Die kleincalibrige Patrone ist also um etwa ein Drittel leichter und besitzt eine ungleich höhere Durchschlagskraft. Zu diesen Vortheilen tritt hinzu, daß sie, wie bemerkt, allein die Einführung der Repetirgewehre ermöglicht hat. Einen ge- nügenden Vorrath von 42 Gramm schweren Patronen am Gewehre selbst und in den Patronentaschen mitzuführen, hätte die Kräfte der Mannschaft allzusehr in Anspruch genommen.
Was nun die Fortentwickelung der Constructionen der Repetirgewehre an- betrifft, gestalteten die sich weiter oben erwähnten Versuche von Gras zu dem bald hierauf angenommenen (1886) Lebel-Gewehr, das die officielle Bezeichnung "Gewehr M 1886" führt, aber auch unter mancherlei anderen Namen bekannt ist, wie "Fusil Lebel", "Modele de l'ecole de Chalons", "Fusil de Chalons", "Fusil normal" und von den Soldaten "Fusil petit" genannt wird. Der Gewehr- mechanismus ist selbstverständlich dem Kropatschek'schen sehr ähnlich. Der Lauf ist aus gehärtetem Stahl und außen brünirt. Das Caliber ist 8 Millimeter, die Bohrung hat vier Züge, welche von rechts nach links (nicht wie bei den meisten anderen Systemen von links nach rechts) so stark gewunden sind, daß das Geschoß viermal um seine Längenachse sich drehen muß, wenn es um einen Meter nach vorwärts fliegt. An den Lauf ist rückwärts das Verschlußgehäuse geschraubt, das zur Aufnahme und Führung des Verschlusses und Repetirmechanismus bestimmt, und mit einem rückwärtigen Fortsatz, dem Gehäuseschweif, an den Kolben geschraubt ist. Rechts vorne oben (vgl. die Fig. 645 bis 648) hat das Verschlußgehäuse einen Ausschnitt, die Patroneneinlage; vorne sind zwei schraubenförmig gewundene Nuthen, in welche beim Schließen des Verschlusses zwei Zapfen des Verschluß- kopfes eintreten; dadurch ist das Verschlußstück mit dem Gehäuse fest verriegelt. Geht der Schuß ab, so wird der Rückstoß, der zunächst auf den Kopf des Ver-
Die Handfeuerwaffen.
[Tabelle]
Die kleincalibrige Patrone iſt alſo um etwa ein Drittel leichter und beſitzt eine ungleich höhere Durchſchlagskraft. Zu dieſen Vortheilen tritt hinzu, daß ſie, wie bemerkt, allein die Einführung der Repetirgewehre ermöglicht hat. Einen ge- nügenden Vorrath von 42 Gramm ſchweren Patronen am Gewehre ſelbſt und in den Patronentaſchen mitzuführen, hätte die Kräfte der Mannſchaft allzuſehr in Anſpruch genommen.
Was nun die Fortentwickelung der Conſtructionen der Repetirgewehre an- betrifft, geſtalteten die ſich weiter oben erwähnten Verſuche von Gras zu dem bald hierauf angenommenen (1886) Lebel-Gewehr, das die officielle Bezeichnung »Gewehr M 1886« führt, aber auch unter mancherlei anderen Namen bekannt iſt, wie »Fusil Lebel«, »Modèle de l'école de Chalons«, »Fusil de Chalons«, »Fusil normal« und von den Soldaten »Fusil petit« genannt wird. Der Gewehr- mechanismus iſt ſelbſtverſtändlich dem Kropatſchek'ſchen ſehr ähnlich. Der Lauf iſt aus gehärtetem Stahl und außen brünirt. Das Caliber iſt 8 Millimeter, die Bohrung hat vier Züge, welche von rechts nach links (nicht wie bei den meiſten anderen Syſtemen von links nach rechts) ſo ſtark gewunden ſind, daß das Geſchoß viermal um ſeine Längenachſe ſich drehen muß, wenn es um einen Meter nach vorwärts fliegt. An den Lauf iſt rückwärts das Verſchlußgehäuſe geſchraubt, das zur Aufnahme und Führung des Verſchluſſes und Repetirmechanismus beſtimmt, und mit einem rückwärtigen Fortſatz, dem Gehäuſeſchweif, an den Kolben geſchraubt iſt. Rechts vorne oben (vgl. die Fig. 645 bis 648) hat das Verſchlußgehäuſe einen Ausſchnitt, die Patroneneinlage; vorne ſind zwei ſchraubenförmig gewundene Nuthen, in welche beim Schließen des Verſchluſſes zwei Zapfen des Verſchluß- kopfes eintreten; dadurch iſt das Verſchlußſtück mit dem Gehäuſe feſt verriegelt. Geht der Schuß ab, ſo wird der Rückſtoß, der zunächſt auf den Kopf des Ver-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0877"n="795"/><fwplace="top"type="header">Die Handfeuerwaffen.</fw><lb/><table><row><cell/></row></table><p>Die kleincalibrige Patrone iſt alſo um etwa ein Drittel leichter und beſitzt<lb/>
eine ungleich höhere Durchſchlagskraft. Zu dieſen Vortheilen tritt hinzu, daß ſie,<lb/>
