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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900.

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Das Geschützwesen.
Eigenthümer des nach ihm benannten großartigen Werkes zu Magdeburg-Buckau
(jetzt Krupp'sches Besitzthum) herbei, und zwar durch den sogenannten "Hartguß".
Wir kommen auf das Wesen dieser Technik weiter unten, gelegentlich der
Besprechung des Panzerschutzes für Landbefestigungen, zurück und erwähnen in
Kürze, daß Gruson den Hartguß zunächst für Geschosse anwendete. So entstand
die Hartgußgranate, deren Material Gußeisen besonderer Mischung ist, das beim
Gießen in dickwandige Eisenformen [Abbildung] Fig. 546.

Photographie eines Projectils im Fluge.
(Von Prof. E. Mach in Prag.)


in Folge der anfänglichen schnellen
Abkühlung eine fingerdicke, nach innen
zu allmählich in Graueisen über-
gehende Schicht der weißen, harten
Kohlenstofflegirung erhält. Diese Gra-
nate stellt sich sonach als ein Körper
von festem und zähem Gußeisen, mit
einer Kopfhaut von der Härte des
Kieselsteines dar.

Es ist begreiflich, daß an die
Erfindung der Hartgußgranate große
Erwartungen gestellt wurden, die sich
in der That auch erfüllten, so lange
die Panzerfabrikation noch nicht jenen
Grad der Vollkommenheit erreicht
hatte, der ihr zur Zeit eigen ist. Die
Gruson'sche Hartgußgranate konnte
nur gegen relativ schwachen, aus
weichem Eisen bestehenden Panzerschutz
mit Erfolg in Anwendung gebracht
werden, während sie sich gegenüber
den modernen Panzern als völlig
wirkungslos erwies. Es handelte sich
also darum, durch einen besonderen
metallurgischen Proceß ein Material zu gewinnen, welches dem Geschosse Eigen-
schaften verlieh, die es geeignet machten, einerseits durch Härte den Widerstand
des Stahles der Panzerungen zu überwinden, anderseits durch einen gewissen Grad
von Zähigkeit vor dem Zerschellen bewahrt zu bleiben. Diese Zähigkeit sollte jedoch
nicht so groß sein, daß das Geschoß Stauchungen erfuhr, wodurch seine Durch-
schlagskraft sehr herabgedrückt würde.

Das Resultat der diesfalls zu lösenden Aufgabe war die Krupp'sche
Stahlpanzergranate. Ihre Fabrikation ist Geheimniß der Fabrik, doch weiß
man, daß dieses Geschoß Festigkeit, Härte und Zähigkeit in so günstiger Vereini-
gung aufweist, daß ihr weder die Compoundplatte, noch die massigen Hartguß-

Das Geſchützweſen.
Eigenthümer des nach ihm benannten großartigen Werkes zu Magdeburg-Buckau
(jetzt Krupp'ſches Beſitzthum) herbei, und zwar durch den ſogenannten »Hartguß«.
Wir kommen auf das Weſen dieſer Technik weiter unten, gelegentlich der
Beſprechung des Panzerſchutzes für Landbefeſtigungen, zurück und erwähnen in
Kürze, daß Gruſon den Hartguß zunächſt für Geſchoſſe anwendete. So entſtand
die Hartgußgranate, deren Material Gußeiſen beſonderer Miſchung iſt, das beim
Gießen in dickwandige Eiſenformen [Abbildung] Fig. 546.

Photographie eines Projectils im Fluge.
(Von Prof. E. Mach in Prag.)


in Folge der anfänglichen ſchnellen
Abkühlung eine fingerdicke, nach innen
zu allmählich in Graueiſen über-
gehende Schicht der weißen, harten
Kohlenſtofflegirung erhält. Dieſe Gra-
nate ſtellt ſich ſonach als ein Körper
von feſtem und zähem Gußeiſen, mit
einer Kopfhaut von der Härte des
Kieſelſteines dar.

