Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.pse_431.001 Tief erniedrigt zu des Feigen Knechte, pse_431.002 Ging in ewigem Gefechte pse_431.003 Einst Alcid des Lebens schwere Bahn, pse_431.004 Rang mit Hydern und umarmt' den Leuen, pse_431.005 Stürzte sich, die Freunde zu befreien, pse_431.006 Lebend in des Totenschiffers Kahn. pse_431.007 Alle Plagen, alle Erdenlasten pse_431.008 Wälzt der unversöhnten Göttin List pse_431.009 Auf die willgen Schultern des Verhaßten, pse_431.010 Bis sein Lauf geendigt ist -- pse_431.011 Bis der Gott, des Irdischen entkleidet, pse_431.012 Flammend sich vom Menschen scheidet pse_431.013 Und des Äthers leichte Lüfte trinkt. pse_431.014 Froh des neuen, ungewohnten Schwebens, pse_431.015 Fließt er aufwärts, und des Erdenlebens pse_431.016 Schweres Traumbild sinkt und sinkt und sinkt. pse_431.017 Des Olympus Harmonien empfangen pse_431.018 Den Verklärten in Kronions Saal, pse_431.019 Und die Göttin mit den Rosenwangen pse_431.020 Reicht ihm lächelnd den Pokal. pse_431.021 pse_431.001 Tief erniedrigt zu des Feigen Knechte, pse_431.002 Ging in ewigem Gefechte pse_431.003 Einst Alcid des Lebens schwere Bahn, pse_431.004 Rang mit Hydern und umarmt' den Leuen, pse_431.005 Stürzte sich, die Freunde zu befreien, pse_431.006 Lebend in des Totenschiffers Kahn. pse_431.007 Alle Plagen, alle Erdenlasten pse_431.008 Wälzt der unversöhnten Göttin List pse_431.009 Auf die willgen Schultern des Verhaßten, pse_431.010 Bis sein Lauf geendigt ist — pse_431.011 Bis der Gott, des Irdischen entkleidet, pse_431.012 Flammend sich vom Menschen scheidet pse_431.013 Und des Äthers leichte Lüfte trinkt. pse_431.014 Froh des neuen, ungewohnten Schwebens, pse_431.015 Fließt er aufwärts, und des Erdenlebens pse_431.016 Schweres Traumbild sinkt und sinkt und sinkt. pse_431.017 Des Olympus Harmonien empfangen pse_431.018 Den Verklärten in Kronions Saal, pse_431.019 Und die Göttin mit den Rosenwangen pse_431.020 Reicht ihm lächelnd den Pokal. pse_431.021 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0447" n="431"/> <lb n="pse_431.001"/> <lg> <l> <hi rendition="#aq">Tief erniedrigt zu des Feigen Knechte,</hi> </l> <lb n="pse_431.002"/> <l> <hi rendition="#aq">Ging in ewigem Gefechte</hi> </l> <lb n="pse_431.003"/> <l> <hi rendition="#aq">Einst Alcid des Lebens schwere Bahn,</hi> </l> <lb n="pse_431.004"/> <l> <hi rendition="#aq">Rang mit Hydern und umarmt' den Leuen,</hi> </l> <lb n="pse_431.005"/> <l> <hi rendition="#aq">Stürzte sich, die Freunde zu befreien,</hi> </l> <lb n="pse_431.006"/> <l> <hi rendition="#aq">Lebend in des Totenschiffers Kahn.</hi> </l> <lb n="pse_431.007"/> <l> <hi rendition="#aq">Alle Plagen, alle Erdenlasten</hi> </l> <lb n="pse_431.008"/> <l> <hi rendition="#aq">Wälzt der unversöhnten Göttin List</hi> </l> <lb n="pse_431.009"/> <l> <hi rendition="#aq">Auf die willgen Schultern des Verhaßten,</hi> </l> <lb n="pse_431.010"/> <l> <hi rendition="#aq">Bis sein Lauf geendigt ist — </hi> </l> </lg> <lg> <lb n="pse_431.011"/> <l> <hi rendition="#aq">Bis der Gott, des Irdischen entkleidet,</hi> </l> <lb n="pse_431.012"/> <l> <hi rendition="#aq">Flammend sich vom Menschen scheidet</hi> </l> <lb n="pse_431.013"/> <l> <hi rendition="#aq">Und des Äthers leichte Lüfte trinkt.</hi> </l> <lb n="pse_431.014"/> <l> <hi rendition="#aq">Froh des neuen, ungewohnten Schwebens,</hi> </l> <lb n="pse_431.015"/> <l> <hi rendition="#aq">Fließt er aufwärts, und des Erdenlebens</hi> </l> <lb n="pse_431.016"/> <l> <hi rendition="#aq">Schweres Traumbild sinkt und sinkt und sinkt.</hi> </l> <lb n="pse_431.017"/> <l> <hi rendition="#aq">Des Olympus Harmonien empfangen</hi> </l> <lb n="pse_431.018"/> <l> <hi rendition="#aq">Den Verklärten in Kronions Saal,</hi> </l> <lb n="pse_431.019"/> <l> <hi rendition="#aq">Und die Göttin mit den Rosenwangen</hi> </l> <lb n="pse_431.020"/> <l> <hi rendition="#aq">Reicht ihm lächelnd den Pokal.