pse_221.001 nun das ganze Gedicht ein großes sprachlich geformtes Symbol pse_221.002 der männlichen Jugend wird. Zugleich aber gewinnt es pse_221.003 rein als Landschaftsbild durch den Bezug zum menschlichen pse_221.004 Dasein an Kraft, Bedeutsamkeit und Fülle. Die Struktur dieses pse_221.005 Bildergefüges ist nicht anders als die jedes sprachlichen Bildes pse_221.006 größeren Umfangs. Aber es hat erhöhte Bedeutsamkeit, indem pse_221.007 es Tieferes in ein klar umgrenztes Bild faßt und dadurch pse_221.008 greifbar macht. Das ermöglicht hier rein die Sprachkunst: pse_221.009 durch die Beseelung im ersten Teil (Beben, schluchzen, lässige pse_221.010 Zügel), durch die Satzbewegung und den Rhythmus, pse_221.011 die eine Höhe im Verse "ein Reiher" gewinnen, der durch den pse_221.012 unmittelbar vorangehenden Vers noch mehr gehoben wird, pse_221.013 endlich durch den Gefühlsgehalt der folgenden Sinnträger pse_221.014 (heben, aufbranden; wunderschmächtig, trunken, jung; pse_221.015 Frühe, Schwingenschlag, Feuer, Tag), durch den vollen pse_221.016 Sprachklang des Vokal- und Konsonantengefüges und durch pse_221.017 die damit erreichte Dichte aller Stilelemente. So bildet sich pse_221.018 eine wohlausgewogene Steigerung vom ganz einfachen Titel pse_221.019 über den Reiher, gerade in dieser sprachkünstlerischen Umwelt, pse_221.020 bis zum Abschluß "der junge Tag", der durch alles Vorhergehende pse_221.021 weit über den Alltagsgebrauch sich in seinem pse_221.022 ganzen Gehalt, der nun eben auch symbolisch ist, öffnet. Wir pse_221.023 können also sagen: symbolisch werden sprachliche Bilder pse_221.024 durch die Atmosphäre des Kunstwerks, durch Intensität und pse_221.025 Wiederkehr, durch Häufung, Wiederholung und Variation pse_221.026 und durch abschließende Zusammenfassung der Bilder.
pse_221.027 Damit wird auch der vierfache Sinn der sprachlichen Symbole pse_221.028 in einer Dichtung deutlich: 1. Sie bilden architektonische pse_221.029 Hochtonstellen, besonders durch Wiederholung oder Variation pse_221.030 der Bilder. Ich erinnere an das Bild bei G. Keller, zugleich pse_221.031 aber an die wiederholten Blutbilder im "Macbeth", an pse_221.032 die der Zersetzung im "Hamlet". 2. Sie eröffnen Tiefen. Gerade pse_221.033 die Symbole lassen hinter der dichterisch unmittelbar pse_221.034 gestalteten Welt an ihrer Oberfläche Tieferes, Wesentlicheres pse_221.035 ahnen. 3. Dieses die Tiefe öffnende Bild wird in dauerhafter pse_221.036 Form der sprachlichen Gestalt geprägt. So können neue Situationen pse_221.037 in der Dichtung durch dieses schon geprägte Bild pse_221.038 auch in ihrer Tiefe erschlossen werden. 4. Ein Vorgang wird
pse_221.001 nun das ganze Gedicht ein großes sprachlich geformtes Symbol pse_221.002 der männlichen Jugend wird. Zugleich aber gewinnt es pse_221.003 rein als Landschaftsbild durch den Bezug zum menschlichen pse_221.004 Dasein an Kraft, Bedeutsamkeit und Fülle. Die Struktur dieses pse_221.005 Bildergefüges ist nicht anders als die jedes sprachlichen Bildes pse_221.006 größeren Umfangs. Aber es hat erhöhte Bedeutsamkeit, indem pse_221.007 es Tieferes in ein klar umgrenztes Bild faßt und dadurch pse_221.008 greifbar macht. Das ermöglicht hier rein die Sprachkunst: pse_221.009 durch die Beseelung im ersten Teil (Beben, schluchzen, lässige pse_221.010 Zügel), durch die Satzbewegung und den Rhythmus, pse_221.011 die eine Höhe im Verse »ein Reiher« gewinnen, der durch den pse_221.012 unmittelbar vorangehenden Vers noch mehr