ergriffen werden; es wird die Fahrgeschwindigkeit verringert und ertönt alle 2 bis 5 Minuten der weithin hörbare Ton einer Dampfpfeife.
Die Mannschaft wird im Dienst der Rettungsaction besonders eingeübt und ist zu diesem Zwecke entsprechend eingetheilt, damit Jeder vorkommenden Falls, sogleich seinen Posten kennt. In den Cabinen und im Zwischendeck befindet sich eine ausreichende Anzahl von Kork-Rettungsgürteln. Außerdem stehen einige große Rettungsbojen zur Verfügung (Fig. 359). Die Uebungen finden entweder während der Fahrt statt, oder sobald das
[Abbildung]
Fig. 359.
Bereithalten der Rettungsboje.
Schiff vor Anker liegt. In letzterem Falle findet sich meist eine große Zuschauermenge ein, welche mit lebhaftem Interesse dem Verlaufe der Uebungen folgt. Es kann nicht verhehlt werden, daß diese letzteren, dem Auslande gegenüber, der deutschen Schiffsdisciplin zu besonderem Ansehen verhelfen.
Der Verlauf einer solchen Uebung an Bord eines Lloyddampfers ist im Großen und Ganzen der Folgende: Der Capitän läßt beispielsweise um 2 Uhr Nachmittags das Signal für "Feuer" geben. Nach Ablauf von kaum 2 Minuten sind alle Verschläge und Luken dicht ge- schlossen. Drei kurze gellende Schläge an die Signalglocke, welche sich über der Commandobrücke befindet, bedeuten für die Mannschaft "An die Boote". Nun drängt die zur Bemannung der Boote bestimmte Anzahl von Leuten in Schwärmen durch die Luken vor und ordnet sich vor den ihnen zugewiesenen Booten. Der erste Officier wiederholt mit weithin vernehmbarer Stimme den Befehl des Capitäns, worauf die bis dahin unbeweglich in Bereit- schaft stehende Mannschaft die Boote aus den Vertäuungen lößt, die Hüllen ent- fernt und jene zum Ablassen bereit hält. Auf ein weiteres Commando werden sie zu Wasser gebracht. Während der Uebungen wird auch zuweilen eine Proviant- büchse geöffnet, um den Zuschauern die Genießbarkeit der vorbereiteten Lebensmittel zu beweisen. Das in dicht verschlossenen Behältern enthaltene Trinkwasser wird vor Antritt jeder Fahrt erneuert.
Auch die Rettung von Passagieren oder Leuten der Mannschaft, welche durch Unvorsichtigkeit, beziehungsweise in Ausübung des Dienstes, über Bord gestürzt sind, wird supponirt und durchgeführt. Mit dem Rufe "Mann über Bord" wird
Die Entwickelung des eiſernen Schiffbaues.
ergriffen werden; es wird die Fahrgeſchwindigkeit verringert und ertönt alle 2 bis 5 Minuten der weithin hörbare Ton einer Dampfpfeife.
Die Mannſchaft wird im Dienſt der Rettungsaction beſonders eingeübt und iſt zu dieſem Zwecke entſprechend eingetheilt, damit Jeder vorkommenden Falls, ſogleich ſeinen Poſten kennt. In den Cabinen und im Zwiſchendeck befindet ſich eine ausreichende Anzahl von Kork-Rettungsgürteln. Außerdem ſtehen einige große Rettungsbojen zur Verfügung (Fig. 359). Die Uebungen finden entweder während der Fahrt ſtatt, oder ſobald das
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Fig. 359.
Bereithalten der Rettungsboje.
Schiff vor Anker liegt. In letzterem Falle findet ſich meiſt eine große Zuſchauermenge ein, welche mit lebhaftem Intereſſe dem Verlaufe der Uebungen folgt. Es kann nicht verhehlt werden, daß dieſe letzteren, dem Auslande gegenüber, der deutſchen Schiffsdiſciplin zu beſonderem Anſehen verhelfen.
