pse_223.001 Knabe Lenker wird zur Allegorie der Dichtung (Faust II). pse_223.002 Allegorien aber führen übers rein Sprachliche hinaus, sie pse_223.003 sollen in ihren dichterischen Möglichkeiten später beleuchtet pse_223.004 werden. Doch die Ablösbarkeit führt uns schon im Sprachlichen pse_223.005 auf eine Manier neuester Dichtung: auf die Montage. pse_223.006 Wortwörtlich: brauchbare, abgelöste, von überall her genommene pse_223.007 Bilder werden rein rational zusammengesetzt, aneinander pse_223.008 geklebt, wie auf eine Unterlage aufmontiert. Das pse_223.009 Gemüthafte der Dichtung kann damit verlorengehen. Deshalb pse_223.010 wird diese Stilfrage gerade für die Lyrik brennend. Hier pse_223.011 ist nun noch ein beinahe umgekehrter Vorgang zu erwähnen, pse_223.012 daß nämlich aus Zeichen dichterische Symbole werden können. pse_223.013 Wir beobachten ihn besonders an der Dichtung des 16. pse_223.014 und 17. Jahrhunderts, aber auch in modernster Lyrik taucht pse_223.015 er wieder auf: die Bedeutung der Embleme. Unter Emblem pse_223.016 versteht man ein Zeichen, dem ein bestimmter Sinn zugeordnet pse_223.017 ist. Es gab damals große Sammlungen solcher Embleme, pse_223.018 meist mit Zeichnungen: Chamäleon ist das Zeichen für pse_223.019 Schmeichelei, Tantalus Zeichen der Habgier, die Palme Zeichen pse_223.020 der Beständigkeit. Diese Zeichen finden wir häufig in pse_223.021 der damaligen Dichtung. Die Leser verstanden die Bedeutung pse_223.022 dieser Zeichen durchaus; ihre Verwendung in Gedichten bedeutete pse_223.023 für sie also geistreichen Schmuck, er hob das Gedicht pse_223.024 auf eine höhere Ebene, war also zugleich Ausdruck gehobener pse_223.025 Haltung. Solche Zeichen gaben dem Gedicht erst den tieferen pse_223.026 Sinn, ohne den es kaum verständlich war, sie führten also pse_223.027 geradezu ins Wesenhafte. Nun ist es dem echten Dichter aber pse_223.028 auch möglich, daß er diese Worte und Wortgruppen nicht pse_223.029 nur als Zeichen benutzt, sondern in ihnen den inneren Gehalt pse_223.030 wieder aufleben läßt. Es würde also etwa in einem Gedicht pse_223.031 das Wort "Palme" dichterisch so herausgearbeitet, daß es in pse_223.032 dieser dichterischen Umwelt zum Symbol der Beständigkeit pse_223.033 würde. Es würde also zum sprachlichen Bild. Man könnte pse_223.034 hier geradezu stilgeschichtliche Unterschiede feststellen, ob das pse_223.035 Wort entweder so geradhin als Emblem gesetzt ist oder erst pse_223.036 über den Weg einer sprachlichen Gehaltfüllung zu einem pse_223.037 Symbol wird, wie das teilweise bei den Farbworten Trakls zu pse_223.038 beobachten ist.
pse_223.001 Knabe Lenker wird zur Allegorie der Dichtung (Faust II). pse_223.002 Allegorien aber führen übers rein Sprachliche hinaus, sie pse_223.003 sollen in ihren dichterischen Möglichkeiten später beleuchtet pse_223.004 werden. Doch die Ablösbarkeit führt uns schon im Sprachlichen pse_223.005 auf eine Manier neuester Dichtung: auf die Montage. pse_223.006 Wortwörtlich: brauchbare, abgelöste, von überall her genommene pse_223.007 Bilder werden rein rational zusammengesetzt, aneinander pse_223.008 geklebt, wie auf eine Unterlage aufmontiert. Das pse_223.009 Gemüthafte der Dichtung kann damit verlorengehen. Deshalb pse_223.010 wird diese Stilfrage gerade für die Lyrik brennend. Hier pse_223.011 ist nun noch ein beinahe umgekehrter Vorgang zu erwähnen, pse_223.012 daß nämlich aus Zeichen dichterische Symbole werden können. pse_223.013 Wir beobachten ihn besonders an der Dichtung des 16. pse_223.014 und 17. Jahrhunderts, aber auch in modernster Lyrik taucht pse_223.015 er wieder auf: die Bedeutung der Embleme. Unter Emblem pse_223.016 versteht man ein Zeichen, dem ein bestimmter Sinn zugeordnet pse_223.017 ist. Es gab damals große Sammlungen solcher Embleme, pse_223.018 meist mit Zeichnungen: Chamäleon ist das Zeichen für pse_223.019 Schmeichelei, Tantalus Zeichen der Habgier, die Palme Zeichen pse_223.020 der Beständigkeit. Diese Zeichen finden wir häufig in pse_223.021 der damaligen Dichtung. Die Leser verstanden die Bedeutung pse_223.022 dieser Zeichen durchaus; ihre Verwendung in Gedichten bedeutete pse_223.023 für sie also geistreichen Schmuck, er hob das Gedicht pse_223.024 auf eine höhere Ebene, war also zugleich Ausdruck gehobener pse_223.025 Haltung. Solche Zeichen gaben dem Gedicht erst den tieferen pse_223.026 Sinn, ohne den es kaum verständlich war, sie führten also pse_223.027 geradezu ins Wesenhafte. Nun ist es dem echten Dichter aber pse_223.028 auch möglich, daß er diese Worte und Wortgruppen nicht pse_223.029 nur als Zeichen benutzt, sondern in ihnen den inneren Gehalt pse_223.030 wieder aufleben läßt. Es würde also etwa in einem Gedicht pse_223.031 das Wort »Palme« dichterisch so herausgearbeitet, daß es in pse_223.032 dieser dichterischen Umwelt zum Symbol der Beständigkeit pse_223.033 würde. Es würde also zum sprachlichen Bild. Man könnte pse_223.034 hier geradezu stilgeschichtliche Unterschiede feststellen, ob das pse_223.035 Wort entweder so geradhin als Emblem gesetzt ist oder erst pse_223.036 über den Weg einer sprachlichen Gehaltfüllung zu einem pse_223.037 Symbol wird, wie das teilweise bei den Farbworten Trakls zu pse_223.038 beobachten ist.
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Wortwörtlich: brauchbare, abgelöste, von überall her genommene pse_223.007
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wird diese Stilfrage gerade für die Lyrik brennend. Hier pse_223.011
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und 17. Jahrhunderts, aber auch in modernster Lyrik taucht pse_223.015
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Schmeichelei, Tantalus Zeichen der Habgier, die Palme Zeichen pse_223.020
der Beständigkeit. Diese Zeichen finden wir häufig in pse_223.021
der damaligen Dichtung. Die Leser verstanden die Bedeutung pse_223.022
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für sie also geistreichen Schmuck, er hob das Gedicht pse_223.024
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auch möglich, daß er diese Worte und Wortgruppen nicht pse_223.029
nur als Zeichen benutzt, sondern in ihnen den inneren Gehalt pse_223.030
wieder aufleben läßt. Es würde also etwa in einem Gedicht pse_223.031
das Wort »Palme« dichterisch so herausgearbeitet, daß es in pse_223.032
dieser dichterischen Umwelt zum Symbol der Beständigkeit pse_223.033
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/239>, abgerufen am 23.11.2024.
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