Tangentialspeichen. Die ersteren entsprechen am meisten der alten Stützspeiche, in- dem sie einen Kopf erhalten, durch die Steifen gestrebt und in die Nabe einge- schraubt werden; die Tangentialspeichen hingegen werden eingehakt. Ihre Stellung zur Nabe ist nahezu tangential, um die Drehung leichter zu übertragen, also nur auf Zug beansprucht zu werden, weshalb sie auch meist dünner als die Radial- speiche gehalten werden können, die zwar auch nur auf Zug beansprucht werden soll, bei der jedoch die zu übertragende Kraft so ungünstig
[Abbildung]
Fig. 687.
Hohlreif (Durchschnitt).
wirkt, daß eine wesentlich größere Beanspruchung in Rechnung zu stellen ist. Alle Speichen bestehen aus möglichst dünnen, jedoch kräftigen Stahlstangen. Eine besondere Art sind die sogenannten Dickens-Speichen, welche an dem Radreifenende bis zum dreifachen ihrer Dicke zulaufen und eine bedeutend höhere Spann- kraft und Widerstandsfähigkeit besitzen.
Der Radreifen besteht aus dem Stahlrad,
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Fig. 688.
Continental-Pneumatik.
das die Speichen in sich aufnimmt, der Felge, welche den Kautschukreifen (Pneumatik) zu tragen hat, und aus letzterem, der den äußeren Rand (die Lauffläche) des Rades bildet. Damit die Felge den luftgefüllten Kautschukreifen aufnehmen könne, ist sie mit einer entsprechend tiefen Rinne versehen. ... Die Pneu- matiks sind nichts Anderes, als die Nachfolger der ursprünglich in Anwendung gekommenen Vollreifen aus Gummi. Sie traten 1889 auf den Plan, also einem Zeitpunkte, in welchem das bequeme Niederrad über das unpraktische Hochrad endgiltig den Sieg davontrug. Dem luftgefüllten Gummireifen kommt der große Vortheil zu, daß er den Druck, den das Gewicht des Fahrers und des Vehikels bewirkt, mit dem Widerstande des Bodens und dessen Reibung bestens paralysirt. Dadurch beeinflußten die Pneu- matiks die leichte Beweglichkeit des modernen Fahrrades in ungeahnt günstiger Weise.
Den Uebergang vom Vollreifen zum Pneumatik bildete der Hohlreifen (Fig. 687), der einen etwa ein Fünftel des Reifendurchmessers betragenden Hohl- raum hatte und einen beachtenswerthen Fortschritt bezeichnete. Diese Hohlreifen unterlagen sehr der Abnützung und war deren Reparatur ziemlich umständlich. Es war daher vorauszusehen, daß sie bald durch weitere Ausgestaltung des hier zu Tage tretenden Principes verdrängt werden würden. ... Das war mit den Pneumatiks der Fall. In den nachstehenden Abbildungen sind verschiedene Systeme derselben veranschaulicht. Fig. 688 zeigt das "Continental-Pneumatik", System Boothroyd, mit dem Dunlop-Ventil zum Einpumpen der Luft. In Fig. 689 ist
Fahrräder. — Draiſinen.
Tangentialſpeichen. Die erſteren entſprechen am meiſten der alten Stützſpeiche, in- dem ſie einen Kopf erhalten, durch die Steifen geſtrebt und in die Nabe einge- ſchraubt werden; die Tangentialſpeichen hingegen werden eingehakt. Ihre Stellung zur Nabe iſt nahezu tangential, um die Drehung leichter zu übertragen, alſo nur auf Zug beanſprucht zu werden, weshalb ſie auch meiſt dünner als die Radial- ſpeiche gehalten werden können, die zwar auch nur auf Zug beanſprucht werden ſoll, bei der jedoch die zu übertragende Kraft ſo ungünſtig
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Fig. 687.
Hohlreif (Durchſchnitt).
wirkt, daß eine weſentlich größere Beanſpruchung in Rechnung zu ſtellen iſt. Alle Speichen beſtehen aus möglichſt dünnen, jedoch kräftigen Stahlſtangen. Eine beſondere Art ſind die ſogenannten Dickens-Speichen, welche an dem Radreifenende bis zum dreifachen ihrer Dicke zulaufen und eine bedeutend höhere Spann- kraft und Widerſtandsfähigkeit beſitzen.
Der Radreifen beſteht aus dem Stahlrad,
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Fig. 688.
Continental-Pneumatik.
das die Speichen in ſich aufnimmt, der Felge, welche den Kautſchukreifen (Pneumatik) zu tragen hat, und aus letzterem, der den äußeren Rand (die Lauffläche) des Rades bildet. Damit die Felge den luftgefüllten Kautſchukreifen aufnehmen könne, iſt ſie mit einer entſprechend tiefen Rinne verſehen. ... Die Pneu- matiks ſind nichts Anderes, als die Nachfolger der urſprünglich in Anwendung gekommenen Vollreifen aus Gummi. Sie traten 1889 auf den Plan, alſo einem Zeitpunkte, in welchem das bequeme Niederrad über das unpraktiſche Hochrad endgiltig den Sieg davontrug. Dem luftgefüllten Gummireifen kommt der große Vortheil zu, daß er den Druck, den das Gewicht des Fahrers und des Vehikels bewirkt, mit dem Widerſtande des Bodens und deſſen Reibung beſtens paralyſirt. Dadurch beeinflußten die Pneu- matiks die leichte Beweglichkeit des modernen Fahrrades in ungeahnt günſtiger Weiſe.
