pse_016.001 ist nicht mehr nötig. Auf keinen Fall aber kann auf dieses pse_016.002 Mitschwingen des Innersten, das wir Gemüt nennen wollen, pse_016.003 in der ästhetischen Schau verzichtet werden. Es gehört wesenhaft pse_016.004 dazu. Aus ihm erwachsen dann ganz bestimmte, auf pse_016.005 diesen Gegenstand gerichtete Gefühle, die sich in ihrer Art pse_016.006 von den Gefühlen beim Erfassen eines neuen Gedankenzusammenhangs, pse_016.007 beim Fertigstellen eines nützlichen Gegenstandes, pse_016.008 beim Anschauen eines leidenden Mitmenschen deutlich pse_016.009 unterscheiden: es sind die ästhetischen Gefühle. In ihnen pse_016.010 erleben wir den Wert, der diesem ästhetischen Gegenstand pse_016.011 anhaftet, dessen Träger dieser Gegenstand ist, den ästhetischen pse_016.012 Wert. Dieser erlebte und in unserem Fühlen uns selbstverständlich pse_016.013 gegebene Wert ist gebunden eben an die Merkmale pse_016.014 des ästhetischen Gegenstandes, durch die er sich von anderen pse_016.015 Gegenständen unterscheidet: Fürsichsein, Bildhaftigkeit, innere pse_016.016 Fülle und Ahnenlassen eines Tieferen gerade in seiner pse_016.017 fülligen Gebildehaftigkeit. So wie man auch anderen Werten pse_016.018 ein bestimmtes Merkmal sprachlich gibt, also das Wahre, pse_016.019 das Gute, das Nützliche, das Heilige usw., so gibt es auch für pse_016.020 den ästhetischen Gegenstand eine solche Bezeichnung: das pse_016.021 Schöne. Freilich wird auch dieses Wort oft so verwendet, pse_016.022 daß man es manchmal am liebsten aus jeder ästhetischen Betrachtung pse_016.023 ausschlösse. Man muß aber darauf achten, daß pse_016.024 dieses Wort eben eine ganze Werteskala bezeichnet, an deren pse_016.025 einem Ende das Häßliche steht, daß es bei dieser umfassenden pse_016.026 Verwendung auf das Gebilde selbst ankommt, nicht auf pse_016.027 das, was -- nun schon in rationaler Einstellung -- in ihm dargestellt pse_016.028 wird, und daß wir es im umfassenden Sinne nehmen pse_016.029 und andere Arten des ästhetisch Wertvollen (das Erhabene, pse_016.030 Liebliche usw.) ihm einordnen. Der ästhetische Gegenstand pse_016.031 ist eben das Schöne.
pse_016.032 Wir haben gesehen, daß ein und derselbe Gegenstand von pse_016.033 verschiedenen Menschen verschieden erfaßt werden kann. pse_016.034 Wer einmal den Wert des Wahren, des Schönen, des Guten pse_016.035 tief erlebt hat, drängt nun danach, diese Werte möglichst pse_016.036 rein zu erleben, daß die Gefahr, durch andere Erfassungsweisen pse_016.037 gestört zu werden, vermieden ist. So kommt es zu pse_016.038 menschlichen Werken, in denen eben diese reine Wirkung
pse_016.001 ist nicht mehr nötig. Auf keinen Fall aber kann auf dieses pse_016.002 Mitschwingen des Innersten, das wir Gemüt nennen wollen, pse_016.003 in der ästhetischen Schau verzichtet werden. Es gehört wesenhaft pse_016.004 dazu. Aus ihm erwachsen dann ganz bestimmte, auf pse_016.005 diesen Gegenstand gerichtete Gefühle, die sich in ihrer Art pse_016.006 von den Gefühlen beim Erfassen eines neuen Gedankenzusammenhangs, pse_016.007 beim Fertigstellen eines nützlichen Gegenstandes, pse_016.008 beim Anschauen eines leidenden Mitmenschen deutlich pse_016.009 unterscheiden: es sind die ästhetischen Gefühle. In ihnen pse_016.010 erleben wir den Wert, der diesem ästhetischen Gegenstand pse_016.011 anhaftet, dessen Träger dieser Gegenstand ist, den ästhetischen pse_016.012 Wert. Dieser erlebte und in unserem Fühlen uns selbstverständlich pse_016.013 gegebene Wert ist gebunden eben an die Merkmale pse_016.014 des ästhetischen Gegenstandes, durch die er sich von anderen pse_016.015 Gegenständen unterscheidet: Fürsichsein, Bildhaftigkeit, innere pse_016.016 Fülle und Ahnenlassen eines Tieferen gerade in seiner pse_016.017 fülligen Gebildehaftigkeit. So wie man auch anderen Werten pse_016.018 ein bestimmtes Merkmal sprachlich gibt, also das Wahre, pse_016.019 das Gute, das Nützliche, das Heilige usw., so gibt es auch für pse_016.020 den ästhetischen Gegenstand eine solche Bezeichnung: das pse_016.021 Schöne. Freilich wird auch dieses Wort oft so verwendet, pse_016.022 daß man es manchmal am liebsten aus jeder ästhetischen Betrachtung pse_016.023 ausschlösse. Man muß aber darauf achten, daß pse_016.024 dieses Wort eben eine ganze Werteskala bezeichnet, an deren pse_016.025 einem Ende das Häßliche steht, daß es bei dieser umfassenden pse_016.026 Verwendung auf das Gebilde selbst ankommt, nicht auf pse_016.027 das, was — nun schon in rationaler Einstellung — in ihm dargestellt pse_016.028 wird, und daß wir es im umfassenden Sinne nehmen pse_016.029 und andere Arten des ästhetisch Wertvollen (das Erhabene, pse_016.030 Liebliche usw.) ihm einordnen. Der ästhetische Gegenstand pse_016.031 ist eben das Schöne.
