Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Im Ararat-Gebiet. berüchtigt wurden, und ebenso lange ist es, daß die verrufeneStadt Bajazid von sich zum erstenmale reden machte. Die Ge- schichte, die sich hieran knüpft, klingt ziemlich romantisch, aber derlei war damals im Oriente immerhin möglich, zumal bei Völkern, die noch heute keiner eigentlichen Autorität unterstehen und in jedem Thale, auf jeder Gebirgszinne und in jedem hoch- ländischen Schlupfwinkel auf eigene Faust schalten. Napoleon I., der bekanntlich von langer Hand den Feldzug gegen Rußland geplant hatte, um durch einen alexandrinischen Zug, bis tief in die sarmatischen Steppen hinein, seinem Kriegsruhme erhöhteren Glanz zuzuführen, war unausgesetzt bemüht, zwischen Rußland und dem, damals allerdings noch etwas kriegerischeren Persien politische Complicationen herbeizuführen, um einen Theil des feindlichen Heeres anderweitig zu beschäftigen und daraus Vor- theile zu ziehen. Zu derartigen politischen Verschwörungen über die Köpfe der gesammten damaligen officiellen Welt hinweg, be- durfte es nun auch der entsprechenden Missionen und mit einer derselben war Jaubert betraut, welcher als geheimer Geschäfts- führer über Constantinopel und Erzerum unbehelligt bis Diadin, nur eine Tagreise vor Bajazid, gereist war. Der schlechte Ruf des damaligen Kurdenchefs, Mahmud, bewog ihn, der Stadt selbst auszuweichen, aber nur zwei Meilen südlich von ihr ward der Reisende sammt seiner militärischen Escorte, die aus ver- kleideten Franzosen bestand, durch den Verrath eines anderen Häuptlings aufgehoben und vor Mahmud geschleppt1. Obgleich dieser kurdische Winkel-Despot auf seinem Raubneste, der Citadelle von Bajazid, den halb unabhängigen Vasallen der Pforte spielte, so fand er sich dennoch veranlaßt, Jaubert und seine Genossen dem persischen Statthalter von Eriwan auszuliefern, was aller- dings im Interesse des Gefangenen gelegen gewesen wäre. Die Auslieferung wurde aber nur fingirt und kaum am Fuße des Ararat angelangt, wurden die Fremden überfallen, geknebelt und mit verbundenen Augen zurück nach Bajazid escortirt. Während man die Bedauernswerthen versicherte, daß sie nur vorsichts- halber auf diese Art weiter nach Eriwan transportirt würden, um das zu durchreisende Land ihren Blicken zu entziehen, wan- 1 Bei Ritter, a. a. O., 340 u. ff.
Im Ararat-Gebiet. berüchtigt wurden, und ebenſo lange iſt es, daß die verrufeneStadt Bajazid von ſich zum erſtenmale reden machte. Die Ge- ſchichte, die ſich hieran knüpft, klingt ziemlich romantiſch, aber derlei war damals im Oriente immerhin möglich, zumal bei Völkern, die noch heute keiner eigentlichen Autorität unterſtehen und in jedem Thale, auf jeder Gebirgszinne und in jedem hoch- ländiſchen Schlupfwinkel auf eigene Fauſt ſchalten. Napoleon I., der bekanntlich von langer Hand den Feldzug gegen Rußland geplant hatte, um durch einen alexandriniſchen Zug, bis tief in die ſarmatiſchen Steppen hinein, ſeinem Kriegsruhme erhöhteren Glanz zuzuführen, war unausgeſetzt bemüht, zwiſchen Rußland und dem, damals allerdings noch etwas kriegeriſcheren Perſien politiſche Complicationen herbeizuführen, um einen Theil des feindlichen Heeres anderweitig zu beſchäftigen und daraus Vor- theile zu ziehen. Zu derartigen politiſchen Verſchwörungen über die Köpfe der geſammten damaligen officiellen Welt hinweg, be- durfte es nun auch der entſprechenden Miſſionen und mit einer derſelben war Jaubert betraut, welcher als geheimer Geſchäfts- führer über Conſtantinopel