Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.Kars. so ziemlich auf derselben Stelle abspielte, wie die letzten Kämpfezwischen Kars und dem Arpatschai. General Bebutoff hatte kurz vorher ein starkes Detachement gegen Bajazid detachirt, um diesen Platz in seine Hände zu bekommen, was auch ehestens gelang, und nun dirigirte er dasselbe, gleichsam im Rücken Zariffi Paschas, gegen die Aladscha-Höhen, um den Türken den Rückzug nach Kars zu verlegen. Der türkische Armee-Commandant bekam von diesem Manöver rechtzeitig Wind und beschloß den sofortigen Angriff gegen Bebutoffs schwaches Armeecorps, doch verstrichen, in Folge kindischer Bedenken von Seite Zariffis, dennoch drei Tage und als er dann die Russen attakirte, fand er dieselben vollkommen bereit und an günstigen Stellungen postirt. Am 6. August 1854 ward die türkische Armee vor Kars, in deren Ober- leitung dieselbe Zerfahrenheit, wie neuestens unter Mukhtar Pascha, geherrscht zu haben scheint, geschlagen, total zersprengt und so- gleich nach Kars hineingeworfen. Aber erst neun Monate später (!), im Juni 1855, schritten die Russen zu einer regelrechten Bela- gerung, während welcher sich die Garnison, unter Commando des englischen General Williams, ein volles halbes Jahr hielt, um schließlich, wie es hieß, durch Hunger getrieben, die Thore des Bollwerkes dem General Murawieff zu öffnen. Die Bela- gerer waren hiebei 30,000 Mann stark1. Nimmt man von Kars die Wegrichtung gegen Alexandrapol2, 1 A. Sandwith, "A Narrative of the siege of Kars", a. a. O. 2 Alexandrapols Lage auf breitrückiger Bergplatte ist eine domini-
rende; der Platz war wie geschaffen zur Anlage eines großen Grenz- Waffenplatzes. Seine Herstellung hat den Russen aber auch Geld genug gekostet. Es ist übrigens nicht die Stadt selbst, welche befestigt ist, sondern der an ihr vorüberziehende Grenzstrich, welcher namentlich gegen Nord- westen mit mehreren permanenten Werken versehen ist, abgesehen von den fortificirten Lagerplätzen und den großen Magazinen. Der centrale Kern dieser Fortificationen, in deren Nähe bald eine kleine Stadt entstand, die mit dem früheren Neste Gümri zu einer einzigen verschmolz, erhielt von Kaiser Nicolaus zu Ehren seiner Gemahlin den Namen Alexandrapol (nicht Alexandropol, wie man vielfach liest). Der Arpatschai fließt bei der Festung durch üppig grüne Wiesen und Matten und erst einen Kilometer weiter östlich steigen die Ufer zum dominirenden Plateau empor, auf dem die Befestigungen errichtet sind. Kars. ſo ziemlich auf derſelben Stelle abſpielte, wie die letzten Kämpfezwiſchen Kars und dem Arpatſchai. General Bebutoff hatte kurz vorher ein ſtarkes Detachement gegen Bajazid detachirt, um dieſen Platz in ſeine Hände zu bekommen, was auch eheſtens gelang, und nun dirigirte er daſſelbe, gleichſam im Rücken Zariffi Paſchas, gegen die Aladſcha-Höhen, um den Türken den Rückzug nach Kars zu verlegen. Der türkiſche Armee-Commandant bekam von dieſem Manöver rechtzeitig Wind und beſchloß den ſofortigen Angriff gegen Bebutoffs ſchwaches Armeecorps, doch verſtrichen, in Folge kindiſcher Bedenken von Seite Zariffis, dennoch drei Tage und als er dann die Ruſſen attakirte, fand er dieſelben vollkommen bereit und an günſtigen Stellungen poſtirt. Am 6. Auguſt 1854 ward die türkiſche Armee vor Kars, in deren Ober- leitung dieſelbe Zerfahrenheit, wie neueſtens unter Mukhtar Paſcha, geherrſcht zu haben ſcheint, geſchlagen, total zerſprengt und ſo- gleich nach Kars hineingeworfen. Aber erſt neun Monate ſpäter (!), im Juni 1855, ſchritten die Ruſſen zu einer regelrechten Bela- gerung, während welcher ſich die Garniſon, unter Commando des engliſchen General Williams, ein volles halbes Jahr hielt, um ſchließlich, wie es hieß, durch Hunger getrieben, die Thore des Bollwerkes dem General Murawieff zu öffnen. Die Bela- gerer waren hiebei 30,000 Mann ſtark1. Nimmt man von Kars die Wegrichtung gegen Alexandrapol2, 1 A. Sandwith, „A Narrative of the siege of Kars“, a. a. O. 2 Alexandrapols Lage auf breitrückiger Bergplatte iſt eine domini-