pse_016.032 Wir haben gesehen, daß ein und derselbe Gegenstand von pse_016.033 verschiedenen Menschen verschieden erfaßt werden kann. pse_016.034 Wer einmal den Wert des Wahren, des Schönen, des Guten pse_016.035 tief erlebt hat, drängt nun danach, diese Werte möglichst pse_016.036 rein zu erleben, daß die Gefahr, durch andere Erfassungsweisen pse_016.037 gestört zu werden, vermieden ist. So kommt es zu pse_016.038 menschlichen Werken, in denen eben diese reine Wirkung
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ist nicht mehr nötig. Auf keinen Fall aber kann auf dieses pse_016.002
Mitschwingen des Innersten, das wir Gemüt nennen wollen, pse_016.003
in der ästhetischen Schau verzichtet werden. Es gehört wesenhaft pse_016.004
dazu. Aus ihm erwachsen dann ganz bestimmte, auf pse_016.005
diesen Gegenstand gerichtete Gefühle, die sich in ihrer Art pse_016.006
von den Gefühlen beim Erfassen eines neuen Gedankenzusammenhangs, pse_016.007
beim Fertigstellen eines nützlichen Gegenstandes, pse_016.008
beim Anschauen eines leidenden Mitmenschen deutlich pse_016.009
unterscheiden: es sind die ästhetischen Gefühle. In ihnen pse_016.010
erleben wir den Wert, der diesem ästhetischen Gegenstand pse_016.011
anhaftet, dessen Träger dieser Gegenstand ist, den ästhetischen pse_016.012
Wert. Dieser erlebte und in unserem Fühlen uns selbstverständlich pse_016.013
gegebene Wert ist gebunden eben an die Merkmale pse_016.014
des ästhetischen Gegenstandes, durch die er sich von anderen pse_016.015
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Fülle und Ahnenlassen eines Tieferen gerade in seiner pse_016.017
fülligen Gebildehaftigkeit. So wie man auch anderen Werten pse_016.018
ein bestimmtes Merkmal sprachlich gibt, also das Wahre, pse_016.019
das Gute, das Nützliche, das Heilige usw., so gibt es auch für pse_016.020
den ästhetischen Gegenstand eine solche Bezeichnung: das pse_016.021
Schöne. Freilich wird auch dieses Wort oft so verwendet, pse_016.022
daß man es manchmal am liebsten aus jeder ästhetischen Betrachtung pse_016.023
ausschlösse. Man muß aber darauf achten, daß pse_016.024
dieses Wort eben eine ganze Werteskala bezeichnet, an deren pse_016.025
einem Ende das Häßliche steht, daß es bei dieser umfassenden pse_016.026
Verwendung auf das Gebilde selbst ankommt, nicht auf pse_016.027
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und andere Arten des ästhetisch Wertvollen (das Erhabene, pse_016.030
Liebliche usw.) ihm einordnen. Der ästhetische Gegenstand pse_016.031
ist eben das Schöne.
pse_016.032
Wir haben gesehen, daß ein und derselbe Gegenstand von pse_016.033
verschiedenen Menschen verschieden erfaßt werden kann. pse_016.034
Wer einmal den Wert des Wahren, des Schönen, des Guten pse_016.035
tief erlebt hat, drängt nun danach, diese Werte möglichst pse_016.036
rein zu erleben, daß die Gefahr, durch andere Erfassungsweisen pse_016.037
gestört zu werden, vermieden ist. So kommt es zu pse_016.038
menschlichen Werken, in denen eben diese reine Wirkung
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/32>, abgerufen am 21.11.2024.
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