pse_190.001 Prinzip zu einer harmonischen Schmeidigung in pse_190.002 höchster Form drängt, führt das Prinzip der Hebung der pse_190.003 Sinnträger und damit die Möglichkeit der freien Senkungsfüllung pse_190.004 -- die Zahl der Senkungssilben ist nicht fest geregelt -- pse_190.005 zur Steigerung des sprachlichen Ausdrucks.
pse_190.006 Im Aufbau der metrisch gestalteten Gedichte bildet das pse_190.007 kleinste Glied der Takt: es ist die zeitlich gleiche Spanne von pse_190.008 Hebung zu Hebung. Daraus hat man die vier vorzüglichen pse_190.009 Taktarten herauskristallisiert: Trochäus (xx) und Jambus (xx) pse_190.010 mit einer Senkungssilbe, Daktylus (xxx) und Anapäst (xxx) pse_190.011 mit zweien. Neuerdings aber hat man erkannt, daß doch auch pse_190.012 eine andere Versgliederung durchklingt, die an zwei Versen pse_190.013 aus dem Parzenlied in der "Iphigenie" deutlich wird.
pse_190.014
Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht;pse_190.015 sie halten die Herrschaft in ewigen Händen.
pse_190.016
Die taktmäßige Gliederung von Hebung zu Senkung wäre:
pse_190.017
x / xxx / xxx / xxx / x / -- x / xxx / xxx / xxx / xx
pse_190.018
Sie kreuzt sich hier deutlich mit den Sinneinschnitten. Nach pse_190.019 diesen entsteht folgende Gliederung:
pse_190.020
xxx / xxx / xxx / xx / -- xxx / xxx / xxxx / xx
pse_190.021
Man spürt ihr an, daß sie auch eine rhythmische Aussagekraft pse_190.022 hat. Man greift für diese Gliederung wieder auf den pse_190.023 Namen Versfuß zurück. Auf die mannigfachen Beziehungen pse_190.024 zwischen diesen beiden Prinzipien der Takt- und Versfußgliederung pse_190.025 können wir hier nicht eingehen. Aber man pse_190.026 erkennt, welche vielfältigen Möglichkeiten rhythmischer pse_190.027 Durchgliederung und rhythmischer Bewegung es gibt. Die pse_190.028 nächste Einheit ist der Vers. Die Metriker stellen fest, er bewege pse_190.029 sich in den Grenzen zwischen 2 und 16 Takten. Entscheidender pse_190.030 ist hier das Druckbild, weil es Willen und Gestaltungsgrundsatz pse_190.031 des Dichters zeigt. Ich verweise auf den pse_190.032 ersten Vers der Patmoshymne. Sobald allerdings ein metrisches pse_190.033 Schema zugrunde gelegt wird, prägt sich bald der Eindruck pse_190.034 einer bestimmten Länge ein, und nun wird der Vers selbst zum pse_190.035 festen Glied der gesamtrhythmischen Gestaltung. Die Länge pse_190.036 der Verse ist von bestimmter künstlerischer Wirkung. Man
pse_190.001 Prinzip zu einer harmonischen Schmeidigung in pse_190.002 höchster Form drängt, führt das Prinzip der Hebung der pse_190.003 Sinnträger und damit die Möglichkeit der freien Senkungsfüllung pse_190.004 — die Zahl der Senkungssilben ist nicht fest geregelt — pse_190.005 zur Steigerung des sprachlichen Ausdrucks.
pse_190.006 Im Aufbau der metrisch gestalteten Gedichte bildet das pse_190.007 kleinste Glied der Takt: es ist die zeitlich gleiche Spanne von pse_190.008 Hebung zu Hebung. Daraus hat man die vier vorzüglichen pse_190.009 Taktarten herauskristallisiert: Trochäus (x́x) und Jambus (xx́) pse_190.010 mit einer Senkungssilbe, Daktylus (x́xx) und Anapäst (xxx́) pse_190.011 mit zweien. Neuerdings aber hat man erkannt, daß doch auch pse_190.012 eine andere Versgliederung durchklingt, die an zwei Versen pse_190.013 aus dem Parzenlied in der »Iphigenie« deutlich wird.
pse_190.014
Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht;pse_190.015 sie halten die Herrschaft in ewigen Händen.
