pse_477.001 ermöglicht es dem Dichter, den Erzähler über dem Standpunkt pse_477.002 des Erlebenden stehen zu lassen, schon die Zukunft pse_477.003 zu wissen und damit die Gestaltung entsprechend zu tönen, pse_477.004 zugleich ein viel höheres Maß an Lebenserfahrung und -reife pse_477.005 den Worten des Erzählers einzuverleiben. Trotzdem bleibt die pse_477.006 individuelle Bindung an den erlebenden Ismael auch künstlerisch pse_477.007 wirksam: vor allem in der viel größeren Intensität pse_477.008 der Darstellung. Diese eigenartige künstlerische Formung pse_477.009 des erzählenden Ich führt auf die vielen Möglichkeiten, wie pse_477.010 dieses Ich in den Bau der Erzählung eingefügt sein kann. Es pse_477.011 kann die Hauptgestalt des epischen Werkes sein, wie im pse_477.012 "David Copperfield", im "Grünen Heinrich" und im "Nachsommer". pse_477.013 Dabei zeigt sich allerdings etwas Eigenartiges: daß pse_477.014 dieses Ich oft etwas blaß bleibt. Es entfaltet aus seiner Schau pse_477.015 die Welt um sich in großer Fülle und Eindringlichkeit, bleibt pse_477.016 aber selber weniger ausgeprägt. Das ist bei David Copperfield pse_477.017 besonders deutlich. Es fragt sich aber, ob es dem Dichter pse_477.018 nicht doch gelingen kann, das Ich als Hauptgestalt eben in der pse_477.019 Spiegelung der Welt eindringlich als Persönlichkeit herauszuheben. pse_477.020 Der grüne Heinrich jedenfalls und auch Heinrich pse_477.021 im "Nachsommer" -- natürlich im Rahmen der Stifterschen pse_477.022 Art der Menschengestaltung -- sind doch individuell verhältnismäßig pse_477.023 lebendig und füllig. Vielfach ist aber das Ich eine pse_477.024 Nebengestalt, also wirklich mehr ein erlebender Zuschauer, pse_477.025 also die Person, von der aus das ganze Geschehen gestaltet pse_477.026 und gefärbt erscheint. Das ist im "Moby Dick" sehr deutlich, pse_477.027 aber ebenso in Stifters "Brigitta": Das Erzähler-Ich bringt die pse_477.028 Möglichkeit des stimmungsvollen Rahmens nicht bloß in pse_477.029 der Wanderung, sondern auch im Zusammenleben mit den pse_477.030 beiden Hauptgestalten. Besonders die letzte Szene der Versöhnung pse_477.031 zwischen Murai und Brigitta bekommt dadurch, pse_477.032 daß sie sich im Gemüt eines mitlebenden Freundes spiegelt, pse_477.033 eine vornehme Dämpfung der sonst drohenden Grellheit, zugleich pse_477.034 aber eine menschliche Vertiefung durch die ergriffene pse_477.035 Teilnahme eines Dritten. Überdies aber vollzieht sich hier pse_477.036 mit der Nebengestalt des Erzählers selbst eine Wandlung: pse_477.037 er verläßt als anderer, tiefer, gereifter, zum Leben und seinem pse_477.038 Bestehen tüchtiger seine Freunde und will in seinem Vaterlande
pse_477.001 ermöglicht es dem Dichter, den Erzähler über dem Standpunkt pse_477.002 des Erlebenden stehen zu lassen, schon die Zukunft pse_477.003 zu wissen und damit die Gestaltung entsprechend zu tönen, pse_477.004 zugleich ein viel höheres Maß an Lebenserfahrung und -reife pse_477.005 den Worten des Erzählers einzuverleiben. Trotzdem bleibt die pse_477.006 individuelle Bindung an den erlebenden Ismael auch künstlerisch pse_477.007 wirksam: vor allem in der viel größeren Intensität pse_477.008 der Darstellung. Diese eigenartige künstlerische Formung pse_477.009 des erzählenden Ich führt auf die vielen Möglichkeiten, wie pse_477.010 dieses Ich in den Bau der Erzählung eingefügt sein kann. Es pse_477.011 kann die Hauptgestalt des epischen Werkes sein, wie im pse_477.012 »David Copperfield«, im »Grünen Heinrich« und im »Nachsommer«. pse_477.013 Dabei zeigt sich allerdings etwas Eigenartiges: daß pse_477.014 dieses Ich oft etwas blaß bleibt. Es entfaltet aus seiner Schau pse_477.015 die Welt um sich in großer Fülle und Eindringlichkeit, bleibt pse_477.016 aber selber weniger ausgeprägt. Das ist bei David Copperfield pse_477.017 besonders deutlich. Es fragt sich aber, ob es dem Dichter pse_477.018 nicht doch gelingen kann, das Ich als Hauptgestalt eben in der pse_477.019 Spiegelung der Welt eindringlich als Persönlichkeit herauszuheben. pse_477.020 Der grüne Heinrich jedenfalls und auch Heinrich pse_477.021 im »Nachsommer« — natürlich im Rahmen der Stifterschen pse_477.022 Art der Menschengestaltung — sind doch individuell verhältnismäßig pse_477.023 lebendig und füllig. Vielfach ist aber das Ich eine pse_477.024 Nebengestalt, also wirklich mehr ein erlebender Zuschauer, pse_477.025 also die Person, von der aus das ganze Geschehen gestaltet pse_477.026 und gefärbt erscheint. Das ist im »Moby Dick« sehr deutlich, pse_477.027 aber ebenso in Stifters »Brigitta«: Das Erzähler-Ich bringt die pse_477.028 Möglichkeit des stimmungsvollen Rahmens nicht bloß in pse_477.029 der Wanderung, sondern auch im Zusammenleben mit den pse_477.030 beiden Hauptgestalten. Besonders die letzte Szene der Versöhnung pse_477.031 zwischen Murai und Brigitta bekommt dadurch, pse_477.032 daß sie sich im Gemüt eines mitlebenden Freundes spiegelt, pse_477.033 eine vornehme Dämpfung der sonst drohenden Grellheit, zugleich pse_477.034 aber eine menschliche Vertiefung durch die ergriffene pse_477.035 Teilnahme eines Dritten. Überdies aber vollzieht sich hier pse_477.036 mit der Nebengestalt des Erzählers selbst eine Wandlung: pse_477.037 er verläßt als anderer, tiefer, gereifter, zum Leben und seinem pse_477.038 Bestehen tüchtiger seine Freunde und will in seinem Vaterlande
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zu wissen und damit die Gestaltung entsprechend zu tönen, pse_477.004
zugleich ein viel höheres Maß an Lebenserfahrung und -reife pse_477.005
den Worten des Erzählers einzuverleiben. Trotzdem bleibt die pse_477.006
individuelle Bindung an den erlebenden Ismael auch künstlerisch pse_477.007
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dieses Ich in den Bau der Erzählung eingefügt sein kann. Es pse_477.011
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»David Copperfield«, im »Grünen Heinrich« und im »Nachsommer«. pse_477.013
Dabei zeigt sich allerdings etwas Eigenartiges: daß pse_477.014
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Der grüne Heinrich jedenfalls und auch Heinrich pse_477.021
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also die Person, von der aus das ganze Geschehen gestaltet pse_477.026
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aber ebenso in Stifters »Brigitta«: Das Erzähler-Ich bringt die pse_477.028
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/493>, abgerufen am 22.11.2024.
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