pse_306.001 und solche soziale Lage als das Wesentliche hinstellen, pse_306.002 sie setzt dafür künstlerische Mittel ein, die sie vielfach erst pse_306.003 selbst bereitstellt, also rückt sie von der Dichtung als kunstvoller pse_306.004 Gestaltung mit vorgegebenen sprachlichen Formen ab.
pse_306.005 Der Impressionismus hat zunächst mehr Beziehungen zum pse_306.006 Realismus: auch er gestaltet dieselbe außersprachliche Wirklichkeit pse_306.007 in dichterische Form um wie der Realismus, auch er pse_306.008 rückt diese Wirklichkeit sehr nahe. Aber hier setzt die entscheidende pse_306.009 Eigenart ein. Dieses Näherrücken wird noch gesteigert pse_306.010 und vor allem: der Dichter gestaltet die ganz persönlichen pse_306.011 Eindrücke, die er von dieser nahen Welt empfängt. pse_306.012 Er verzichtet auf die vom Naturalismus geforderte, aber pse_306.013 falsch gedeutete objektive Richtigkeit, er gibt bewußt die pse_306.014 Wirklichkeit als Reihung einer Fülle von subjektiven Eindrücken; pse_306.015 auch hier also eine Lockerung des strengen Aufbaus, pse_306.016 der seine Ganzheit erst in der Summe aller Eindrücke empfängt; pse_306.017 diese Ganzheit ist möglich, weil hier nun die Persönlichkeit pse_306.018 des Gestalters stark miteingeht in die Formung und pse_306.019 daher eine deutliche innere Einstellung, eine durchgehende pse_306.020 Stimmung das Ganze durchzieht. Zugleich muß auch der pse_306.021 Impressionismus von der Formung durch vorgegebene sprachliche pse_306.022 Bilder, durch Schablonen abrücken; er bringt eine große pse_306.023 Bereicherung der sprachlichen Möglichkeiten besonders in pse_306.024 der Richtung auf höchst persönliche Gestaltung. Das Eindruckswort pse_306.025 schafft neue Stilwerte. "Ihr lichtbraunes Haar, pse_306.026 tief im Nacken zu einem Knoten zusammengefaßt, war glatt pse_306.027 zurückgestrichen, und nur in der Nähe der rechten Schläfe pse_306.028 fiel eine krause, lose Locke in die Stirn, unfern der Stelle, pse_306.029 wo über der markant gezeichneten Braue ein kleines seltsames pse_306.030 Äderchen sich blaßblau und kränklich in der Klarheit pse_306.031 und Makellosigkeit dieser wie durchsichtigen Stirn verzweigte. pse_306.032 Dies blaue Äderchen über dem Auge beherrschte auf eine pse_306.033 beunruhigende Art das ganze feine Oval des Gesichts" pse_306.034 (Th. Mann, "Tristan"). Aber trotz dieser Fülle von nahen pse_306.035 Einzelheiten ist auch hier der Zug zur Verwesentlichung da, pse_306.036 nur daß eben der Impressionismus das Wesen irgendwo pse_306.037 anders sieht: in der intimen Begegnung von Mensch und pse_306.038 Welt; das Wesen liegt hier im Zusammenklang von bewältigter
pse_306.001 und solche soziale Lage als das Wesentliche hinstellen, pse_306.002 sie setzt dafür künstlerische Mittel ein, die sie vielfach erst pse_306.003 selbst bereitstellt, also rückt sie von der Dichtung als kunstvoller pse_306.004 Gestaltung mit vorgegebenen sprachlichen Formen ab.
