pse_323.001 als Symbol für die Eigenarten und Fragwürdigkeiten des pse_323.002 Herrschertums. In der Gruppierung und gegenseitigen Bezogenheit pse_323.003 der Personen hat Schiller in seiner "Luise Millerin" pse_323.004 die tragische Verflochtenheit aufgezeigt, die zum furchtbaren pse_323.005 Ende der beiden Liebenden führen muß, besonders dadurch, pse_323.006 daß er in der seelischen Art Ferdinands und Luisens pse_323.007 Wesentliches des Adels -- sein rücksichtsloses Drauflosgehen pse_323.008 -- und des Bürgertums -- seine ängstliche Gebundenheit -- wirken pse_323.009 läßt, so daß die beiden Geschöpfe nicht bloß durch die pse_323.010 äußere Kabale, sondern durch ihre innerste Haltung getrennt pse_323.011 und vernichtet werden. In der Art und dem Verhältnis der pse_323.012 Personen also erleben wir zugleich die Gespanntheit des pse_323.013 sozialen Gefüges als eines menschlichen Schicksals. Endlich pse_323.014 führt auch die Handlung in die Tiefe. Daß Fausts Weg eine pse_323.015 Aneinanderreihung von Aufstiegen, höchsten Erlebnissen pse_323.016 und darauffolgenden Zusammenbrüchen ist, aus denen er pse_323.017 sich immer wieder aufrafft, mag zunächst eben nur den pse_323.018 Handlungsablauf kennzeichnen. Aber gerade in dieser folgerichtig pse_323.019 und betont durchgeführten Reihung erschauen wir pse_323.020 endlich Schicksal und Tragik des Menschenlebens überhaupt. pse_323.021 Daß aber diese Handlung von überirdischen Bereichen und pse_323.022 Vorgängen umrahmt und durchflochten ist, macht nicht nur pse_323.023 die Handlung reicher und gespannter, sondern wird Symbol pse_323.024 für die Eingeordnetheit des Lebens in höhere und weitere pse_323.025 Zusammenhänge, die der Tragik des ewigen Scheiterns einen pse_323.026 tieferen Sinn geben.
pse_323.027 So zeigt sich, wie die mannigfachen Seiten und Glieder pse_323.028 einer Dichtung, jede für sich und alle zusammen, immer zugleich pse_323.029 Tieferes ahnen lassen. Das ist jener grundlegende Zug pse_323.030 jeder echten Dichtung: das Herausformen des Wesenhaften, pse_323.031 die Verwesentlichung, die nun hier als eine Art Schicht in pse_323.032 der Anlage einer Dichtung erscheint. An dieser Stelle wird pse_323.033 der Sinn und die Aufgabe der Symbole besonders deutlich; pse_323.034 denn in ihnen vor allem vermögen wir das Tiefere zu ahnen pse_323.035 und zu schauen. Damit endlich ergibt sich als Letztes gleichsam, pse_323.036 daß solche Dichtung Welterhellung ist: sie gestaltet pse_323.037 nicht nur die äußere Fülle der Welt, wenn auch meist nur pse_323.038 in einem sehr begrenzten Ausschnitt, sondern führt uns in
pse_323.001 als Symbol für die Eigenarten und Fragwürdigkeiten des pse_323.002 Herrschertums. In der Gruppierung und gegenseitigen Bezogenheit pse_323.003 der Personen hat Schiller in seiner »Luise Millerin« pse_323.004 die tragische Verflochtenheit aufgezeigt, die zum furchtbaren pse_323.005 Ende der beiden Liebenden führen muß, besonders dadurch, pse_323.006 daß er in der seelischen Art Ferdinands und Luisens pse_323.007 Wesentliches des Adels — sein rücksichtsloses Drauflosgehen pse_323.008 — und des Bürgertums — seine ängstliche Gebundenheit — wirken pse_323.009 läßt, so daß die beiden Geschöpfe nicht bloß durch die pse_323.010 äußere Kabale, sondern durch ihre innerste Haltung getrennt pse_323.011 und vernichtet werden. In der Art und dem Verhältnis der pse_323.012 Personen also erleben wir zugleich die Gespanntheit des pse_323.013 sozialen Gefüges als eines menschlichen Schicksals. Endlich pse_323.014 führt auch die Handlung in die Tiefe. Daß Fausts Weg eine pse_323.015 Aneinanderreihung von Aufstiegen, höchsten Erlebnissen pse_323.016 und darauffolgenden Zusammenbrüchen ist, aus denen er pse_323.017 sich immer wieder aufrafft, mag zunächst eben nur den pse_323.018 Handlungsablauf kennzeichnen. Aber gerade in dieser folgerichtig pse_323.019 und betont durchgeführten Reihung erschauen wir pse_323.020 endlich Schicksal und Tragik des Menschenlebens überhaupt. pse_323.021 Daß aber diese Handlung von überirdischen Bereichen und pse_323.022 Vorgängen umrahmt und durchflochten ist, macht nicht nur pse_323.023 die Handlung reicher und gespannter, sondern wird Symbol pse_323.024 für die Eingeordnetheit des Lebens in höhere und weitere pse_323.025 Zusammenhänge, die der Tragik des ewigen Scheiterns einen pse_323.026 tieferen Sinn geben.
pse_323.027 So zeigt sich, wie die mannigfachen Seiten und Glieder pse_323.028 einer Dichtung, jede für sich und alle zusammen, immer zugleich pse_323.029 Tieferes ahnen lassen. Das ist jener grundlegende Zug pse_323.030 jeder echten Dichtung: das Herausformen des Wesenhaften, pse_323.031 die Verwesentlichung, die nun hier als eine Art Schicht in pse_323.032 der Anlage einer Dichtung erscheint. An dieser Stelle wird pse_323.033 der Sinn und die Aufgabe der Symbole besonders deutlich; pse_323.034 denn in ihnen vor allem vermögen wir das Tiefere zu ahnen pse_323.035 und zu schauen. Damit endlich ergibt sich als Letztes gleichsam, pse_323.036 daß solche Dichtung Welterhellung ist: sie gestaltet pse_323.037 nicht nur die äußere Fülle der Welt, wenn auch meist nur pse_323.038 in einem sehr begrenzten Ausschnitt, sondern führt uns in
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Herrschertums. In der Gruppierung und gegenseitigen Bezogenheit pse_323.003
der Personen hat Schiller in seiner »Luise Millerin« pse_323.004
die tragische Verflochtenheit aufgezeigt, die zum furchtbaren pse_323.005
Ende der beiden Liebenden führen muß, besonders dadurch, pse_323.006
daß er in der seelischen Art Ferdinands und Luisens pse_323.007
Wesentliches des Adels — sein rücksichtsloses Drauflosgehen pse_323.008
— und des Bürgertums — seine ängstliche Gebundenheit — wirken pse_323.009
läßt, so daß die beiden Geschöpfe nicht bloß durch die pse_323.010
äußere Kabale, sondern durch ihre innerste Haltung getrennt pse_323.011
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die Handlung reicher und gespannter, sondern wird Symbol pse_323.024
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/339>, abgerufen am 21.11.2024.
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