pse_321.001 Sprache sind auch die anderen Schichten wesentlich. So hat pse_321.002 es die Dichtung mit einem selber schon sehr mannigfach pse_321.003 strukturierten Untergrund zu tun. Weiter aber ist eigenartig, pse_321.004 daß in der Dichtung (wie auch in anderen Künsten) die beiden pse_321.005 Mittelschichten des Organischen und des Seelischen pse_321.006 eigentlich erst in der Schicht des Geistigen erscheinen, als pse_321.007 in sie eingefügt: eben weil das Kunstwerk die Schöpfung pse_321.008 eines Menschen ist, müssen die organischen und seelischen pse_321.009 Bereiche auch irgendwie erkennbar sein, aber nicht so sehr pse_321.010 unmittelbar, sondern im Bereich des auf der Materie ruhenden pse_321.011 Geistigen.
pse_321.012 Mit der Schichtung dieser Bereiche in der Dichtung hat pse_321.013 man sich schon oft abgegeben. Man hat verschiedene Schichtenfolgen pse_321.014 gesehen. Dabei ist folgendes festzuhalten: Auch die pse_321.015 Gestaltungskräfte sind schon geschichtet. Ich erinnere daran, pse_321.016 wie zwar die sprachkünstlerische Gesamtgestalt erst alle einzelnen pse_321.017 Züge wirken läßt, daß aber diese Gesamtgestalt unbedingt pse_321.018 auf die Elemente des Stils in ihrer Mannigfaltigkeit, pse_321.019 auf das Zusammenwirken der Stilkräfte usw. gegründet pse_321.020 ist und ohne sie nicht möglich wäre. Also schon hier eine deutliche pse_321.021 Schichtung. Dasselbe gilt auch für die Gestaltung der pse_321.022 Personen in der epischen und der dramatischen Dichtung. pse_321.023 Auch hier ergibt sich das Gesamtbild der vom Dichter geschaffenen pse_321.024 Gestalt aus den kleinsten Elementen, die seinen pse_321.025 Aufbau leisten, sie selber aber haben keinen Eigenwert, sie pse_321.026 gehen im Ganzen unter, das aber ohne sie nicht so wäre. Es pse_321.027 ist also diese Schichtung vom Äußerlichen in die Tiefe keine pse_321.028 einfache Reihung von klar auslösbaren Schichten, sondern pse_321.029 ein mannigfaches Geflecht von selber schon geschichteten pse_321.030 Gebilden.
pse_321.031 Nach diesen Vorbemerkungen können wir versuchen, den pse_321.032 Schichtenbau einer Dichtung theoretisch zu zergliedern. Unbedingt pse_321.033 auszugehen haben wir in der Dichtung von der sprachlichen pse_321.034 Gegebenheit, von der Tatsache, daß ein Sprachwerk pse_321.035 vorliegt. Diese Basis, ohne die eine Dichtung undenkbar ist, pse_321.036 ist aber selber, theoretisch gesehen, doppelseitig: sie ist immer pse_321.037 Lautung und immer Sinngestaltung. Dabei ist der Sinn gar pse_321.038 nicht anders da als in der wirklich ausgesprochenen oder
pse_321.001 Sprache sind auch die anderen Schichten wesentlich. So hat pse_321.002 es die Dichtung mit einem selber schon sehr mannigfach pse_321.003 strukturierten Untergrund zu tun. Weiter aber ist eigenartig, pse_321.004 daß in der Dichtung (wie auch in anderen Künsten) die beiden pse_321.005 Mittelschichten des Organischen und des Seelischen pse_321.006 eigentlich erst in der Schicht des Geistigen erscheinen, als pse_321.007 in sie eingefügt: eben weil das Kunstwerk die Schöpfung pse_321.008 eines Menschen ist, müssen die organischen und seelischen pse_321.009 Bereiche auch irgendwie erkennbar sein, aber nicht so sehr pse_321.010 unmittelbar, sondern im Bereich des auf der Materie ruhenden pse_321.011 Geistigen.
