Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.
Im Ararat-Gebiet. welche südostwärts in eine ganz baumlose, wellige gegen Ostenmälig ansteigende Ebene übergehen. Bei Hadschi-Weli-Köi, wo die Ruinen eines alten Castells sich zwischen Reihen von Basalt- säulen erheben, gewinnt das Land gegen den Arpatschai zu einen mehr freundlichen, belebten Charakter. Hier bietet sich von dieser Seite dem Kommenden zum erstenmale der Fernblick auf den gewaltigen Schneewipfel des Ararat, der sich scheinbar ganz isolirt mehrere tausend Fuß über alle anderen Gipfel erhebt, die auf allen Seiten meist mit vulkanischen Kegelformen emporstarren. Um Alexandrapol selbst streichen nur niedere Bergrücken, das Land hat, wie der gegenüberliegende Strich Armeniens, ausge- sprochenen Plateaucharakter. Im Osten steigt mit gigantischen Formen der Kegelberg Alagiös (bei 13,000 Fuß), welcher ostwärts das Gebiet von Schuragel abgrenzt, empor. Das wichtigste Object an dem Unterlaufe des Arpatschai In einem älteren Buche1 liest man phantastische Be- 1 J. Morier, "Ayesha or the maid of Kars".
Im Ararat-Gebiet. welche ſüdoſtwärts in eine ganz baumloſe, wellige gegen Oſtenmälig anſteigende Ebene übergehen. Bei Hadſchi-Weli-Köi, wo die Ruinen eines alten Caſtells ſich zwiſchen Reihen von Baſalt- ſäulen erheben, gewinnt das Land gegen den Arpatſchai zu einen mehr freundlichen, belebten Charakter. Hier bietet ſich von dieſer Seite dem Kommenden zum erſtenmale der Fernblick auf den gewaltigen Schneewipfel des Ararat, der ſich ſcheinbar ganz iſolirt mehrere tauſend Fuß über alle anderen Gipfel erhebt, die auf allen Seiten meiſt mit vulkaniſchen Kegelformen emporſtarren. Um Alexandrapol ſelbſt ſtreichen nur niedere Bergrücken, das Land hat, wie der gegenüberliegende Strich Armeniens, ausge- ſprochenen Plateaucharakter. Im Oſten ſteigt mit gigantiſchen Formen der Kegelberg Alagiös (bei 13,000 Fuß), welcher oſtwärts das Gebiet von Schuragel abgrenzt, empor. Das wichtigſte Object an dem Unterlaufe des Arpatſchai In einem älteren Buche1 lieſt man phantaſtiſche Be- 1 J. Morier, „Ayesha or the maid of Kars“.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0048" n="16"/><fw place="top" type="header">Im Ararat-Gebiet.</fw><lb/> welche ſüdoſtwärts in eine ganz baumloſe, wellige gegen Oſten<lb/> mälig anſteigende Ebene übergehen. Bei Hadſchi-Weli-Köi, wo<lb/> die Ruinen eines alten Caſtells ſich zwiſchen Reihen von Baſalt-<lb/> ſäulen erheben, gewinnt das Land gegen den Arpatſchai zu einen<lb/> mehr freundlichen, belebten Charakter. Hier bietet ſich von dieſer<lb/> Seite dem Kommenden zum erſtenmale der Fernblick auf den<lb/> gewaltigen Schneewipfel des Ararat, der ſich ſcheinbar ganz iſolirt<lb/> mehrere tauſend Fuß über alle anderen Gipfel erhebt, die auf<lb/> allen Seiten meiſt mit vulkaniſchen Kegelformen emporſtarren.<lb/> Um Alexandrapol ſelbſt ſtreichen nur niedere Bergrücken, das<lb/> Land hat, wie der gegenüberliegende Strich Armeniens, ausge-<lb/> ſprochenen Plateaucharakter. Im Oſten ſteigt mit gigantiſchen<lb/> Formen der Kegelberg Alagiös (bei 13,000 Fuß), welcher oſtwärts<lb/> das Gebiet von Schuragel abgrenzt, empor.</p><lb/> <p>Das wichtigſte Object an dem Unterlaufe des Arpatſchai<lb/> iſt Ani.</p><lb/> <p>In einem älteren Buche<note place="foot" n="1">J. Morier, <hi rendition="#aq">„Ayesha or the maid of Kars“.