</hi> </l> </lg> <p><lb n="pse_431.021"/> Nun aber bietet die Gedankenlyrik tatsächlich Schwierigkeiten, <lb n="pse_431.022"/> die zu ernsten Gefahren für das Dichterische führen. <lb n="pse_431.023"/> Die Prägung gedanklicher Zusammenhänge verlangt an sich <lb n="pse_431.024"/> schon geistige Anspannung. Auch der Denker und der Wissenschaftler <lb n="pse_431.025"/> muß um die richtige und beste sprachliche Darstellungsweise <lb n="pse_431.026"/> ringen. Wenn nun jemand es damit bewenden <lb n="pse_431.027"/> läßt und dem Gedachten nur ein metrisches Mäntelchen umhängt <lb n="pse_431.028"/> und gezwungene Reime hineinflickt, dann entsteht <lb n="pse_431.029"/> kein Gedicht, sondern eine versifizierte Abhandlung. Da das <lb n="pse_431.030"/> so häufig der Fall ist, kam auch die Gedankenlyrik so oft in <lb n="pse_431.031"/> Verruf. Die sprachlich-dichterische Gestaltung ist die entscheidende <lb n="pse_431.032"/> Leistung. Sie zeigt sich in der Umformung alles <lb n="pse_431.033"/> Gedanklichen, alles Sachdarstellerischen in reine Sprachkunst. <lb n="pse_431.034"/> Die einzelnen Stilkräfte müssen in ihrer Fügung und in <lb n="pse_431.035"/> ihrem Zusammenwirken aus sich heraus das dichterische Gebilde <lb n="pse_431.036"/> aufbauen. Anrufe und Ausrufe führen schon aus der <lb n="pse_431.037"/> rationalen Darstellung heraus. Wesentlich ist auch die Dynamik <lb n="pse_431.038"/> der Redebewegung, am wichtigsten aber ist die Gestaltung <lb n="pse_431.039"/> durch das sprachliche Bild. Alle diese stilistischen Kräfte <lb n="pse_431.040"/> selber aber könnten nur zu rhetorischer Umhüllung und Verbrämung <lb n="pse_431.041"/> führen, wenn sie nicht wirklich Gestaltung innerer </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [431/0447]
pse_431.001
Tief erniedrigt zu des Feigen Knechte, pse_431.002
Ging in ewigem Gefechte pse_431.003
Einst Alcid des Lebens schwere Bahn, pse_431.004
Rang mit Hydern und umarmt' den Leuen, pse_431.005
Stürzte sich, die Freunde zu befreien, pse_431.006
Lebend in des Totenschiffers Kahn. pse_431.007
Alle Plagen, alle Erdenlasten pse_431.008
Wälzt der unversöhnten Göttin List pse_431.009
Auf die willgen Schultern des Verhaßten, pse_431.010
Bis sein Lauf geendigt ist —
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Bis der Gott, des Irdischen entkleidet, pse_431.012
Flammend sich vom Menschen scheidet pse_431.013
Und des Äthers leichte Lüfte trinkt. pse_431.014
Froh des neuen, ungewohnten Schwebens, pse_431.015
Fließt er aufwärts, und des Erdenlebens pse_431.016
Schweres Traumbild sinkt und sinkt und sinkt. pse_431.017
Des Olympus Harmonien empfangen pse_431.018
Den Verklärten in Kronions Saal, pse_431.019
Und die Göttin mit den Rosenwangen pse_431.020
Reicht ihm lächelnd den Pokal.
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Nun aber bietet die Gedankenlyrik tatsächlich Schwierigkeiten, pse_431.022
die zu ernsten Gefahren für das Dichterische führen. pse_431.023
Die Prägung gedanklicher Zusammenhänge verlangt an sich pse_431.024
schon geistige Anspannung. Auch der Denker und der Wissenschaftler pse_431.025
muß um die richtige und beste sprachliche Darstellungsweise pse_431.026
ringen. Wenn nun jemand es damit bewenden pse_431.027
läßt und dem Gedachten nur ein metrisches Mäntelchen umhängt pse_431.028
und gezwungene Reime hineinflickt, dann entsteht pse_431.029
kein Gedicht, sondern eine versifizierte Abhandlung. Da das pse_431.030
so häufig der Fall ist, kam auch die Gedankenlyrik so oft in pse_431.031
Verruf. Die sprachlich-dichterische Gestaltung ist die entscheidende pse_431.032
Leistung. Sie zeigt sich in der Umformung alles pse_431.033
Gedanklichen, alles Sachdarstellerischen in reine Sprachkunst. pse_431.034
Die einzelnen Stilkräfte müssen in ihrer Fügung und in pse_431.035
ihrem Zusammenwirken aus sich heraus das dichterische Gebilde pse_431.036
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rationalen Darstellung heraus. Wesentlich ist auch die Dynamik pse_431.038
der Redebewegung, am wichtigsten aber ist die Gestaltung pse_431.039
durch das sprachliche Bild. Alle diese stilistischen Kräfte pse_431.040
selber aber könnten nur zu rhetorischer Umhüllung und Verbrämung pse_431.041
führen, wenn sie nicht wirklich Gestaltung innerer
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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