pse_306.005 Der Impressionismus hat zunächst mehr Beziehungen zum pse_306.006 Realismus: auch er gestaltet dieselbe außersprachliche Wirklichkeit pse_306.007 in dichterische Form um wie der Realismus, auch er pse_306.008 rückt diese Wirklichkeit sehr nahe. Aber hier setzt die entscheidende pse_306.009 Eigenart ein. Dieses Näherrücken wird noch gesteigert pse_306.010 und vor allem: der Dichter gestaltet die ganz persönlichen pse_306.011 Eindrücke, die er von dieser nahen Welt empfängt. pse_306.012 Er verzichtet auf die vom Naturalismus geforderte, aber pse_306.013 falsch gedeutete objektive Richtigkeit, er gibt bewußt die pse_306.014 Wirklichkeit als Reihung einer Fülle von subjektiven Eindrücken; pse_306.015 auch hier also eine Lockerung des strengen Aufbaus, pse_306.016 der seine Ganzheit erst in der Summe aller Eindrücke empfängt; pse_306.017 diese Ganzheit ist möglich, weil hier nun die Persönlichkeit pse_306.018 des Gestalters stark miteingeht in die Formung und pse_306.019 daher eine deutliche innere Einstellung, eine durchgehende pse_306.020 Stimmung das Ganze durchzieht. Zugleich muß auch der pse_306.021 Impressionismus von der Formung durch vorgegebene sprachliche pse_306.022 Bilder, durch Schablonen abrücken; er bringt eine große pse_306.023 Bereicherung der sprachlichen Möglichkeiten besonders in pse_306.024 der Richtung auf höchst persönliche Gestaltung. Das Eindruckswort pse_306.025 schafft neue Stilwerte. »Ihr lichtbraunes Haar, pse_306.026 tief im Nacken zu einem Knoten zusammengefaßt, war glatt pse_306.027 zurückgestrichen, und nur in der Nähe der rechten Schläfe pse_306.028 fiel eine krause, lose Locke in die Stirn, unfern der Stelle, pse_306.029 wo über der markant gezeichneten Braue ein kleines seltsames pse_306.030 Äderchen sich blaßblau und kränklich in der Klarheit pse_306.031 und Makellosigkeit dieser wie durchsichtigen Stirn verzweigte. pse_306.032 Dies blaue Äderchen über dem Auge beherrschte auf eine pse_306.033 beunruhigende Art das ganze feine Oval des Gesichts« pse_306.034 (Th. Mann, »Tristan«). Aber trotz dieser Fülle von nahen pse_306.035 Einzelheiten ist auch hier der Zug zur Verwesentlichung da, pse_306.036 nur daß eben der Impressionismus das Wesen irgendwo pse_306.037 anders sieht: in der intimen Begegnung von Mensch und pse_306.038 Welt; das Wesen liegt hier im Zusammenklang von bewältigter
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sie setzt dafür künstlerische Mittel ein, die sie vielfach erst pse_306.003
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Der Impressionismus hat zunächst mehr Beziehungen zum pse_306.006
Realismus: auch er gestaltet dieselbe außersprachliche Wirklichkeit pse_306.007
in dichterische Form um wie der Realismus, auch er pse_306.008
rückt diese Wirklichkeit sehr nahe. Aber hier setzt die entscheidende pse_306.009
Eigenart ein. Dieses Näherrücken wird noch gesteigert pse_306.010
und vor allem: der Dichter gestaltet die ganz persönlichen pse_306.011
Eindrücke, die er von dieser nahen Welt empfängt. pse_306.012
Er verzichtet auf die vom Naturalismus geforderte, aber pse_306.013
falsch gedeutete objektive Richtigkeit, er gibt bewußt die pse_306.014
Wirklichkeit als Reihung einer Fülle von subjektiven Eindrücken; pse_306.015
auch hier also eine Lockerung des strengen Aufbaus, pse_306.016
der seine Ganzheit erst in der Summe aller Eindrücke empfängt; pse_306.017
diese Ganzheit ist möglich, weil hier nun die Persönlichkeit pse_306.018
des Gestalters stark miteingeht in die Formung und pse_306.019
daher eine deutliche innere Einstellung, eine durchgehende pse_306.020
Stimmung das Ganze durchzieht. Zugleich muß auch der pse_306.021
Impressionismus von der Formung durch vorgegebene sprachliche pse_306.022
Bilder, durch Schablonen abrücken; er bringt eine große pse_306.023
Bereicherung der sprachlichen Möglichkeiten besonders in pse_306.024
der Richtung auf höchst persönliche Gestaltung. Das Eindruckswort pse_306.025
schafft neue Stilwerte. »Ihr lichtbraunes Haar, pse_306.026
tief im Nacken zu einem Knoten zusammengefaßt, war glatt pse_306.027
zurückgestrichen, und nur in der Nähe der rechten Schläfe pse_306.028
fiel eine krause, lose Locke in die Stirn, unfern der Stelle, pse_306.029
wo über der markant gezeichneten Braue ein kleines seltsames pse_306.030
Äderchen sich blaßblau und kränklich in der Klarheit pse_306.031
und Makellosigkeit dieser wie durchsichtigen Stirn verzweigte. pse_306.032
Dies blaue Äderchen über dem Auge beherrschte auf eine pse_306.033
beunruhigende Art das ganze feine Oval des Gesichts« pse_306.034
(Th. Mann, »Tristan«). Aber trotz dieser Fülle von nahen pse_306.035
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nur daß eben der Impressionismus das Wesen irgendwo pse_306.037
anders sieht: in der intimen Begegnung von Mensch und pse_306.038
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/322>, abgerufen am 21.11.2024.
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