Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878.

Bild:
<< vorherige Seite
Assyrier in Armenien.

Zur Zeit des zweiten assyrischen Weltreiches (1244 bis
725 v. Chr.) waren die Armenier politisch bereits vollkommen
in demselben aufgegangen1. Doch sollte ein eigentliches Ein-
strömen assyrischer Elemente viel später, nämlich erst unter
Sanherib, also bereits zur Zeit der Spaltung des früheren
Weltreiches in ein assyrisch-iranisches Doppelreich, stattfinden.
Als nämlich Sanherib nach seiner vergeblichen Belagerung
Jerusalems in Niniveh einzog, wurde er von seinen beiden
Söhnen im Tempel des Götzen Nisrochs ermordet, worauf diese,
Adramelech und Sarezer, in das "Land Ararat" flüchteten2.
Daß ihr unmittelbarer Anhang mitemigrirte, scheint aus dem
Verlaufe der nächsten Ereignisse unzweifelhaft hervorzugehen,
denn die beiden Prinzen allein hätten sich unmöglich so rasch
und sicher in dem, ihnen vom armenischen Könige angewiesenen
Ländereien (Daron) zu installiren vermocht, wenn nicht sofort
assyrische Elemente zur Hand gewesen wären. Beide Prinzen
waren die Begründer der assyrisch-armenischen Familiengeschlechter
der Sassunier und Arzdrunier, die sogar häufig den Eigennamen
"Sanherib" beibehielten. Besonders hervorgethan haben sich im
Verlaufe der Zeit die Arzdrunier, die "Adlerträger" am Hofe
der armenischen Könige und nachmalige Begründer eines Königs-
geschlechtes von Van, aus dem wunderlicher Weise auch ein
byzantinischer Kaiser (Leo V.) hervorging. In den diesbezüg-
lichen Geschichtsquellen ist freilich immer nur von dem "Armenischen
Abkömmling" die Rede, aber nicht nur in Leo, auch in Basilius I.
und in seinem Enkel Constantinus "Porphyrogeneta" floß un-
zweifelhaft assyrisches Blut3. Später gewannen die Enkel der

1 Daß beispielsweise Arbakes -- in der Form Arpag -- in einer
armenischen Königsliste erscheint, darf uns nicht wundern, weil Diodor
ausdrücklich meldet, nach Ninivehs Untergang habe er über ganz Asien
(soll heißen Vorder-Asien) geherrscht. Zudem ist nach Mos. v. Chorene die
alte Königsgeschichte der Armenier aus assyrischen Annalen geschöpft, so-
mit mit der Assyriens in mancher Hinsicht identisch. (Vgl. J. Kruger,
a. a. O., 113.)
2 II. Buch d. Könige, 19, 37.
3 Neumann, "Versuch einer armenischen Literatur". Bei der Wieder-
herstellung der alten byzantinischen Reichsgrenzen in Thrakien nach Unter-
gang des ostbulgarischen Reiches (970 n. Chr.) war es nicht so sehr das
hellenische Element, welches den Ausschwung herbeiführte, sondern das
Aſſyrier in Armenien.

Zur Zeit des zweiten aſſyriſchen Weltreiches (1244 bis
725 v. Chr.) waren die Armenier politiſch bereits vollkommen
in demſelben aufgegangen1. Doch ſollte ein eigentliches Ein-
ſtrömen aſſyriſcher Elemente viel ſpäter, nämlich erſt unter
Sanherib, alſo bereits zur Zeit der Spaltung des früheren
Weltreiches in ein aſſyriſch-iraniſches Doppelreich, ſtattfinden.
Als nämlich Sanherib nach ſeiner vergeblichen Belagerung
Jeruſalems in Niniveh einzog, wurde er von ſeinen beiden
Söhnen im Tempel des Götzen Nisrochs ermordet, worauf dieſe,
Adramelech und Sarezer, in das „Land Ararat“ flüchteten2.
Daß ihr unmittelbarer Anhang mitemigrirte, ſcheint aus dem
Verlaufe der nächſten Ereigniſſe unzweifelhaft hervorzugehen,
denn die beiden Prinzen allein hätten ſich unmöglich ſo raſch
und ſicher in dem, ihnen vom armeniſchen Könige angewieſenen
Ländereien (Daron) zu inſtalliren vermocht, wenn nicht ſofort
aſſyriſche Elemente zur Hand geweſen wären. Beide Prinzen
waren die Begründer der aſſyriſch-armeniſchen Familiengeſchlechter
der Saſſunier und Arzdrunier, die ſogar häufig den Eigennamen
„Sanherib“ beibehielten. Beſonders hervorgethan haben ſich im
Verlaufe der Zeit die Arzdrunier, die „Adlerträger“ am Hofe
der armeniſchen Könige und nachmalige Begründer eines Königs-
geſchlechtes von Van, aus dem wunderlicher Weiſe auch ein
byzantiniſcher Kaiſer (Leo V.) hervorging. In den diesbezüg-
lichen Geſchichtsquellen iſt freilich immer nur von dem „Armeniſchen
Abkömmling“ die Rede, aber nicht nur in Leo, auch in Baſilius I.
und in ſeinem Enkel Conſtantinus „Porphyrogeneta“ floß un-
zweifelhaft aſſyriſches Blut3. Später gewannen die Enkel der

