pse_504.001 solchen tragischen Dichtungen großen Ausmaßes zu tun. pse_504.002 Aber es bleibt doch die Frage, ob gerade die Großepik nicht pse_504.003 gemäß ihrer Art immer auch Bereiche öffnet, durch die eine pse_504.004 Lösung der Tragik, ein Hindurchschreiten zu höheren Ebenen pse_504.005 möglich wird. Anders in der knappen Epik. Hier zeigen vor pse_504.006 allem das altgermanische Heldenlied, die Ballade und die pse_504.007 Novelle, vor allem die Kleists, echte Tragik: das Herausarbeiten pse_504.008 von Vorgängen und Situationen, in denen sich ein pse_504.009 Abgrund auftut, der tiefste und echte Erschütterung auslöst. pse_504.010 Damit öffnen auch sie Blicke ins Wesenhafte, hier von der pse_504.011 düsteren Seite.
pse_504.012 Das geistreiche Bewältigen der widersprüchlichen Welt in pse_504.013 der Komik und in der Gestaltung des Grotesken ist als Gesamthaltung pse_504.014 der breiten Epik selten anzutreffen. Denn beide pse_504.015 Haltungen wirken sich mehr in scharf umgrenzten Lagen und pse_504.016 Handlungen aus, weniger in breiten Entfaltungen, die ihnen pse_504.017 sofort etwas von ihrer Schärfe nehmen müßten. Daher sind pse_504.018 sie wohl in Teilen, in Episoden großepischer Werke durchaus pse_504.019 möglich. Aber eine ganze große, in allen Bereichen entfaltete pse_504.020 Welt als lächerlich oder grotesk zu erleben und zu gestalten, pse_504.021 geht wohl über menschliche Möglichkeit hinaus -- oder: man pse_504.022 verzichtet auf großepische Gestaltung. In der knappen Erzählung pse_504.023 dagegen sind gerade solche Haltungen besonders pse_504.024 möglich und wirksam. Man denke an Boccaccios Novellen, pse_504.025 an die von E. T. A. Hoffmann und endlich daran, daß das pse_504.026 Groteske besonders in der modernen Kurzgeschichte sich auswirken pse_504.027 kann. Dagegen ist nun der Humor eine menschliche pse_504.028 Grundhaltung, die der breiten Epik besonders liegt. Denn im pse_504.029 Humor erkennt der Mensch zwar die Bedingtheit alles Endlichen pse_504.030 durch das Unendliche, und damit die Unzulänglichkeit pse_504.031 des Menschen, aber er erhebt sich eben durch den Glauben an pse_504.032 etwas Höheres über diese Unzulänglichkeiten, duldet und belächelt pse_504.033 sie, gerade auch dann, wenn der Mensch einmal durch pse_504.034 alle Tiefen der Erschütterung hat durchgehen müssen. So pse_504.035 kommt es zum freien, umfassenden und großen Weltbild. pse_504.036 Die großen Humoristen der Weltliteratur sind Epiker, die pse_504.037 besonders die breite Form des Erzählens pflegen: Cervantes, pse_504.038 Fielding, Dickens, Jean Paul, Raabe, Kurt Kluge.
pse_504.001 solchen tragischen Dichtungen großen Ausmaßes zu tun. pse_504.002 Aber es bleibt doch die Frage, ob gerade die Großepik nicht pse_504.003 gemäß ihrer Art immer auch Bereiche öffnet, durch die eine pse_504.004 Lösung der Tragik, ein Hindurchschreiten zu höheren Ebenen pse_504.005 möglich wird. Anders in der knappen Epik. Hier zeigen vor pse_504.006 allem das altgermanische Heldenlied, die Ballade und die pse_504.007 Novelle, vor allem die Kleists, echte Tragik: das Herausarbeiten pse_504.008 von Vorgängen und Situationen, in denen sich ein pse_504.009 Abgrund auftut, der tiefste und echte Erschütterung auslöst. pse_504.010 Damit öffnen auch sie Blicke ins Wesenhafte, hier von der pse_504.011 düsteren Seite.
pse_504.012 Das geistreiche Bewältigen der widersprüchlichen Welt in pse_504.013 der Komik und in der Gestaltung des Grotesken ist als Gesamthaltung pse_504.014 der breiten Epik selten anzutreffen. Denn beide pse_504.015 Haltungen wirken sich mehr in scharf umgrenzten Lagen und pse_504.016 Handlungen aus, weniger in breiten Entfaltungen, die ihnen pse_504.017 sofort etwas von ihrer Schärfe nehmen müßten. Daher sind pse_504.018 sie wohl in Teilen, in Episoden großepischer Werke durchaus pse_504.019 möglich. Aber eine ganze große, in allen Bereichen entfaltete pse_504.020 Welt als lächerlich oder grotesk zu erleben und zu gestalten, pse_504.021 geht wohl über menschliche Möglichkeit hinaus — oder: man pse_504.022 verzichtet auf großepische Gestaltung. In der knappen Erzählung pse_504.023 dagegen sind gerade solche Haltungen besonders pse_504.024 möglich und wirksam. Man denke an Boccaccios Novellen, pse_504.025 an die von E. T. A. Hoffmann und endlich daran, daß das pse_504.026 Groteske besonders in der modernen Kurzgeschichte sich auswirken pse_504.027 kann. Dagegen ist nun der Humor eine menschliche pse_504.028 Grundhaltung, die der breiten Epik besonders liegt. Denn im pse_504.029 Humor erkennt der Mensch zwar die Bedingtheit alles Endlichen pse_504.030 durch das Unendliche, und damit die Unzulänglichkeit pse_504.031 des Menschen, aber er erhebt sich eben durch den Glauben an pse_504.032 etwas Höheres über diese Unzulänglichkeiten, duldet und belächelt pse_504.033 sie, gerade auch dann, wenn der Mensch einmal durch pse_504.034 alle Tiefen der Erschütterung hat durchgehen müssen. So pse_504.035 kommt es zum freien, umfassenden und großen Weltbild. pse_504.036 Die großen Humoristen der Weltliteratur sind Epiker, die pse_504.037 besonders die breite Form des Erzählens pflegen: Cervantes, pse_504.038 Fielding, Dickens, Jean Paul, Raabe, Kurt Kluge.
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der Komik und in der Gestaltung des Grotesken ist als Gesamthaltung pse_504.014
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 504. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/520>, abgerufen am 24.11.2024.
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