Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Geschützwesen.
ladung eine Anfangsgeschwindigkeit von 800 Meter und eine lebendige Kraft an
der Mündung von 1305 Metertonnen ergeben, wonach die Dicke einer zu durch-
schlagenden Eisenplatte auf 36 Centimeter ermittelt ist. Derartige Geschütze, deren
Feuergeschwindigkeit 8 Schuß in der Minute beträgt, sind also eigentlich noch den
Panzergeschützen zuzurechnen.

Es ist uns hier der willkommene Anlaß gegeben, einige Bemerkungen über
das rauchlose Pulver anzubringen. Senden wir voraus, daß die Größe des
Pulverkornes mit der absoluten [Abbildung] Fig. 541.

Proben von Würfelpulver und prismatischem Pulver.


Größe der Ladung in einem ge-
wissen Verhältniß stehen muß,
wenn man bei kleinstem Gasdruck
die größte Geschoßgeschwindigkeit
erzielen will, so knüpfen wir an
die weiter oben vorgebrachten
Bemerkungen bezüglich der zu er-
zielenden größten lebendigen Kraft
auftreffender Geschosse an. Beim
alten Schwarzpulver, das Jahr-
hunderte lang allen an ein Schieß-
präparat zu stellenden Anforde-
rungen entsprach, konnte dem
Grundsatze von der verschiedenen
Körnergröße aus technischen
Gründen nicht Genüge geleistet
werden.

Es leuchtet ein, daß je größer
das Pulverkorn und je fester es
verpackt ist, auch umso langsamer
verbrennt, so kurz die Zeit auch
sein und uns unmerkbar scheinen
mag. So kam man darauf, und
zwar für die schwersten Caliber Pulversorten mit entsprechend größeren Körnern
herzustellen. Es entstand zunächst das grobkörnige Pulver und weiterhin das
Würfelpulver und das prismatische Pulver, letzteres von einer Körnergröße,
welche kaum mehr unsere eingelebten Vorstellungen von einem Pulverkorne deckte.
Da aber die Gefahr nahe lag, daß so große Körner überhaupt nicht mehr gänzlich
verbrennen würden, versah man sie mit einem Canale, oder mehreren Canälen,
wodurch eine größere Brennfläche erzielt wurde. Um hierbei das Richtige zu treffen,
mußte an dem Grundsatze festgehalten werden, daß je schneller ein Pulver
verbrennt, es sich umso weniger zum Schießen eignet und sich den Sprengstoffen
nähert, welche nicht treibend, sondern sprengend wirken sollen. Deshalb schlugen

Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 44

Das Geſchützweſen.
ladung eine Anfangsgeſchwindigkeit von 800 Meter und eine lebendige Kraft an
der Mündung von 1305 Metertonnen ergeben, wonach die Dicke einer zu durch-
ſchlagenden Eiſenplatte auf 36 Centimeter ermittelt iſt. Derartige Geſchütze, deren
Feuergeſchwindigkeit 8 Schuß in der Minute beträgt, ſind alſo eigentlich noch den
Panzergeſchützen zuzurechnen.

Es iſt uns hier der willkommene Anlaß gegeben, einige Bemerkungen über
das rauchloſe Pulver anzubringen. Senden wir voraus, daß die Größe des
Pulverkornes mit der abſoluten [Abbildung] Fig. 541.

Proben von Würfelpulver und prismatiſchem Pulver.


Größe der Ladung in einem ge-
wiſſen Verhältniß ſtehen muß,
wenn man bei kleinſtem Gasdruck
die größte Geſchoßgeſchwindigkeit
erzielen will, ſo knüpfen wir an
die weiter oben vorgebrachten
Bemerkungen bezüglich der zu er-
zielenden größten lebendigen Kraft
auftreffender Geſchoſſe an. Beim
alten Schwarzpulver, das Jahr-
hunderte lang allen an ein Schieß-
präparat zu ſtellenden Anforde-
rungen entſprach, konnte dem
Grundſatze von der verſchiedenen
Körnergröße aus techniſchen
Gründen nicht Genüge geleiſtet
werden.

