pse_021.001 wird aber im Laufe unserer Darlegungen immer deutlicher pse_021.002 werden. Der große Unterschied ruht, auch so viel ließ pse_021.003 sich andeutungsweise schon erkennen, in der Sprache. Während pse_021.004 Farben, Stein, Töne oder gar Erzeugung von Tönen pse_021.005 auf Instrumenten etwas Materielles sind, dem an sich kein pse_021.006 Sinn zukommt, ist Sprache als Sinnloses gar nicht denkbar, pse_021.007 Sinnhaftigkeit ist ein notwendiges Merkmal der Sprache. pse_021.008 Die Sprache ist selbst eine Schöpfung der Menschen, ist ein pse_021.009 reichgegliedertes Gebilde, das mit einer Sprachgemeinschaft pse_021.010 aufs engste zusammenhängt. Sprache ist ein kompliziertes pse_021.011 geistiges Gut! In ihr ist viel Geist, viel Schicksal, viel Ringen, pse_021.012 Wollen und Fühlen aufbewahrt. Niemals kann die Sprache pse_021.013 mit den "Mitteln" der anderen Künste auf eine Ebene gestellt pse_021.014 werden, denn sie ist selbst geistige Leistung von Gemeinschaften pse_021.015 und Ahnenreihen. Das bedingt von vornherein schon pse_021.016 eine ganz andere Ausgangslage für die Dichtung. Für den pse_021.017 Dichter scheint das zunächst ein Vorteil und ein Nachteil zu pse_021.018 sein: ein Vorteil, weil ein geistiges Gebilde von vornherein pse_021.019 ganz andere Möglichkeiten erschließt als eine Materie. Ein pse_021.020 Nachteil, weil die feste Prägung dieses geistigen Gebildes pse_021.021 Sprache ihn doch an unmittelbarer Ausdrucksgestaltung pse_021.022 hindern könnte. Auf keinen Fall darf man die Sprache als pse_021.023 Vehikel der Dichtung ansehen, wie das im 19. Jahrhundert pse_021.024 etwa Fr. Th. Vischer tat. Damals glaubte man, die Dichtung pse_021.025 sei im Kopfe des Dichters schon völlig fertig und werde dann pse_021.026 in Sprache gebracht. Viel bedenklicher aber ist für den Dichter pse_021.027 eine andere Tatsache im Zusammenhang mit der Sprache. pse_021.028 Sie ist doch eines der wichtigsten, gebrauchtesten und auch pse_021.029 mißbrauchtesten Werkzeuge des Alltags. Daß sie dabei abgeschliffen, pse_021.030 verunstaltet, vereinseitigt wird, ist ohne weiteres pse_021.031 einzusehen. Da taucht drängend die Frage auf: und dieses pse_021.032 "Ding" soll auch für Dichtung "brauchbar sein?" Die Antwort, pse_021.033 daß auch ein Sophokles, Dante, Hölderlin diese Sprache pse_021.034 "benützt" haben, zwingt zur weiteren: ist das eine andere pse_021.035 Sprache oder, wenn nicht, was geht da vor, wenn wir von pse_021.036 Gretchens Lied im Zwinger aufs tiefste erschüttert werden? pse_021.037 Mit anderen Worten: eine Besinnung auf das Wesen der pse_021.038 Dichtung verlangt zuvor eine auf das Wesen der Sprache.
pse_021.001 wird aber im Laufe unserer Darlegungen immer deutlicher pse_021.002 werden. Der große Unterschied ruht, auch so viel ließ pse_021.003 sich andeutungsweise schon erkennen, in der Sprache. Während pse_021.004 Farben, Stein, Töne oder gar Erzeugung von Tönen pse_021.005 auf Instrumenten etwas Materielles sind, dem an sich kein pse_021.006 Sinn zukommt, ist Sprache als Sinnloses gar nicht denkbar, pse_021.007 Sinnhaftigkeit ist ein notwendiges Merkmal der Sprache. pse_021.008 Die Sprache ist selbst eine Schöpfung der Menschen, ist ein pse_021.009 reichgegliedertes Gebilde, das mit einer Sprachgemeinschaft pse_021.010 aufs engste zusammenhängt. Sprache ist ein kompliziertes pse_021.011 geistiges Gut! In ihr ist viel Geist, viel Schicksal, viel Ringen, pse_021.012 Wollen und Fühlen aufbewahrt. Niemals kann die Sprache pse_021.013 mit den »Mitteln« der anderen Künste auf eine Ebene gestellt pse_021.014 werden, denn sie ist selbst geistige Leistung von Gemeinschaften pse_021.015 und Ahnenreihen. Das bedingt von vornherein schon pse_021.016 eine ganz andere Ausgangslage für die Dichtung. Für den pse_021.017 Dichter scheint das zunächst ein Vorteil und ein Nachteil zu pse_021.018 sein: ein Vorteil, weil ein geistiges Gebilde von vornherein pse_021.019 ganz andere Möglichkeiten erschließt als eine Materie. Ein pse_021.020 Nachteil, weil die feste Prägung dieses geistigen Gebildes pse_021.021 Sprache ihn doch an unmittelbarer Ausdrucksgestaltung pse_021.022 hindern könnte. Auf keinen Fall darf man die Sprache als pse_021.023 Vehikel der Dichtung ansehen, wie das im 19. Jahrhundert pse_021.024 etwa Fr. Th. Vischer tat. Damals glaubte man, die Dichtung pse_021.025 sei im Kopfe des Dichters schon völlig fertig und werde dann pse_021.026 in Sprache gebracht. Viel bedenklicher aber ist für den Dichter pse_021.027 eine andere Tatsache im Zusammenhang mit der Sprache. pse_021.028 Sie ist doch eines der wichtigsten, gebrauchtesten und auch pse_021.029 mißbrauchtesten Werkzeuge des Alltags. Daß sie dabei abgeschliffen, pse_021.030 verunstaltet, vereinseitigt wird, ist ohne weiteres pse_021.031 einzusehen. Da taucht drängend die Frage auf: und dieses pse_021.032 »Ding« soll auch für Dichtung »brauchbar sein?« Die Antwort, pse_021.033 daß auch ein Sophokles, Dante, Hölderlin diese Sprache pse_021.034 »benützt« haben, zwingt zur weiteren: ist das eine andere pse_021.035 Sprache oder, wenn nicht, was geht da vor, wenn wir von pse_021.036 Gretchens Lied im Zwinger aufs tiefste erschüttert werden? pse_021.037 Mit anderen Worten: eine Besinnung auf das Wesen der pse_021.038 Dichtung verlangt zuvor eine auf das Wesen der Sprache.
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sich andeutungsweise schon erkennen, in der Sprache. Während pse_021.004
Farben, Stein, Töne oder gar Erzeugung von Tönen pse_021.005
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Die Sprache ist selbst eine Schöpfung der Menschen, ist ein pse_021.009
reichgegliedertes Gebilde, das mit einer Sprachgemeinschaft pse_021.010
aufs engste zusammenhängt. Sprache ist ein kompliziertes pse_021.011
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Wollen und Fühlen aufbewahrt. Niemals kann die Sprache pse_021.013
mit den »Mitteln« der anderen Künste auf eine Ebene gestellt pse_021.014
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verunstaltet, vereinseitigt wird, ist ohne weiteres pse_021.031
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»Ding« soll auch für Dichtung »brauchbar sein?« Die Antwort, pse_021.033
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Gretchens Lied im Zwinger aufs tiefste erschüttert werden? pse_021.037
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/37>, abgerufen am 03.12.2024.
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