pse_321.012 Mit der Schichtung dieser Bereiche in der Dichtung hat pse_321.013 man sich schon oft abgegeben. Man hat verschiedene Schichtenfolgen pse_321.014 gesehen. Dabei ist folgendes festzuhalten: Auch die pse_321.015 Gestaltungskräfte sind schon geschichtet. Ich erinnere daran, pse_321.016 wie zwar die sprachkünstlerische Gesamtgestalt erst alle einzelnen pse_321.017 Züge wirken läßt, daß aber diese Gesamtgestalt unbedingt pse_321.018 auf die Elemente des Stils in ihrer Mannigfaltigkeit, pse_321.019 auf das Zusammenwirken der Stilkräfte usw. gegründet pse_321.020 ist und ohne sie nicht möglich wäre. Also schon hier eine deutliche pse_321.021 Schichtung. Dasselbe gilt auch für die Gestaltung der pse_321.022 Personen in der epischen und der dramatischen Dichtung. pse_321.023 Auch hier ergibt sich das Gesamtbild der vom Dichter geschaffenen pse_321.024 Gestalt aus den kleinsten Elementen, die seinen pse_321.025 Aufbau leisten, sie selber aber haben keinen Eigenwert, sie pse_321.026 gehen im Ganzen unter, das aber ohne sie nicht so wäre. Es pse_321.027 ist also diese Schichtung vom Äußerlichen in die Tiefe keine pse_321.028 einfache Reihung von klar auslösbaren Schichten, sondern pse_321.029 ein mannigfaches Geflecht von selber schon geschichteten pse_321.030 Gebilden.
pse_321.031 Nach diesen Vorbemerkungen können wir versuchen, den pse_321.032 Schichtenbau einer Dichtung theoretisch zu zergliedern. Unbedingt pse_321.033 auszugehen haben wir in der Dichtung von der sprachlichen pse_321.034 Gegebenheit, von der Tatsache, daß ein Sprachwerk pse_321.035 vorliegt. Diese Basis, ohne die eine Dichtung undenkbar ist, pse_321.036 ist aber selber, theoretisch gesehen, doppelseitig: sie ist immer pse_321.037 Lautung und immer Sinngestaltung. Dabei ist der Sinn gar pse_321.038 nicht anders da als in der wirklich ausgesprochenen oder
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0337"n="321"/><lbn="pse_321.001"/>
Sprache sind auch die anderen Schichten wesentlich. So hat <lbn="pse_321.002"/>
es die Dichtung mit einem selber schon sehr mannigfach <lbn="pse_321.003"/>
strukturierten Untergrund zu tun. Weiter aber ist eigenartig, <lbn="pse_321.004"/>
daß in der Dichtung (wie auch in anderen Künsten) die beiden <lbn="pse_321.005"/>
Mittelschichten des Organischen und des Seelischen <lbn="pse_321.006"/>
eigentlich erst in der Schicht des Geistigen erscheinen, als <lbn="pse_321.007"/>
in sie eingefügt: eben weil das Kunstwerk die Schöpfung <lbn="pse_321.008"/>
eines Menschen ist, müssen die organischen und seelischen <lbn="pse_321.009"/>
Bereiche auch irgendwie erkennbar sein, aber nicht so sehr <lbn="pse_321.010"/>
unmittelbar, sondern im Bereich des auf der Materie ruhenden <lbn="pse_321.011"/>
Geistigen.</p><p><lbn="pse_321.012"/>
Mit der Schichtung dieser Bereiche in der Dichtung hat <lbn="pse_321.013"/>
man sich schon oft abgegeben. Man hat verschiedene Schichtenfolgen <lbn="pse_321.014"/>
gesehen. Dabei ist folgendes festzuhalten: Auch die <lbn="pse_321.015"/>
Gestaltungskräfte sind schon geschichtet. Ich erinnere daran, <lbn="pse_321.016"/>
wie zwar die sprachkünstlerische Gesamtgestalt erst alle einzelnen <lbn="pse_321.017"/>
Züge wirken läßt, daß aber diese Gesamtgestalt unbedingt <lbn="pse_321.018"/>
auf die Elemente des Stils in ihrer Mannigfaltigkeit, <lbn="pse_321.019"/>
auf das Zusammenwirken der Stilkräfte usw. gegründet <lbn="pse_321.020"/>
ist und ohne sie nicht möglich wäre. Also schon hier eine deutliche <lbn="pse_321.021"/>
Schichtung. Dasselbe gilt auch für die Gestaltung der <lbn="pse_321.022"/>
Personen in der epischen und der dramatischen Dichtung. <lbn="pse_321.023"/>
Auch hier ergibt sich das Gesamtbild der vom Dichter geschaffenen <lbn="pse_321.024"/>
Gestalt aus den kleinsten Elementen, die seinen <lbn="pse_321.025"/>
