<lb/> Kurdiſtan, liegen dazwiſchen, und erſt demjenigen werden ſich<lb/> die Pforten nach dem Pendſchab öffnen, der Herr des Iraniſchen<lb/> Hochlandes ſein wird …</p><lb/> <p>Gehen wir nun zu den letzten kriegeriſchen Ereigniſſen in<lb/> Armenien ſelbſt über. Es kann hier nicht die Abſicht vorliegen,<lb/> eine erſchöpfende Geſchichte des ruſſiſch-türkiſchen Feldzuges auf<lb/> dem aſiatiſchen Kriegsſchauplatze zu liefern, aber eine chrono-<lb/> logiſche Aneinanderreihung der entſcheidenden und hauptſächlichen<lb/> Momente in dieſer Action würde gleichwohl ſich in den Rahmen<lb/> dieſer Schrift einfügen laſſen … Gleichzeitig mit den erſten<lb/> Colonnen der europäiſchen Armee, rückten nach erfolgter Kriegs-<lb/> erklärung (24. April 1877) auch in Armenien die ruſſiſchen Ab-<lb/> theilungen über die Grenze. Die Armee hierſelbſt, unter Com-<lb/> mando des General-Lieutenants Loris-Melikoff geſtellt, wurde<lb/> auf etwa 115,000 Mann Infanterie, 26,000 Pferde und 370<lb/> Geſchütze, darunter 64 ſchwere Belagerungsgeſchütze, berechnet und<lb/> beſtand aus dem Hauptcorps oder dem „Detachement von<lb/> Alexandrapol“, aus dem rechten Flügel oder dem „Detachement<lb/> von Ardaghan“ und ſchließlich aus dem linken Flügel, oder dem<lb/> „Detachement von Eriwan“. Ein beſondern Corps, das ſich ſüd-<lb/> wärts des Rion echelonnirt hatte, ſollte gegen Batum vordringen,<lb/> um nach geglückter Action wahrſcheinlich durch das Thal des<lb/> Tſchuruk mit den übrigen Colonnen gegen Erzerum vorzurücken.<lb/> Die ſtrategiſche und geographiſche Situation lag ſo, daß, bei<lb/> Annahme eines allſeitigen Gelingens der Operationen, alle De-<lb/> tachements in Erzerum, der armeniſchen Capitale, eintreffen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [XXI/0025]
Der ruſſiſch-türkiſche Krieg in Armenien.
hier nicht die Rede ſein, will man ſich etwa nicht an das bekannte
Sprichwort halten, daß alle Wege nach Rom — folglich auch
nach Calcutta — führen. Es iſt ganz unbegründet von einer
Beherrſchung des Eufratthales zu ſprechen, ſobald Rußland ſich
nur im Beſitze des ganz unbedeutenden Oberlaufes dieſes Fluſſes
befindet. Es wäre etwas ganz Aehnliches, wenn man annehmen
wollte, daß Württemberg, oder Süddeutſchland, oder Deutſchland
überhaupt, im Beſitze des Oberlaufes der Donau, eine abſolute
Herrſchaft über den Strom ausübe. Alles in Allem, der ruſſiſche
Beſitz der Grenzprovinz in Armenien kann noch lange nicht
maßgebend für eine Bedrohung des Ueberlandweges nach Indien
ſein. Ganz Perſien und Afghaniſtan, in gewiſſem Sinne auch
Kurdiſtan, liegen dazwiſchen, und erſt demjenigen werden ſich
die Pforten nach dem Pendſchab öffnen, der Herr des Iraniſchen
Hochlandes ſein wird …
Gehen wir nun zu den letzten kriegeriſchen Ereigniſſen in
Armenien ſelbſt über. Es kann hier nicht die Abſicht vorliegen,
eine erſchöpfende Geſchichte des ruſſiſch-türkiſchen Feldzuges auf
dem aſiatiſchen Kriegsſchauplatze zu liefern, aber eine chrono-
logiſche Aneinanderreihung der entſcheidenden und hauptſächlichen
Momente in dieſer Action würde gleichwohl ſich in den Rahmen
dieſer Schrift einfügen laſſen … Gleichzeitig mit den erſten
Colonnen der europäiſchen Armee, rückten nach erfolgter Kriegs-
erklärung (24. April 1877) auch in Armenien die ruſſiſchen Ab-
theilungen über die Grenze. Die Armee hierſelbſt, unter Com-
mando des General-Lieutenants Loris-Melikoff geſtellt, wurde
auf etwa 115,000 Mann Infanterie, 26,000 Pferde und 370
Geſchütze, darunter 64 ſchwere Belagerungsgeſchütze, berechnet und
beſtand aus dem Hauptcorps oder dem „Detachement von
Alexandrapol“, aus dem rechten Flügel oder dem „Detachement
von Ardaghan“ und ſchließlich aus dem linken Flügel, oder dem
„Detachement von Eriwan“. Ein beſondern Corps, das ſich ſüd-
wärts des Rion echelonnirt hatte, ſollte gegen Batum vordringen,
um nach geglückter Action wahrſcheinlich durch das Thal des
Tſchuruk mit den übrigen Colonnen gegen Erzerum vorzurücken.
Die ſtrategiſche und geographiſche Situation lag ſo, daß, bei
Annahme eines allſeitigen Gelingens der Operationen, alle De-
tachements in Erzerum, der armeniſchen Capitale, eintreffen
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