pse_190.016
Die taktmäßige Gliederung von Hebung zu Senkung wäre:
pse_190.017
x / x́xx / x́xx / x́xx / x́ / — x / x́xx / x́xx / x́xx / x́x
pse_190.018
Sie kreuzt sich hier deutlich mit den Sinneinschnitten. Nach pse_190.019 diesen entsteht folgende Gliederung:
Man spürt ihr an, daß sie auch eine rhythmische Aussagekraft pse_190.022 hat. Man greift für diese Gliederung wieder auf den pse_190.023 Namen Versfuß zurück. Auf die mannigfachen Beziehungen pse_190.024 zwischen diesen beiden Prinzipien der Takt- und Versfußgliederung pse_190.025 können wir hier nicht eingehen. Aber man pse_190.026 erkennt, welche vielfältigen Möglichkeiten rhythmischer pse_190.027 Durchgliederung und rhythmischer Bewegung es gibt. Die pse_190.028 nächste Einheit ist der Vers. Die Metriker stellen fest, er bewege pse_190.029 sich in den Grenzen zwischen 2 und 16 Takten. Entscheidender pse_190.030 ist hier das Druckbild, weil es Willen und Gestaltungsgrundsatz pse_190.031 des Dichters zeigt. Ich verweise auf den pse_190.032 ersten Vers der Patmoshymne. Sobald allerdings ein metrisches pse_190.033 Schema zugrunde gelegt wird, prägt sich bald der Eindruck pse_190.034 einer bestimmten Länge ein, und nun wird der Vers selbst zum pse_190.035 festen Glied der gesamtrhythmischen Gestaltung. Die Länge pse_190.036 der Verse ist von bestimmter künstlerischer Wirkung. Man
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0206"n="190"/><lbn="pse_190.001"/>
Prinzip zu einer harmonischen Schmeidigung in <lbn="pse_190.002"/>
höchster Form drängt, führt das Prinzip der Hebung der <lbn="pse_190.003"/>
Sinnträger und damit die Möglichkeit der freien Senkungsfüllung <lbn="pse_190.004"/>— die Zahl der Senkungssilben ist nicht fest geregelt —<lbn="pse_190.005"/>
zur Steigerung des sprachlichen Ausdrucks.</p><p><lbn="pse_190.006"/>
Im Aufbau der metrisch gestalteten Gedichte bildet das <lbn="pse_190.007"/>
kleinste Glied der Takt: es ist die zeitlich gleiche Spanne von <lbn="pse_190.008"/>
Hebung zu Hebung. Daraus hat man die vier vorzüglichen <lbn="pse_190.009"/>
Taktarten herauskristallisiert: Trochäus (x́x) und Jambus (xx́) <lbn="pse_190.010"/>
mit einer Senkungssilbe, Daktylus (x́xx) und Anapäst (xxx́) <lbn="pse_190.011"/>
mit zweien. Neuerdings aber hat man erkannt, daß doch auch <lbn="pse_190.012"/>
eine andere Versgliederung durchklingt, die an zwei Versen <lbn="pse_190.013"/>
aus dem Parzenlied in der »Iphigenie« deutlich wird.</p><lbn="pse_190.014"/><lg><l><hirendition="#aq">Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht;</hi></l><lbn="pse_190.015"/><l><hirendition="#aq">sie halten die Herrschaft in ewigen Händen.</hi></l></lg><lbn="pse_190.016"/><p>Die taktmäßige Gliederung von Hebung zu Senkung wäre:</p><lbn="pse_190.017"/><p><hirendition="#right"><spacedim="horizontal"/>x / x́xx / x́xx / x́xx / x́ / — x / x́xx / x́xx / x́xx / x́x</hi></p><lbn="pse_190.018"/><p>Sie kreuzt sich hier deutlich mit den Sinneinschnitten. Nach <lbn="pse_190.019"/>
diesen entsteht folgende Gliederung:</p><lbn="pse_190.020"/><p><hirendition="#right"><spacedim="horizontal"/>xx́x / xx́x / xx́x / xx́ / — xx́x / xx́x / xx́xx / x́x</hi></p><lbn="pse_190.021"/><p>Man spürt ihr an, daß sie auch eine rhythmische Aussagekraft <lbn="pse_190.022"/>
hat. Man greift für diese Gliederung wieder auf den <lbn="pse_190.023"/>
Namen Versfuß zurück. Auf die mannigfachen Beziehungen <lbn="pse_190.024"/>
zwischen diesen beiden Prinzipien der Takt- und Versfußgliederung <lbn="pse_190.025"/>