1 Daß beiſpielsweiſe Arbakes — in der Form Arpag — in einer
armeniſchen Königsliſte erſcheint, darf uns nicht wundern, weil Diodor
ausdrücklich meldet, nach Ninivehs Untergang habe er über ganz Aſien
(ſoll heißen Vorder-Aſien) geherrſcht. Zudem iſt nach Moſ. v. Chorene die
alte Königsgeſchichte der Armenier aus aſſyriſchen Annalen geſchöpft, ſo-
mit mit der Aſſyriens in mancher Hinſicht identiſch. (Vgl. J. Kruger,
a. a. O., 113.)
2 II. Buch d. Könige, 19, 37.
3 Neumann, „Verſuch einer armeniſchen Literatur“. Bei der Wieder-
herſtellung der alten byzantiniſchen Reichsgrenzen in Thrakien nach Unter-
gang des oſtbulgariſchen Reiches (970 n. Chr.) war es nicht ſo ſehr das
helleniſche Element, welches den Auſſchwung herbeiführte, ſondern das
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0059" n="27"/>
        <fw place="top" type="header">A&#x017F;&#x017F;yrier in Armenien.</fw><lb/>
        <p>Zur Zeit des zweiten a&#x017F;&#x017F;yri&#x017F;chen Weltreiches (1244 bis<lb/>
725 v. Chr.) waren die Armenier politi&#x017F;ch bereits vollkommen<lb/>
in dem&#x017F;elben aufgegangen<note place="foot" n="1">Daß bei&#x017F;pielswei&#x017F;e Arbakes &#x2014; in der Form Arpag &#x2014; in einer<lb/>
armeni&#x017F;chen Königsli&#x017F;te er&#x017F;cheint, darf uns nicht wundern, weil Diodor<lb/>
ausdrücklich meldet, nach Ninivehs Untergang habe er über ganz A&#x017F;ien<lb/>
(&#x017F;oll heißen Vorder-A&#x017F;ien) geherr&#x017F;cht. Zudem i&#x017F;t nach Mo&#x017F;. v. Chorene die<lb/>
alte Königsge&#x017F;chichte der Armenier aus a&#x017F;&#x017F;yri&#x017F;chen Annalen ge&#x017F;chöpft, &#x017F;o-<lb/>
mit mit der A&#x017F;&#x017F;yriens in mancher Hin&#x017F;icht identi&#x017F;ch. (Vgl. J. Kruger,<lb/>
a. a. O., 113.)</note>. Doch &#x017F;ollte ein eigentliches Ein-<lb/>
&#x017F;trömen a&#x017F;&#x017F;yri&#x017F;cher Elemente viel &#x017F;päter, nämlich er&#x017F;t unter<lb/>
Sanherib, al&#x017F;o bereits zur Zeit der Spaltung des früheren<lb/>
Weltreiches in ein a&#x017F;&#x017F;yri&#x017F;ch-irani&#x017F;ches Doppelreich, &#x017F;tattfinden.<lb/>
Als nämlich Sanherib nach &#x017F;einer vergeblichen Belagerung<lb/>
Jeru&#x017F;alems in Niniveh einzog, wurde er von &#x017F;einen beiden<lb/>
Söhnen im Tempel des Götzen Nisrochs ermordet, worauf die&#x017F;e,<lb/>
Adramelech und Sarezer, in das &#x201E;Land Ararat&#x201C; flüchteten<note place="foot" n="2"><hi rendition="#aq">II.</hi> Buch d. Könige, 19, 37.</note>.<lb/>
Daß ihr unmittelbarer Anhang mitemigrirte, &#x017F;cheint aus dem<lb/>
Verlaufe der näch&#x017F;ten Ereigni&#x017F;&#x017F;e unzweifelhaft hervorzugehen,<lb/>
denn die beiden Prinzen allein hätten &#x017F;ich unmöglich &#x017F;o ra&#x017F;ch<lb/>
und &#x017F;icher in dem, ihnen vom armeni&#x017F;chen Könige angewie&#x017F;enen<lb/>
Ländereien (Daron) zu in&#x017F;talliren vermocht, wenn nicht &#x017F;ofort<lb/>
a&#x017F;&#x017F;yri&#x017F;che Elemente zur Hand gewe&#x017F;en wären. Beide Prinzen<lb/>
waren die Begründer der a&#x017F;&#x017F;yri&#x017F;ch-armeni&#x017F;chen Familienge&#x017F;chlechter<lb/>
der Sa&#x017F;&#x017F;unier und Arzdrunier, die &#x017F;ogar häufig den Eigennamen<lb/>
&#x201E;Sanherib&#x201C; beibehielten. Be&#x017F;onders hervorgethan haben &#x017F;ich im<lb/>
Verlaufe der Zeit die Arzdrunier, die &#x201E;Adlerträger&#x201C; am Hofe<lb/>
der armeni&#x017F;chen Könige und nachmalige Begründer eines Königs-<lb/>
ge&#x017F;chlechtes von Van, aus dem wunderlicher Wei&#x017F;e auch ein<lb/>
byzantini&#x017F;cher Kai&#x017F;er (Leo <hi rendition="#aq">V.</hi>) hervorging. In den diesbezüg-<lb/>