wie bemerkt, allein die Einführung der Repetirgewehre ermöglicht hat. Einen ge-<lb/>
nügenden Vorrath von 42 Gramm ſchweren Patronen am Gewehre ſelbſt und in<lb/>
den Patronentaſchen mitzuführen, hätte die Kräfte der Mannſchaft allzuſehr in Anſpruch<lb/>
genommen.</p><lb/><p>Was nun die Fortentwickelung der Conſtructionen der Repetirgewehre an-<lb/>
betrifft, geſtalteten die ſich weiter oben erwähnten Verſuche von <hirendition="#g">Gras</hi> zu dem<lb/>
bald hierauf angenommenen (1886) <hirendition="#g">Lebel-Gewehr</hi>, das die officielle Bezeichnung<lb/>
»Gewehr <hirendition="#aq">M</hi> 1886« führt, aber auch unter mancherlei anderen Namen bekannt iſt,<lb/>
wie »<hirendition="#aq">Fusil Lebel</hi>«, »<hirendition="#aq">Modèle de l'école de Chalons</hi>«, »<hirendition="#aq">Fusil de Chalons</hi>«,<lb/>
»<hirendition="#aq">Fusil normal</hi>« und von den Soldaten »<hirendition="#aq">Fusil petit</hi>« genannt wird. Der Gewehr-<lb/>
mechanismus iſt ſelbſtverſtändlich dem Kropatſchek'ſchen ſehr ähnlich. Der Lauf<lb/>
iſt aus gehärtetem Stahl und außen brünirt. Das Caliber iſt 8 Millimeter, die<lb/>
Bohrung hat vier Züge, welche von rechts nach links (nicht wie bei den meiſten<lb/>
anderen Syſtemen von links nach rechts) ſo ſtark gewunden ſind, daß das Geſchoß<lb/>
viermal um ſeine Längenachſe ſich drehen muß, wenn es um einen Meter nach<lb/>
vorwärts fliegt. An den Lauf iſt rückwärts das Verſchlußgehäuſe geſchraubt, das<lb/>
zur Aufnahme und Führung des Verſchluſſes und Repetirmechanismus beſtimmt,<lb/>
und mit einem rückwärtigen Fortſatz, dem Gehäuſeſchweif, an den Kolben geſchraubt<lb/>
iſt. Rechts vorne oben (vgl. die Fig. 645 bis 648) hat das Verſchlußgehäuſe<lb/>
einen Ausſchnitt, die Patroneneinlage; vorne ſind zwei ſchraubenförmig gewundene<lb/>
Nuthen, in welche beim Schließen des Verſchluſſes zwei Zapfen des Verſchluß-<lb/>
kopfes eintreten; dadurch iſt das Verſchlußſtück mit dem Gehäuſe feſt verriegelt.<lb/>
Geht der Schuß ab, ſo wird der Rückſtoß, der zunächſt auf den Kopf des Ver-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[795/0877]
Die Handfeuerwaffen.
Die kleincalibrige Patrone iſt alſo um etwa ein Drittel leichter und beſitzt
eine ungleich höhere Durchſchlagskraft. Zu dieſen Vortheilen tritt hinzu, daß ſie,
wie bemerkt, allein die Einführung der Repetirgewehre ermöglicht hat. Einen ge-
nügenden Vorrath von 42 Gramm ſchweren Patronen am Gewehre ſelbſt und in
den Patronentaſchen mitzuführen, hätte die Kräfte der Mannſchaft allzuſehr in Anſpruch
genommen.
Was nun die Fortentwickelung der Conſtructionen der Repetirgewehre an-
betrifft, geſtalteten die ſich weiter oben erwähnten Verſuche von Gras zu dem
bald hierauf angenommenen (1886) Lebel-Gewehr, das die officielle Bezeichnung
»Gewehr M 1886« führt, aber auch unter mancherlei anderen Namen bekannt iſt,
wie »Fusil Lebel«, »Modèle de l'école de Chalons«, »Fusil de Chalons«,
»Fusil normal« und von den Soldaten »Fusil petit« genannt wird. Der Gewehr-
mechanismus iſt ſelbſtverſtändlich dem Kropatſchek'ſchen ſehr ähnlich. Der Lauf
iſt aus gehärtetem Stahl und außen brünirt. Das Caliber iſt 8 Millimeter, die
Bohrung hat vier Züge, welche von rechts nach links (nicht wie bei den meiſten
anderen Syſtemen von links nach rechts) ſo ſtark gewunden ſind, daß das Geſchoß
viermal um ſeine Längenachſe ſich drehen muß, wenn es um einen Meter nach
vorwärts fliegt. An den Lauf iſt rückwärts das Verſchlußgehäuſe geſchraubt, das
zur Aufnahme und Führung des Verſchluſſes und Repetirmechanismus beſtimmt,
und mit einem rückwärtigen Fortſatz, dem Gehäuſeſchweif, an den Kolben geſchraubt
iſt. Rechts vorne oben (vgl. die Fig. 645 bis 648) hat das Verſchlußgehäuſe
einen Ausſchnitt, die Patroneneinlage; vorne ſind zwei ſchraubenförmig gewundene
Nuthen, in welche beim Schließen des Verſchluſſes zwei Zapfen des Verſchluß-
kopfes eintreten; dadurch iſt das Verſchlußſtück mit dem Gehäuſe feſt verriegelt.
Geht der Schuß ab, ſo wird der Rückſtoß, der zunächſt auf den Kopf des Ver-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 795. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/877>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.