Der Verlauf einer ſolchen Uebung an Bord eines Lloyddampfers iſt im Großen und Ganzen der Folgende: Der Capitän läßt beiſpielsweiſe um 2 Uhr Nachmittags das Signal für »Feuer« geben. Nach Ablauf von kaum 2 Minuten ſind alle Verſchläge und Luken dicht ge- ſchloſſen. Drei kurze gellende Schläge an die Signalglocke, welche ſich über der Commandobrücke befindet, bedeuten für die Mannſchaft »An die Boote«. Nun drängt die zur Bemannung der Boote beſtimmte Anzahl von Leuten in Schwärmen durch die Luken vor und ordnet ſich vor den ihnen zugewieſenen Booten. Der erſte Officier wiederholt mit weithin vernehmbarer Stimme den Befehl des Capitäns, worauf die bis dahin unbeweglich in Bereit- ſchaft ſtehende Mannſchaft die Boote aus den Vertäuungen lößt, die Hüllen ent- fernt und jene zum Ablaſſen bereit hält. Auf ein weiteres Commando werden ſie zu Waſſer gebracht. Während der Uebungen wird auch zuweilen eine Proviant- büchſe geöffnet, um den Zuſchauern die Genießbarkeit der vorbereiteten Lebensmittel zu beweiſen. Das in dicht verſchloſſenen Behältern enthaltene Trinkwaſſer wird vor Antritt jeder Fahrt erneuert.
Auch die Rettung von Paſſagieren oder Leuten der Mannſchaft, welche durch Unvorſichtigkeit, beziehungsweiſe in Ausübung des Dienſtes, über Bord geſtürzt ſind, wird ſupponirt und durchgeführt. Mit dem Rufe »Mann über Bord« wird
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Die Entwickelung des eiſernen Schiffbaues.
ergriffen werden; es wird die Fahrgeſchwindigkeit verringert und ertönt alle 2 bis
5 Minuten der weithin hörbare Ton einer Dampfpfeife.
Die Mannſchaft wird im Dienſt der Rettungsaction beſonders eingeübt und
iſt zu dieſem Zwecke entſprechend eingetheilt, damit Jeder vorkommenden Falls,
ſogleich ſeinen Poſten kennt. In den Cabinen und im Zwiſchendeck befindet ſich
eine ausreichende Anzahl von Kork-Rettungsgürteln. Außerdem ſtehen einige
große Rettungsbojen zur Verfügung (Fig. 359). Die Uebungen finden entweder
während der Fahrt ſtatt, oder ſobald das
[Abbildung Fig. 359. Bereithalten der Rettungsboje.]
Schiff vor Anker liegt. In letzterem Falle
findet ſich meiſt eine große Zuſchauermenge
ein, welche mit lebhaftem Intereſſe dem
Verlaufe der Uebungen folgt. Es kann
nicht verhehlt werden, daß dieſe letzteren,
dem Auslande gegenüber, der deutſchen
Schiffsdiſciplin zu beſonderem Anſehen
verhelfen.
Der Verlauf einer ſolchen Uebung
an Bord eines Lloyddampfers iſt im
Großen und Ganzen der Folgende: Der
Capitän läßt beiſpielsweiſe um 2 Uhr
Nachmittags das Signal für »Feuer«
geben. Nach Ablauf von kaum 2 Minuten
ſind alle Verſchläge und Luken dicht ge-
ſchloſſen. Drei kurze gellende Schläge an
die Signalglocke, welche ſich über der
Commandobrücke befindet, bedeuten für die
Mannſchaft »An die Boote«. Nun drängt
die zur Bemannung der Boote beſtimmte
Anzahl von Leuten in Schwärmen durch
die Luken vor und ordnet ſich vor den
ihnen zugewieſenen Booten. Der erſte Officier wiederholt mit weithin vernehmbarer
Stimme den Befehl des Capitäns, worauf die bis dahin unbeweglich in Bereit-
ſchaft ſtehende Mannſchaft die Boote aus den Vertäuungen lößt, die Hüllen ent-
fernt und jene zum Ablaſſen bereit hält. Auf ein weiteres Commando werden ſie
zu Waſſer gebracht. Während der Uebungen wird auch zuweilen eine Proviant-
büchſe geöffnet, um den Zuſchauern die Genießbarkeit der vorbereiteten Lebensmittel
zu beweiſen. Das in dicht verſchloſſenen Behältern enthaltene Trinkwaſſer wird vor
Antritt jeder Fahrt erneuert.
Auch die Rettung von Paſſagieren oder Leuten der Mannſchaft, welche durch
Unvorſichtigkeit, beziehungsweiſe in Ausübung des Dienſtes, über Bord geſtürzt
ſind, wird ſupponirt und durchgeführt. Mit dem Rufe »Mann über Bord« wird
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/509>, abgerufen am 22.11.2024.
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