Es leuchtet ein, daß je größer
das Pulverkorn und je feſter es
verpackt iſt, auch umſo langſamer
verbrennt, ſo kurz die Zeit auch
ſein und uns unmerkbar ſcheinen
mag. So kam man darauf, und
zwar für die ſchwerſten Caliber Pulverſorten mit entſprechend größeren Körnern
herzuſtellen. Es entſtand zunächſt das grobkörnige Pulver und weiterhin das
Würfelpulver und das prismatiſche Pulver, letzteres von einer Körnergröße,
welche kaum mehr unſere eingelebten Vorſtellungen von einem Pulverkorne deckte.
Da aber die Gefahr nahe lag, daß ſo große Körner überhaupt nicht mehr gänzlich
verbrennen würden, verſah man ſie mit einem Canale, oder mehreren Canälen,
wodurch eine größere Brennfläche erzielt wurde. Um hierbei das Richtige zu treffen,
mußte an dem Grundſatze feſtgehalten werden, daß je ſchneller ein Pulver
verbrennt, es ſich umſo weniger zum Schießen eignet und ſich den Sprengſtoffen
nähert, welche nicht treibend, ſondern ſprengend wirken ſollen. Deshalb ſchlugen

Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 44
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0763" n="689"/><fw place="top" type="header">Das Ge&#x017F;chützwe&#x017F;en.</fw><lb/>
ladung eine Anfangsge&#x017F;chwindigkeit von 800 Meter und eine lebendige Kraft an<lb/>
der Mündung von 1305 Metertonnen ergeben, wonach die Dicke einer zu durch-<lb/>
&#x017F;chlagenden Ei&#x017F;enplatte auf 36 Centimeter ermittelt i&#x017F;t. Derartige Ge&#x017F;chütze, deren<lb/>
Feuerge&#x017F;chwindigkeit 8 Schuß in der Minute beträgt, &#x017F;ind al&#x017F;o eigentlich noch den<lb/>
Panzerge&#x017F;chützen zuzurechnen.</p><lb/>
            <p>Es i&#x017F;t uns hier der willkommene Anlaß gegeben, einige Bemerkungen über<lb/>
das <hi rendition="#g">rauchlo&#x017F;e Pulver</hi> anzubringen. Senden wir voraus, daß die Größe des<lb/>
Pulverkornes mit der ab&#x017F;oluten  <figure><head>Fig. 541.</head><p> Proben von Würfelpulver und prismati&#x017F;chem Pulver.</p></figure><lb/>
Größe der Ladung in einem ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Verhältniß &#x017F;tehen muß,<lb/>
wenn man bei klein&#x017F;tem Gasdruck<lb/>
die größte Ge&#x017F;choßge&#x017F;chwindigkeit<lb/>
erzielen will, &#x017F;o knüpfen wir an<lb/>
die weiter oben vorgebrachten<lb/>
Bemerkungen bezüglich der zu er-<lb/>
zielenden größten lebendigen Kraft<lb/>
auftreffender Ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;e an. Beim<lb/>
alten Schwarzpulver, das Jahr-<lb/>
hunderte lang allen an ein Schieß-<lb/>
präparat zu &#x017F;tellenden Anforde-<lb/>
rungen ent&#x017F;prach, konnte dem<lb/>
Grund&#x017F;atze von der ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Körnergröße aus techni&#x017F;chen<lb/>
Gründen nicht Genüge gelei&#x017F;tet<lb/>
werden.</p><lb/>
            <p>Es leuchtet ein, daß je größer<lb/>
das Pulverkorn und je fe&#x017F;ter es<lb/>
verpackt i&#x017F;t, auch um&#x017F;o lang&#x017F;amer<lb/>
verbrennt, &#x017F;o kurz die Zeit auch<lb/>
&#x017F;ein und uns unmerkbar &#x017F;cheinen<lb/>
mag. So kam man darauf, und<lb/>
zwar für die &#x017F;chwer&#x017F;ten Caliber Pulver&#x017F;orten mit ent&#x017F;prechend größeren Körnern<lb/>
herzu&#x017F;tellen. Es ent&#x017F;tand zunäch&#x017F;t das <hi rendition="#g">grobkörnige Pulver</hi> und weiterhin das<lb/><hi rendition="#g">Würfelpulver</hi> und das <hi rendition="#g">prismati&#x017F;che Pulver</hi>, letzteres von einer Körnergröße,<lb/>