rende; der Platz war wie geſchaffen zur Anlage eines großen Grenz- Waffenplatzes. Seine Herſtellung hat den Ruſſen aber auch Geld genug gekoſtet. Es iſt übrigens nicht die Stadt ſelbſt, welche befeſtigt iſt, ſondern der an ihr vorüberziehende Grenzſtrich, welcher namentlich gegen Nord- weſten mit mehreren permanenten Werken verſehen iſt, abgeſehen von den fortificirten Lagerplätzen und den großen Magazinen. Der centrale Kern dieſer Fortificationen, in deren Nähe bald eine kleine Stadt entſtand, die mit dem früheren Neſte Gümri zu einer einzigen verſchmolz, erhielt von Kaiſer Nicolaus zu Ehren ſeiner Gemahlin den Namen Alexandrapol (nicht Alexandropol, wie man vielfach lieſt). Der Arpatſchai fließt bei der Feſtung durch üppig grüne Wieſen und Matten und erſt einen Kilometer weiter öſtlich ſteigen die Ufer zum dominirenden Plateau empor, auf dem die Befeſtigungen errichtet ſind. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0047" n="15"/><fw place="top" type="header">Kars.</fw><lb/> ſo ziemlich auf derſelben Stelle abſpielte, wie die letzten Kämpfe<lb/> zwiſchen Kars und dem Arpatſchai. General Bebutoff hatte kurz<lb/> vorher ein ſtarkes Detachement gegen Bajazid detachirt, um dieſen<lb/> Platz in ſeine Hände zu bekommen, was auch eheſtens gelang,<lb/> und nun dirigirte er daſſelbe, gleichſam im Rücken Zariffi Paſchas,<lb/> gegen die Aladſcha-Höhen, um den Türken den Rückzug nach<lb/> Kars zu verlegen. Der türkiſche Armee-Commandant bekam von<lb/> dieſem Manöver rechtzeitig Wind und beſchloß den ſofortigen<lb/> Angriff gegen Bebutoffs ſchwaches Armeecorps, doch verſtrichen,<lb/> in Folge kindiſcher Bedenken von Seite Zariffis, dennoch drei<lb/> Tage und als er dann die Ruſſen attakirte, fand er dieſelben<lb/> vollkommen bereit und an günſtigen Stellungen poſtirt. Am 6.<lb/> Auguſt 1854 ward die türkiſche Armee vor Kars, in deren Ober-<lb/> leitung dieſelbe Zerfahrenheit, wie neueſtens unter Mukhtar Paſcha,<lb/> geherrſcht zu haben ſcheint, geſchlagen, total zerſprengt und ſo-<lb/> gleich nach Kars hineingeworfen. Aber erſt neun Monate ſpäter (!),<lb/> im Juni 1855, ſchritten die Ruſſen zu einer regelrechten Bela-<lb/> gerung, während welcher ſich die Garniſon, unter Commando<lb/> des engliſchen General Williams, ein volles halbes Jahr hielt,<lb/> um ſchließlich, wie es hieß, durch Hunger getrieben, die Thore<lb/> des Bollwerkes dem General Murawieff zu öffnen. Die Bela-<lb/> gerer waren hiebei 30,000 Mann ſtark<note place="foot" n="1">A. Sandwith, <hi rendition="#aq">„A Narrative of the siege of Kars“,</hi> a. a. O.</note>.</p><lb/> <p>Nimmt man von Kars die Wegrichtung gegen Alexandrapol<note place="foot" n="2">Alexandrapols Lage auf breitrückiger Bergplatte iſt eine domini-<lb/> rende; der Platz war wie geſchaffen zur Anlage eines großen Grenz-<lb/> Waffenplatzes. Seine Herſtellung hat den Ruſſen aber auch Geld genug<lb/> gekoſtet. Es iſt übrigens nicht die Stadt ſelbſt, welche befeſtigt iſt, ſondern<lb/> der an ihr vorüberziehende Grenzſtrich, welcher namentlich gegen Nord-<lb/> weſten mit mehreren permanenten Werken verſehen iſt, abgeſehen von den<lb/> fortificirten Lagerplätzen und den großen Magazinen. Der centrale Kern<lb/> dieſer Fortificationen, in deren Nähe bald eine kleine Stadt entſtand, die<lb/> mit dem früheren Neſte Gümri zu einer einzigen verſchmolz, erhielt von<lb/> Kaiſer Nicolaus zu Ehren ſeiner Gemahlin den Namen Alexandrapol (nicht<lb/> Alexandropol, wie man vielfach lieſt). Der Arpatſchai fließt bei der<lb/> Feſtung durch üppig grüne Wieſen und Matten und erſt einen Kilometer<lb/> weiter öſtlich ſteigen die Ufer zum dominirenden Plateau empor, auf dem<lb/> die Befeſtigungen errichtet ſind.</note>,<lb/> ſo haben wir die Baſaltterraſſen des Aladſcha-Gebirges zu kreuzen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [15/0047]
Kars.