</hi></note> lieſt man phantaſtiſche Be-<lb/> ſchreibungen dieſer Ruinenſtadt. Tempelbauten mit grandioſen<lb/> Colonnaden, kühngewölbten Kuppeln und monumentalen Treppen;<lb/> dann weitläufige Paläſte mit natürlichem Mauermoſaik aus<lb/> gelben, ſchwarzen und rothen Steinen, Thürmen, welche die<lb/> Dächergiebel überragen und dunkle Thorwarten, auf hohen über-<lb/> hängenden Klippen aufgeführt und in dem vorbeitobenden Fluſſe<lb/> ſich ſpiegelnd: Alles wie durch Zauberſpruch entſtanden auf<lb/> völlig iſolirtem Felsſchemel in einem ſtillen Winkel Armeniens.<lb/> Das Wunderbare an dieſer Ruinenſtadt, welche zwar einer Reihe<lb/> ſchwerer Schläge erlegen iſt, der Hauptſache nach aber durch<lb/> eines jener furchtbaren Erdbeben zerſtört wurde, die noch heute<lb/> den Araratbezirk heimſuchen, iſt, daß ihr Totalanblick auch in<lb/> ihren jetzigen Fragmenten noch vor dem Beſchauer das Bild<lb/> einer, im Zauberbanne liegenden Stadt erſtehen läßt … Bei<lb/> unſerer Annäherung von Nordoſten her vermag man ſchon von<lb/> Weitem das Rauſchen des Arpatſchai zu vernehmen, indeß ſein<lb/> Gewäſſer dem Auge, ſelbſt noch in nächſter Nähe völlig verborgen<lb/> bleibt, denn tief liegt das Rinnſal zwiſchen kantigen Baſaltufern<lb/> und geradlinigen Stufen gelblichten Sandſteins, auf denen Lava-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0048]
Im Ararat-Gebiet.
welche ſüdoſtwärts in eine ganz baumloſe, wellige gegen Oſten
mälig anſteigende Ebene übergehen. Bei Hadſchi-Weli-Köi, wo
die Ruinen eines alten Caſtells ſich zwiſchen Reihen von Baſalt-
ſäulen erheben, gewinnt das Land gegen den Arpatſchai zu einen
mehr freundlichen, belebten Charakter. Hier bietet ſich von dieſer
Seite dem Kommenden zum erſtenmale der Fernblick auf den
gewaltigen Schneewipfel des Ararat, der ſich ſcheinbar ganz iſolirt
mehrere tauſend Fuß über alle anderen Gipfel erhebt, die auf
allen Seiten meiſt mit vulkaniſchen Kegelformen emporſtarren.
Um Alexandrapol ſelbſt ſtreichen nur niedere Bergrücken, das
Land hat, wie der gegenüberliegende Strich Armeniens, ausge-
ſprochenen Plateaucharakter. Im Oſten ſteigt mit gigantiſchen
Formen der Kegelberg Alagiös (bei 13,000 Fuß), welcher oſtwärts
das Gebiet von Schuragel abgrenzt, empor.
Das wichtigſte Object an dem Unterlaufe des Arpatſchai
iſt Ani.
In einem älteren Buche 1 lieſt man phantaſtiſche Be-
ſchreibungen dieſer Ruinenſtadt. Tempelbauten mit grandioſen
Colonnaden, kühngewölbten Kuppeln und monumentalen Treppen;
dann weitläufige Paläſte mit natürlichem Mauermoſaik aus
gelben, ſchwarzen und rothen Steinen, Thürmen, welche die
Dächergiebel überragen und dunkle Thorwarten, auf hohen über-
hängenden Klippen aufgeführt und in dem vorbeitobenden Fluſſe
ſich ſpiegelnd: Alles wie durch Zauberſpruch entſtanden auf
völlig iſolirtem Felsſchemel in einem ſtillen Winkel Armeniens.
Das Wunderbare an dieſer Ruinenſtadt, welche zwar einer Reihe
ſchwerer Schläge erlegen iſt, der Hauptſache nach aber durch
eines jener furchtbaren Erdbeben zerſtört wurde, die noch heute
den Araratbezirk heimſuchen, iſt, daß ihr Totalanblick auch in
ihren jetzigen Fragmenten noch vor dem Beſchauer das Bild
einer, im Zauberbanne liegenden Stadt erſtehen läßt … Bei
unſerer Annäherung von Nordoſten her vermag man ſchon von
Weitem das Rauſchen des Arpatſchai zu vernehmen, indeß ſein
Gewäſſer dem Auge, ſelbſt noch in nächſter Nähe völlig verborgen
bleibt, denn tief liegt das Rinnſal zwiſchen kantigen Baſaltufern
und geradlinigen Stufen gelblichten Sandſteins, auf denen Lava-
1 J. Morier, „Ayesha or the maid of Kars“.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/48 |
| Zitationshilfe: | Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/48>, abgerufen am 21.11.2024. |