welche kaum mehr un&#x017F;ere eingelebten Vor&#x017F;tellungen von einem Pulverkorne deckte.<lb/>
Da aber die Gefahr nahe lag, daß &#x017F;o große Körner überhaupt nicht mehr gänzlich<lb/>
verbrennen würden, ver&#x017F;ah man &#x017F;ie mit einem Canale, oder mehreren Canälen,<lb/>
wodurch eine größere Brennfläche erzielt wurde. Um hierbei das Richtige zu treffen,<lb/>
mußte an dem Grund&#x017F;atze fe&#x017F;tgehalten werden, daß je &#x017F;chneller ein Pulver<lb/>
verbrennt, es &#x017F;ich um&#x017F;o weniger zum Schießen eignet und &#x017F;ich den Spreng&#x017F;toffen<lb/>
nähert, welche nicht treibend, &#x017F;ondern &#x017F;prengend wirken &#x017F;ollen. Deshalb &#x017F;chlugen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Schweiger-Lerchenfeld</hi>. Im Reiche der Cyklopen. 44</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[689/0763] Das Geſchützweſen. ladung eine Anfangsgeſchwindigkeit von 800 Meter und eine lebendige Kraft an der Mündung von 1305 Metertonnen ergeben, wonach die Dicke einer zu durch- ſchlagenden Eiſenplatte auf 36 Centimeter ermittelt iſt. Derartige Geſchütze, deren Feuergeſchwindigkeit 8 Schuß in der Minute beträgt, ſind alſo eigentlich noch den Panzergeſchützen zuzurechnen. Es iſt uns hier der willkommene Anlaß gegeben, einige Bemerkungen über das rauchloſe Pulver anzubringen. Senden wir voraus, daß die Größe des Pulverkornes mit der abſoluten [Abbildung Fig. 541. Proben von Würfelpulver und prismatiſchem Pulver.] Größe der Ladung in einem ge- wiſſen Verhältniß ſtehen muß, wenn man bei kleinſtem Gasdruck die größte Geſchoßgeſchwindigkeit erzielen will, ſo knüpfen wir an die weiter oben vorgebrachten Bemerkungen bezüglich der zu er- zielenden größten lebendigen Kraft auftreffender Geſchoſſe an. Beim alten Schwarzpulver, das Jahr- hunderte lang allen an ein Schieß- präparat zu ſtellenden Anforde- rungen entſprach, konnte dem Grundſatze von der verſchiedenen Körnergröße aus techniſchen Gründen nicht Genüge geleiſtet werden. Es leuchtet ein, daß je größer das Pulverkorn und je feſter es verpackt iſt, auch umſo langſamer verbrennt, ſo kurz die Zeit auch ſein und uns unmerkbar ſcheinen mag. So kam man darauf, und zwar für die ſchwerſten Caliber Pulverſorten mit entſprechend größeren Körnern herzuſtellen. Es entſtand zunächſt das grobkörnige Pulver und weiterhin das Würfelpulver und das prismatiſche Pulver, letzteres von einer Körnergröße, welche kaum mehr unſere eingelebten Vorſtellungen von einem Pulverkorne deckte. Da aber die Gefahr nahe lag, daß ſo große Körner überhaupt nicht mehr gänzlich verbrennen würden, verſah man ſie mit einem Canale, oder mehreren Canälen, wodurch eine größere Brennfläche erzielt wurde. Um hierbei das Richtige zu treffen, mußte an dem Grundſatze feſtgehalten werden, daß je ſchneller ein Pulver verbrennt, es ſich umſo weniger zum Schießen eignet und ſich den Sprengſtoffen nähert, welche nicht treibend, ſondern ſprengend wirken ſollen. Deshalb ſchlugen Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 44

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/763
Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 689. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/763>, abgerufen am 22.11.2024.