Es iſt begreiflich, daß an die
Erfindung der Hartgußgranate große
Erwartungen geſtellt wurden, die ſich
in der That auch erfüllten, ſo lange
die Panzerfabrikation noch nicht jenen
Grad der Vollkommenheit erreicht
hatte, der ihr zur Zeit eigen iſt. Die
Gruſon'ſche Hartgußgranate konnte
nur gegen relativ ſchwachen, aus
weichem Eiſen beſtehenden Panzerſchutz
mit Erfolg in Anwendung gebracht
werden, während ſie ſich gegenüber
den modernen Panzern als völlig
wirkungslos erwies. Es handelte ſich
alſo darum, durch einen beſonderen
metallurgiſchen Proceß ein Material zu gewinnen, welches dem Geſchoſſe Eigen-
ſchaften verlieh, die es geeignet machten, einerſeits durch Härte den Widerſtand
des Stahles der Panzerungen zu überwinden, anderſeits durch einen gewiſſen Grad
von Zähigkeit vor dem Zerſchellen bewahrt zu bleiben. Dieſe Zähigkeit ſollte jedoch
nicht ſo groß ſein, daß das Geſchoß Stauchungen erfuhr, wodurch ſeine Durch-
ſchlagskraft ſehr herabgedrückt würde.

Das Reſultat der diesfalls zu löſenden Aufgabe war die Krupp'ſche
Stahlpanzergranate. Ihre Fabrikation iſt Geheimniß der Fabrik, doch weiß
man, daß dieſes Geſchoß Feſtigkeit, Härte und Zähigkeit in ſo günſtiger Vereini-
gung aufweiſt, daß ihr weder die Compoundplatte, noch die maſſigen Hartguß-

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[695/0769] Das Geſchützweſen. Eigenthümer des nach ihm benannten großartigen Werkes zu Magdeburg-Buckau (jetzt Krupp'ſches Beſitzthum) herbei, und zwar durch den ſogenannten »Hartguß«. Wir kommen auf das Weſen dieſer Technik weiter unten, gelegentlich der Beſprechung des Panzerſchutzes für Landbefeſtigungen, zurück und erwähnen in Kürze, daß Gruſon den Hartguß zunächſt für Geſchoſſe anwendete. So entſtand die Hartgußgranate, deren Material Gußeiſen beſonderer Miſchung iſt, das beim Gießen in dickwandige Eiſenformen [Abbildung Fig. 546. Photographie eines Projectils im Fluge. (Von Prof. E. Mach in Prag.)] in Folge der anfänglichen ſchnellen Abkühlung eine fingerdicke, nach innen zu allmählich in Graueiſen über- gehende Schicht der weißen, harten Kohlenſtofflegirung erhält. Dieſe Gra- nate ſtellt ſich ſonach als ein Körper von feſtem und zähem Gußeiſen, mit einer Kopfhaut von der Härte des Kieſelſteines dar. Es iſt begreiflich, daß an die Erfindung der Hartgußgranate große Erwartungen geſtellt wurden, die ſich in der That auch erfüllten, ſo lange die Panzerfabrikation noch nicht jenen Grad der Vollkommenheit erreicht hatte, der ihr zur Zeit eigen iſt. Die Gruſon'ſche Hartgußgranate konnte nur gegen relativ ſchwachen, aus weichem Eiſen beſtehenden Panzerſchutz mit Erfolg in Anwendung gebracht werden, während ſie ſich gegenüber den modernen Panzern als völlig wirkungslos erwies. Es handelte ſich alſo darum, durch einen beſonderen metallurgiſchen Proceß ein Material zu gewinnen, welches dem Geſchoſſe Eigen- ſchaften verlieh, die es geeignet machten, einerſeits durch Härte den Widerſtand des Stahles der Panzerungen zu überwinden, anderſeits durch einen gewiſſen Grad von Zähigkeit vor dem Zerſchellen bewahrt zu bleiben. Dieſe Zähigkeit ſollte jedoch nicht ſo groß ſein, daß das Geſchoß Stauchungen erfuhr, wodurch ſeine Durch- ſchlagskraft ſehr herabgedrückt würde. Das Reſultat der diesfalls zu löſenden Aufgabe war die Krupp'ſche Stahlpanzergranate. Ihre Fabrikation iſt Geheimniß der Fabrik, doch weiß man, daß dieſes Geſchoß Feſtigkeit, Härte und Zähigkeit in ſo günſtiger Vereini- gung aufweiſt, daß ihr weder die Compoundplatte, noch die maſſigen Hartguß-

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Zitationshilfe: Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 695. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/769>, abgerufen am 22.11.2024.