können wir hier nicht eingehen. Aber man <lbn="pse_190.026"/>
erkennt, welche vielfältigen Möglichkeiten rhythmischer <lbn="pse_190.027"/>
Durchgliederung und rhythmischer Bewegung es gibt. Die <lbn="pse_190.028"/>
nächste Einheit ist der Vers. Die Metriker stellen fest, er bewege <lbn="pse_190.029"/>
sich in den Grenzen zwischen 2 und 16 Takten. Entscheidender <lbn="pse_190.030"/>
ist hier das Druckbild, weil es Willen und Gestaltungsgrundsatz <lbn="pse_190.031"/>
des Dichters zeigt. Ich verweise auf den <lbn="pse_190.032"/>
ersten Vers der Patmoshymne. Sobald allerdings ein metrisches <lbn="pse_190.033"/>
Schema zugrunde gelegt wird, prägt sich bald der Eindruck <lbn="pse_190.034"/>
einer bestimmten Länge ein, und nun wird der Vers selbst zum <lbn="pse_190.035"/>
festen Glied der gesamtrhythmischen Gestaltung. Die Länge <lbn="pse_190.036"/>
der Verse ist von bestimmter künstlerischer Wirkung. Man
</p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[190/0206]
pse_190.001
Prinzip zu einer harmonischen Schmeidigung in pse_190.002
höchster Form drängt, führt das Prinzip der Hebung der pse_190.003
Sinnträger und damit die Möglichkeit der freien Senkungsfüllung pse_190.004
— die Zahl der Senkungssilben ist nicht fest geregelt — pse_190.005
zur Steigerung des sprachlichen Ausdrucks.
pse_190.006
Im Aufbau der metrisch gestalteten Gedichte bildet das pse_190.007
kleinste Glied der Takt: es ist die zeitlich gleiche Spanne von pse_190.008
Hebung zu Hebung. Daraus hat man die vier vorzüglichen pse_190.009
Taktarten herauskristallisiert: Trochäus (x́x) und Jambus (xx́) pse_190.010
mit einer Senkungssilbe, Daktylus (x́xx) und Anapäst (xxx́) pse_190.011
mit zweien. Neuerdings aber hat man erkannt, daß doch auch pse_190.012
eine andere Versgliederung durchklingt, die an zwei Versen pse_190.013
aus dem Parzenlied in der »Iphigenie« deutlich wird.
pse_190.014
Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht; pse_190.015
sie halten die Herrschaft in ewigen Händen.
pse_190.016
Die taktmäßige Gliederung von Hebung zu Senkung wäre:
pse_190.017
x / x́xx / x́xx / x́xx / x́ / — x / x́xx / x́xx / x́xx / x́x
pse_190.018
Sie kreuzt sich hier deutlich mit den Sinneinschnitten. Nach pse_190.019
diesen entsteht folgende Gliederung:
pse_190.020
xx́x / xx́x / xx́x / xx́ / — xx́x / xx́x / xx́xx / x́x
pse_190.021
Man spürt ihr an, daß sie auch eine rhythmische Aussagekraft pse_190.022
hat. Man greift für diese Gliederung wieder auf den pse_190.023
Namen Versfuß zurück. Auf die mannigfachen Beziehungen pse_190.024
zwischen diesen beiden Prinzipien der Takt- und Versfußgliederung pse_190.025
können wir hier nicht eingehen. Aber man pse_190.026
erkennt, welche vielfältigen Möglichkeiten rhythmischer pse_190.027
Durchgliederung und rhythmischer Bewegung es gibt. Die pse_190.028
nächste Einheit ist der Vers. Die Metriker stellen fest, er bewege pse_190.029
sich in den Grenzen zwischen 2 und 16 Takten. Entscheidender pse_190.030
ist hier das Druckbild, weil es Willen und Gestaltungsgrundsatz pse_190.031
des Dichters zeigt. Ich verweise auf den pse_190.032
ersten Vers der Patmoshymne. Sobald allerdings ein metrisches pse_190.033
Schema zugrunde gelegt wird, prägt sich bald der Eindruck pse_190.034
einer bestimmten Länge ein, und nun wird der Vers selbst zum pse_190.035
festen Glied der gesamtrhythmischen Gestaltung. Die Länge pse_190.036
der Verse ist von bestimmter künstlerischer Wirkung. Man
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/206>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.