Aufbau leisten, sie selber aber haben keinen Eigenwert, sie <lbn="pse_321.026"/>
gehen im Ganzen unter, das aber ohne sie nicht so wäre. Es <lbn="pse_321.027"/>
ist also diese Schichtung vom Äußerlichen in die Tiefe keine <lbn="pse_321.028"/>
einfache Reihung von klar auslösbaren Schichten, sondern <lbn="pse_321.029"/>
ein mannigfaches Geflecht von selber schon geschichteten <lbn="pse_321.030"/>
Gebilden.</p><p><lbn="pse_321.031"/>
Nach diesen Vorbemerkungen können wir versuchen, den <lbn="pse_321.032"/>
Schichtenbau einer Dichtung theoretisch zu zergliedern. Unbedingt <lbn="pse_321.033"/>
auszugehen haben wir in der Dichtung von der sprachlichen <lbn="pse_321.034"/>
Gegebenheit, von der Tatsache, daß ein Sprachwerk <lbn="pse_321.035"/>
vorliegt. Diese Basis, ohne die eine Dichtung undenkbar ist, <lbn="pse_321.036"/>
ist aber selber, theoretisch gesehen, doppelseitig: sie ist immer <lbn="pse_321.037"/>
Lautung und immer Sinngestaltung. Dabei ist der Sinn gar <lbn="pse_321.038"/>
nicht anders da als in der wirklich ausgesprochenen oder
</p></div></div></div></body></text></TEI>
[321/0337]
pse_321.001
Sprache sind auch die anderen Schichten wesentlich. So hat pse_321.002
es die Dichtung mit einem selber schon sehr mannigfach pse_321.003
strukturierten Untergrund zu tun. Weiter aber ist eigenartig, pse_321.004
daß in der Dichtung (wie auch in anderen Künsten) die beiden pse_321.005
Mittelschichten des Organischen und des Seelischen pse_321.006
eigentlich erst in der Schicht des Geistigen erscheinen, als pse_321.007
in sie eingefügt: eben weil das Kunstwerk die Schöpfung pse_321.008
eines Menschen ist, müssen die organischen und seelischen pse_321.009
Bereiche auch irgendwie erkennbar sein, aber nicht so sehr pse_321.010
unmittelbar, sondern im Bereich des auf der Materie ruhenden pse_321.011
Geistigen.
pse_321.012
Mit der Schichtung dieser Bereiche in der Dichtung hat pse_321.013
man sich schon oft abgegeben. Man hat verschiedene Schichtenfolgen pse_321.014
gesehen. Dabei ist folgendes festzuhalten: Auch die pse_321.015
Gestaltungskräfte sind schon geschichtet. Ich erinnere daran, pse_321.016
wie zwar die sprachkünstlerische Gesamtgestalt erst alle einzelnen pse_321.017
Züge wirken läßt, daß aber diese Gesamtgestalt unbedingt pse_321.018
auf die Elemente des Stils in ihrer Mannigfaltigkeit, pse_321.019
auf das Zusammenwirken der Stilkräfte usw. gegründet pse_321.020
ist und ohne sie nicht möglich wäre. Also schon hier eine deutliche pse_321.021
Schichtung. Dasselbe gilt auch für die Gestaltung der pse_321.022
Personen in der epischen und der dramatischen Dichtung. pse_321.023
Auch hier ergibt sich das Gesamtbild der vom Dichter geschaffenen pse_321.024
Gestalt aus den kleinsten Elementen, die seinen pse_321.025
Aufbau leisten, sie selber aber haben keinen Eigenwert, sie pse_321.026
gehen im Ganzen unter, das aber ohne sie nicht so wäre. Es pse_321.027
ist also diese Schichtung vom Äußerlichen in die Tiefe keine pse_321.028
einfache Reihung von klar auslösbaren Schichten, sondern pse_321.029
ein mannigfaches Geflecht von selber schon geschichteten pse_321.030
Gebilden.
pse_321.031
Nach diesen Vorbemerkungen können wir versuchen, den pse_321.032
Schichtenbau einer Dichtung theoretisch zu zergliedern. Unbedingt pse_321.033
auszugehen haben wir in der Dichtung von der sprachlichen pse_321.034
Gegebenheit, von der Tatsache, daß ein Sprachwerk pse_321.035
vorliegt. Diese Basis, ohne die eine Dichtung undenkbar ist, pse_321.036
ist aber selber, theoretisch gesehen, doppelseitig: sie ist immer pse_321.037
Lautung und immer Sinngestaltung. Dabei ist der Sinn gar pse_321.038
nicht anders da als in der wirklich ausgesprochenen oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/337>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.