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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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Vorgang einen tieferen Sinn eröffnen, so daß er dadurch auf pse_503.002
höhere Ebene gehoben, in wesenhaftere Beleuchtung gerückt pse_503.003
wird; daß ferner Symbole gerade im Fortlauf des Erzählens pse_503.004
der Gliederung dienen können, indem sie bedeutsame Stellen pse_503.005
herausheben. Zugleich wirken sich die Symbole im breiten pse_503.006
und im knappen Erzählen verschieden aus. In den breiten pse_503.007
Formen verbinden sie die Teile und erzeugen so den Eindruck pse_503.008
des Zusammenhangs und einer Gesamtbewegung, so die pse_503.009
vielen Bildungssymbole im "Nachsommer" und die Waldrose pse_503.010
im "Witiko". In der knappen Epik ermöglichen Symbole die pse_503.011
Verdichtung in knappste Gestaltung, die doch das Tiefere, das pse_503.012
Hintergründige ahnen läßt: das Spiel des armen Spielmanns pse_503.013
bei Grillparzer, die fremden Gestalten im "Tod in Venedig", pse_503.014
der Schleier in der Novelle von E. Strauß.

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Auch die dichterische Weltauffassung gibt der erzählenden pse_503.016
Dichtung die Vertiefung auf letzte und höchste Gehalte. Im pse_503.017
Ernst oder in der Heiterkeit solcher Weltauffassung erhält das pse_503.018
Weltbild der Epik das Menschliche, zugleich aber die Lebensbedeutsamkeit. pse_503.019
Damit sind die Fragen von Tragik, Komik pse_503.020
und Humor in der Epik angeschnitten. Ursprünglich liegt pse_503.021
breitem epischem Weltgestalten durchgehende Tragik nicht, pse_503.022
was tragische Einzelepisoden nicht ausschließt. Aber das pse_503.023
Weltbild breiter Epik ist zu umfassend, als daß es zu reinen pse_503.024
Erschütterungen endgültiger Art kommen könnte. Erst im pse_503.025
19. Jahrhundert bricht auch in solcher Epik tragische Grundhaltung pse_503.026
durch. Aber sie unterscheidet sich von der im Drama. pse_503.027
Denn gemäß der epischen Grundhaltung und dem breiten pse_503.028
Erzählen kommt es hier auf die Erschütterung an, die durch pse_503.029
die gesamten Seinsmächte, in die menschliches Handeln eingefügt pse_503.030
ist, erstehen, am eindrucksvollsten in Goethes "Wahlverwandtschaften". pse_503.031
Hier erscheint uns die absolute Widersprüchlichkeit pse_503.032
der Welt unauflösbar: die Unbedingtheit der pse_503.033
Liebe als einer Naturmacht und die Unbedingtheit menschlicher pse_503.034
Sittlichkeit als Grundlage jeglicher Menschengemeinschaft, pse_503.035
die damit selber wieder in den höheren Naturbereich pse_503.036
steigt, führen zu einer höchsten Gegensätzlichkeit, die nicht pse_503.037
mehr überwölbbar ist. Auch in der ersten Fassung des pse_503.038
"Grünen Heinrich" und im "Dr. Faustus" haben wir es mit

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Vorgang einen tieferen Sinn eröffnen, so daß er dadurch auf pse_503.002
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und im knappen Erzählen verschieden aus. In den breiten pse_503.007
Formen verbinden sie die Teile und erzeugen so den Eindruck pse_503.008
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Verdichtung in knappste Gestaltung, die doch das Tiefere, das pse_503.012
Hintergründige ahnen läßt: das Spiel des armen Spielmanns pse_503.013
bei Grillparzer, die fremden Gestalten im »Tod in Venedig«, pse_503.014
der Schleier in der Novelle von E. Strauß.

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Auch die dichterische Weltauffassung gibt der erzählenden pse_503.016
Dichtung die Vertiefung auf letzte und höchste Gehalte. Im pse_503.017
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und Humor in der Epik angeschnitten. Ursprünglich liegt pse_503.021
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was tragische Einzelepisoden nicht ausschließt. Aber das pse_503.023
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Erschütterungen endgültiger Art kommen könnte. Erst im pse_503.025
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Erzählen kommt es hier auf die Erschütterung an, die durch pse_503.029
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Sittlichkeit als Grundlage jeglicher Menschengemeinschaft, pse_503.035
die damit selber wieder in den höheren Naturbereich pse_503.036
steigt, führen zu einer höchsten Gegensätzlichkeit, die nicht pse_503.037
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/519>, abgerufen am 01.06.2024.