lichen Ge&#x017F;chichtsquellen i&#x017F;t freilich immer nur von dem &#x201E;Armeni&#x017F;chen<lb/>
Abkömmling&#x201C; die Rede, aber nicht nur in Leo, auch in Ba&#x017F;ilius <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/>
und in &#x017F;einem Enkel Con&#x017F;tantinus &#x201E;Porphyrogeneta&#x201C; floß un-<lb/>
zweifelhaft a&#x017F;&#x017F;yri&#x017F;ches Blut<note xml:id="seg2pn_5_1" next="#seg2pn_5_2" place="foot" n="3">Neumann, &#x201E;Ver&#x017F;uch einer armeni&#x017F;chen Literatur&#x201C;. Bei der Wieder-<lb/>
her&#x017F;tellung der alten byzantini&#x017F;chen Reichsgrenzen in Thrakien nach Unter-<lb/>
gang des o&#x017F;tbulgari&#x017F;chen Reiches (970 n. Chr.) war es nicht &#x017F;o &#x017F;ehr das<lb/>
helleni&#x017F;che Element, welches den Au&#x017F;&#x017F;chwung herbeiführte, &#x017F;ondern das</note>. Später gewannen die Enkel der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0059] Aſſyrier in Armenien. Zur Zeit des zweiten aſſyriſchen Weltreiches (1244 bis 725 v. Chr.) waren die Armenier politiſch bereits vollkommen in demſelben aufgegangen 1. Doch ſollte ein eigentliches Ein- ſtrömen aſſyriſcher Elemente viel ſpäter, nämlich erſt unter Sanherib, alſo bereits zur Zeit der Spaltung des früheren Weltreiches in ein aſſyriſch-iraniſches Doppelreich, ſtattfinden. Als nämlich Sanherib nach ſeiner vergeblichen Belagerung Jeruſalems in Niniveh einzog, wurde er von ſeinen beiden Söhnen im Tempel des Götzen Nisrochs ermordet, worauf dieſe, Adramelech und Sarezer, in das „Land Ararat“ flüchteten 2. Daß ihr unmittelbarer Anhang mitemigrirte, ſcheint aus dem Verlaufe der nächſten Ereigniſſe unzweifelhaft hervorzugehen, denn die beiden Prinzen allein hätten ſich unmöglich ſo raſch und ſicher in dem, ihnen vom armeniſchen Könige angewieſenen Ländereien (Daron) zu inſtalliren vermocht, wenn nicht ſofort aſſyriſche Elemente zur Hand geweſen wären. Beide Prinzen waren die Begründer der aſſyriſch-armeniſchen Familiengeſchlechter der Saſſunier und Arzdrunier, die ſogar häufig den Eigennamen „Sanherib“ beibehielten. Beſonders hervorgethan haben ſich im Verlaufe der Zeit die Arzdrunier, die „Adlerträger“ am Hofe der armeniſchen Könige und nachmalige Begründer eines Königs- geſchlechtes von Van, aus dem wunderlicher Weiſe auch ein byzantiniſcher Kaiſer (Leo V.) hervorging. In den diesbezüg- lichen Geſchichtsquellen iſt freilich immer nur von dem „Armeniſchen Abkömmling“ die Rede, aber nicht nur in Leo, auch in Baſilius I. und in ſeinem Enkel Conſtantinus „Porphyrogeneta“ floß un- zweifelhaft aſſyriſches Blut 3. Später gewannen die Enkel der 1 Daß beiſpielsweiſe Arbakes — in der Form Arpag — in einer armeniſchen Königsliſte erſcheint, darf uns nicht wundern, weil Diodor ausdrücklich meldet, nach Ninivehs Untergang habe er über ganz Aſien (ſoll heißen Vorder-Aſien) geherrſcht. Zudem iſt nach Moſ. v. Chorene die alte Königsgeſchichte der Armenier aus aſſyriſchen Annalen geſchöpft, ſo- mit mit der Aſſyriens in mancher Hinſicht identiſch. (Vgl. J. Kruger, a. a. O., 113.) 2 II. Buch d. Könige, 19, 37. 3 Neumann, „Verſuch einer armeniſchen Literatur“. Bei der Wieder- herſtellung der alten byzantiniſchen Reichsgrenzen in Thrakien nach Unter- gang des oſtbulgariſchen Reiches (970 n. Chr.) war es nicht ſo ſehr das helleniſche Element, welches den Auſſchwung herbeiführte, ſondern das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/59
Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Armenien. Ein Bild seiner Natur und seiner Bewohner. Jena, 1878, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_armenien_1878/59>, abgerufen am 21.11.2024.