gehoben wird, pse_221.013 endlich durch den Gefühlsgehalt der folgenden Sinnträger pse_221.014 (heben, aufbranden; wunderschmächtig, trunken, jung; pse_221.015 Frühe, Schwingenschlag, Feuer, Tag), durch den vollen pse_221.016 Sprachklang des Vokal- und Konsonantengefüges und durch pse_221.017 die damit erreichte Dichte aller Stilelemente. So bildet sich pse_221.018 eine wohlausgewogene Steigerung vom ganz einfachen Titel pse_221.019 über den Reiher, gerade in dieser sprachkünstlerischen Umwelt, pse_221.020 bis zum Abschluß »der junge Tag«, der durch alles Vorhergehende pse_221.021 weit über den Alltagsgebrauch sich in seinem pse_221.022 ganzen Gehalt, der nun eben auch symbolisch ist, öffnet. Wir pse_221.023 können also sagen: symbolisch werden sprachliche Bilder pse_221.024 durch die Atmosphäre des Kunstwerks, durch Intensität und pse_221.025 Wiederkehr, durch Häufung, Wiederholung und Variation pse_221.026 und durch abschließende Zusammenfassung der Bilder.
pse_221.027 Damit wird auch der vierfache Sinn der sprachlichen Symbole pse_221.028 in einer Dichtung deutlich: 1. Sie bilden architektonische pse_221.029 Hochtonstellen, besonders durch Wiederholung oder Variation pse_221.030 der Bilder. Ich erinnere an das Bild bei G. Keller, zugleich pse_221.031 aber an die wiederholten Blutbilder im »Macbeth«, an pse_221.032 die der Zersetzung im »Hamlet«. 2. Sie eröffnen Tiefen. Gerade pse_221.033 die Symbole lassen hinter der dichterisch unmittelbar pse_221.034 gestalteten Welt an ihrer Oberfläche Tieferes, Wesentlicheres pse_221.035 ahnen. 3. Dieses die Tiefe öffnende Bild wird in dauerhafter pse_221.036 Form der sprachlichen Gestalt geprägt. So können neue Situationen pse_221.037 in der Dichtung durch dieses schon geprägte Bild pse_221.038 auch in ihrer Tiefe erschlossen werden. 4. Ein Vorgang wird
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Dasein an Kraft, Bedeutsamkeit und Fülle. Die Struktur dieses pse_221.005
Bildergefüges ist nicht anders als die jedes sprachlichen Bildes pse_221.006
größeren Umfangs. Aber es hat erhöhte Bedeutsamkeit, indem pse_221.007
es Tieferes in ein klar umgrenztes Bild faßt und dadurch pse_221.008
greifbar macht. Das ermöglicht hier rein die Sprachkunst: pse_221.009
durch die Beseelung im ersten Teil (Beben, schluchzen, lässige pse_221.010
Zügel), durch die Satzbewegung und den Rhythmus, pse_221.011
die eine Höhe im Verse »ein Reiher« gewinnen, der durch den pse_221.012
unmittelbar vorangehenden Vers noch mehr gehoben wird, pse_221.013
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(heben, aufbranden; wunderschmächtig, trunken, jung; pse_221.015
Frühe, Schwingenschlag, Feuer, Tag), durch den vollen pse_221.016
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ganzen Gehalt, der nun eben auch symbolisch ist, öffnet. Wir pse_221.023
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Damit wird auch der vierfache Sinn der sprachlichen Symbole pse_221.028
in einer Dichtung deutlich: 1. Sie bilden architektonische pse_221.029
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der Bilder. Ich erinnere an das Bild bei G. Keller, zugleich pse_221.031
aber an die wiederholten Blutbilder im »Macbeth«, an pse_221.032
die der Zersetzung im »Hamlet«. 2. Sie eröffnen Tiefen. Gerade pse_221.033
die Symbole lassen hinter der dichterisch unmittelbar pse_221.034
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/237>, abgerufen am 24.11.2024.
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