Den Uebergang vom Vollreifen zum Pneumatik bildete der Hohlreifen (Fig. 687), der einen etwa ein Fünftel des Reifendurchmeſſers betragenden Hohl- raum hatte und einen beachtenswerthen Fortſchritt bezeichnete. Dieſe Hohlreifen unterlagen ſehr der Abnützung und war deren Reparatur ziemlich umſtändlich. Es war daher vorauszuſehen, daß ſie bald durch weitere Ausgeſtaltung des hier zu Tage tretenden Principes verdrängt werden würden. ... Das war mit den Pneumatiks der Fall. In den nachſtehenden Abbildungen ſind verſchiedene Syſteme derſelben veranſchaulicht. Fig. 688 zeigt das »Continental-Pneumatik«, Syſtem Boothroyd, mit dem Dunlop-Ventil zum Einpumpen der Luft. In Fig. 689 iſt
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Fahrräder. — Draiſinen.
Tangentialſpeichen. Die erſteren entſprechen am meiſten der alten Stützſpeiche, in-
dem ſie einen Kopf erhalten, durch die Steifen geſtrebt und in die Nabe einge-
ſchraubt werden; die Tangentialſpeichen hingegen werden eingehakt. Ihre Stellung
zur Nabe iſt nahezu tangential, um die Drehung leichter zu übertragen, alſo nur
auf Zug beanſprucht zu werden, weshalb ſie auch meiſt dünner als die Radial-
ſpeiche gehalten werden können, die zwar auch nur auf Zug beanſprucht werden ſoll,
bei der jedoch die zu übertragende Kraft ſo ungünſtig
[Abbildung Fig. 687. Hohlreif (Durchſchnitt).]
wirkt, daß eine weſentlich größere Beanſpruchung in
Rechnung zu ſtellen iſt. Alle Speichen beſtehen aus
möglichſt dünnen, jedoch kräftigen Stahlſtangen. Eine
beſondere Art ſind die ſogenannten Dickens-Speichen,
welche an dem Radreifenende bis zum dreifachen ihrer
Dicke zulaufen und eine bedeutend höhere Spann-
kraft und Widerſtandsfähigkeit beſitzen.
Der Radreifen beſteht aus dem Stahlrad,
[Abbildung Fig. 688. Continental-Pneumatik.]
das die Speichen in ſich aufnimmt, der Felge, welche
den Kautſchukreifen (Pneumatik) zu tragen hat, und
aus letzterem, der den äußeren Rand (die Lauffläche)
des Rades bildet. Damit die Felge den luftgefüllten
Kautſchukreifen aufnehmen könne, iſt ſie mit einer
entſprechend tiefen Rinne verſehen. ... Die Pneu-
matiks ſind nichts Anderes, als die Nachfolger der
urſprünglich in Anwendung gekommenen Vollreifen
aus Gummi. Sie traten 1889 auf den Plan, alſo
einem Zeitpunkte, in welchem das bequeme Niederrad
über das unpraktiſche Hochrad endgiltig den Sieg
davontrug. Dem luftgefüllten Gummireifen kommt
der große Vortheil zu, daß er den Druck, den das
Gewicht des Fahrers und des Vehikels bewirkt, mit
dem Widerſtande des Bodens und deſſen Reibung
beſtens paralyſirt. Dadurch beeinflußten die Pneu-
matiks die leichte Beweglichkeit des modernen Fahrrades in ungeahnt günſtiger Weiſe.
Den Uebergang vom Vollreifen zum Pneumatik bildete der Hohlreifen
(Fig. 687), der einen etwa ein Fünftel des Reifendurchmeſſers betragenden Hohl-
raum hatte und einen beachtenswerthen Fortſchritt bezeichnete. Dieſe Hohlreifen
unterlagen ſehr der Abnützung und war deren Reparatur ziemlich umſtändlich.
Es war daher vorauszuſehen, daß ſie bald durch weitere Ausgeſtaltung des hier
zu Tage tretenden Principes verdrängt werden würden. ... Das war mit den
Pneumatiks der Fall. In den nachſtehenden Abbildungen ſind verſchiedene Syſteme
derſelben veranſchaulicht. Fig. 688 zeigt das »Continental-Pneumatik«, Syſtem
Boothroyd, mit dem Dunlop-Ventil zum Einpumpen der Luft. In Fig. 689 iſt
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Schweiger-Lerchenfeld, Amand von: Im Reiche der Cyklopen: eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Wien u. a., 1900, S. 825. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schweiger_cyklopen_1900/907>, abgerufen am 22.11.2024.
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