ſo ziemlich auf derſelben Stelle abſpielte, wie die letzten Kämpfe
zwiſchen Kars und dem Arpatſchai. General Bebutoff hatte kurz
vorher ein ſtarkes Detachement gegen Bajazid detachirt, um dieſen
Platz in ſeine Hände zu bekommen, was auch eheſtens gelang,
und nun dirigirte er daſſelbe, gleichſam im Rücken Zariffi Paſchas,
gegen die Aladſcha-Höhen, um den Türken den Rückzug nach
Kars zu verlegen. Der türkiſche Armee-Commandant bekam von
dieſem Manöver rechtzeitig Wind und beſchloß den ſofortigen
Angriff gegen Bebutoffs ſchwaches Armeecorps, doch verſtrichen,
in Folge kindiſcher Bedenken von Seite Zariffis, dennoch drei
Tage und als er dann die Ruſſen attakirte, fand er dieſelben
vollkommen bereit und an günſtigen Stellungen poſtirt. Am 6.
Auguſt 1854 ward die türkiſche Armee vor Kars, in deren Ober-
leitung dieſelbe Zerfahrenheit, wie neueſtens unter Mukhtar Paſcha,
geherrſcht zu haben ſcheint, geſchlagen, total zerſprengt und ſo-
gleich nach Kars hineingeworfen. Aber erſt neun Monate ſpäter (!),
im Juni 1855, ſchritten die Ruſſen zu einer regelrechten Bela-
gerung, während welcher ſich die Garniſon, unter Commando
des engliſchen General Williams, ein volles halbes Jahr hielt,
um ſchließlich, wie es hieß, durch Hunger getrieben, die Thore
des Bollwerkes dem General Murawieff zu öffnen. Die Bela-
gerer waren hiebei 30,000 Mann ſtark 1.
Nimmt man von Kars die Wegrichtung gegen Alexandrapol 2,
ſo haben wir die Baſaltterraſſen des Aladſcha-Gebirges zu kreuzen,
1 A. Sandwith, „A Narrative of the siege of Kars“, a. a. O.
2 Alexandrapols Lage auf breitrückiger Bergplatte iſt eine domini-
rende; der Platz war wie geſchaffen zur Anlage eines großen Grenz-
Waffenplatzes. Seine Herſtellung hat den Ruſſen aber auch Geld genug
gekoſtet. Es iſt übrigens nicht die Stadt ſelbſt, welche befeſtigt iſt, ſondern
der an ihr vorüberziehende Grenzſtrich, welcher namentlich gegen Nord-
weſten mit mehreren permanenten Werken verſehen iſt, abgeſehen von den
fortificirten Lagerplätzen und den großen Magazinen. Der centrale Kern
dieſer Fortificationen, in deren Nähe bald eine kleine Stadt entſtand, die
mit dem früheren Neſte Gümri zu einer einzigen verſchmolz, erhielt von
Kaiſer Nicolaus zu Ehren ſeiner Gemahlin den Namen Alexandrapol (nicht
Alexandropol, wie man vielfach lieſt). Der Arpatſchai fließt bei der
Feſtung durch üppig grüne Wieſen und Matten und erſt einen Kilometer
weiter öſtlich ſteigen die Ufer zum dominirenden Plateau empor, auf dem
die Befeſtigungen errichtet ſind.
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