und Erzerum unbehelligt bis Diadin, nur eine Tagreiſe vor Bajazid, gereiſt war. Der ſchlechte Ruf des damaligen Kurdenchefs, Mahmud, bewog ihn, der Stadt ſelbſt auszuweichen, aber nur zwei Meilen ſüdlich von ihr ward der Reiſende ſammt ſeiner militäriſchen Escorte, die aus ver- kleideten Franzoſen beſtand, durch den Verrath eines anderen Häuptlings aufgehoben und vor Mahmud geſchleppt1. Obgleich dieſer kurdiſche Winkel-Despot auf ſeinem Raubneſte, der Citadelle von Bajazid, den halb unabhängigen Vaſallen der Pforte ſpielte, ſo fand er ſich dennoch veranlaßt, Jaubert und ſeine Genoſſen dem perſiſchen Statthalter von Eriwan auszuliefern, was aller- dings im Intereſſe des Gefangenen gelegen geweſen wäre. Die Auslieferung wurde aber nur fingirt und kaum am Fuße des Ararat angelangt, wurden die Fremden überfallen, geknebelt und mit verbundenen Augen zurück nach Bajazid escortirt. Während man die Bedauernswerthen verſicherte, daß ſie nur vorſichts- halber auf dieſe Art weiter nach Eriwan transportirt würden, um das zu durchreiſende Land ihren Blicken zu entziehen, wan- 1 Bei Ritter, a. a. O., 340 u. ff.
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Im Ararat-Gebiet.
berüchtigt wurden, und ebenſo lange iſt es, daß die verrufene
Stadt Bajazid von ſich zum erſtenmale reden machte. Die Ge-
ſchichte, die ſich hieran knüpft, klingt ziemlich romantiſch, aber
derlei war damals im Oriente immerhin möglich, zumal bei
Völkern, die noch heute keiner eigentlichen Autorität unterſtehen
und in jedem Thale, auf jeder Gebirgszinne und in jedem hoch-
ländiſchen Schlupfwinkel auf eigene Fauſt ſchalten. Napoleon I.,
der bekanntlich von langer Hand den Feldzug gegen Rußland
geplant hatte, um durch einen alexandriniſchen Zug, bis tief in
die ſarmatiſchen Steppen hinein, ſeinem Kriegsruhme erhöhteren
Glanz zuzuführen, war unausgeſetzt bemüht, zwiſchen Rußland
und dem, damals allerdings noch etwas kriegeriſcheren Perſien
politiſche Complicationen herbeizuführen, um einen Theil des
feindlichen Heeres anderweitig zu beſchäftigen und daraus Vor-
theile zu ziehen. Zu derartigen politiſchen Verſchwörungen über
die Köpfe der geſammten damaligen officiellen Welt hinweg, be-
durfte es nun auch der entſprechenden Miſſionen und mit einer
derſelben war Jaubert betraut, welcher als geheimer Geſchäfts-
führer über Conſtantinopel und Erzerum unbehelligt bis Diadin,
nur eine Tagreiſe vor Bajazid, gereiſt war. Der ſchlechte Ruf
des damaligen Kurdenchefs, Mahmud, bewog ihn, der Stadt
ſelbſt auszuweichen, aber nur zwei Meilen ſüdlich von ihr ward
der Reiſende ſammt ſeiner militäriſchen Escorte, die aus ver-
kleideten Franzoſen beſtand, durch den Verrath eines anderen
Häuptlings aufgehoben und vor Mahmud geſchleppt 1. Obgleich
dieſer kurdiſche Winkel-Despot auf ſeinem Raubneſte, der Citadelle
von Bajazid, den halb unabhängigen Vaſallen der Pforte ſpielte,
ſo fand er ſich dennoch veranlaßt, Jaubert und ſeine Genoſſen
dem perſiſchen Statthalter von Eriwan auszuliefern, was aller-
dings im Intereſſe des Gefangenen gelegen geweſen wäre. Die
Auslieferung wurde aber nur fingirt und kaum am Fuße des
Ararat angelangt, wurden die Fremden überfallen, geknebelt und
mit verbundenen Augen zurück nach Bajazid escortirt. Während
man die Bedauernswerthen verſicherte, daß ſie nur vorſichts-
halber auf dieſe Art weiter nach Eriwan transportirt würden,
um das zu durchreiſende Land ihren Blicken zu entziehen, wan-
1 Bei Ritter, a. a. O., 340 u. ff.
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