pse_507.001 Arten zu scharf zu ziehen, da man sonst geschichtliche Entwicklungen pse_507.002 und Differenzierungen vergewaltigt. Man sollte pse_507.003 mehr an Mittelpunkte mit Ausstrahlungen und Überschneidungen pse_507.004 denken. Die künstlerische Gestaltung muß dabei pse_507.005 als Einteilungsgrund vorherrschen, inhaltliche Einteilungen pse_507.006 (Abenteuerroman, Gespensterballade usw.) sind uferlos und pse_507.007 künstlerisch unwesentlich. Am umfassendsten scheint die Einteilung pse_507.008 in Kurzepik und Großepik zu sein. Sie fußt auf den pse_507.009 beiden Formen des knappen und des breiten Erzählens und pse_507.010 wirkt sich vom Sprachgebilde bis zu den letzten Zusammenhängen pse_507.011 des Aufbaus aus, scheidet also auch verschieden gestaltete pse_507.012 Weltbilder.
pse_507.013 Kurzepik
pse_507.014 Sie erwächst aus dem knappen, aufgeregten Erzählen. Die pse_507.015 Ereignisse ballen sich, man kann geradezu von Schicksalsballung pse_507.016 sprechen. Solches Erzählen springt von Höhe zu pse_507.017 Höhe oder führt über starke Steigerungen. Daher arbeitet es pse_507.018 mit Spannung. Darin ruhen auch die vielfach engen Beziehungen pse_507.019 zur dramatischen Kunst, zumal ja solche Ballung pse_507.020 Klüfte und Spaltungen eher aufreißt als breites Erzählen. pse_507.021 Doch kann man innerhalb der Kurzepik neben strengen Formen pse_507.022 auch lockerere finden, die freier in der Anlage sind und pse_507.023 die Gefahren schroffer Gestaltung glätten. Die Scheidung von pse_507.024 Vers- und Prosadichtung innerhalb der Kurzepik ist sekundär. pse_507.025 In früheren Zeiten herrschte die Versdichtung, heute die pse_507.026 Prosadichtung vor. Die Strukturgrundsätze sind innerhalb des pse_507.027 knappen Erzählens durchaus ähnlich, nur gestaltet Versdichtung pse_507.028 noch mehr über den Alltag hinaus ins Wesenhafte. Zu pse_507.029 den strengen Formen der Kurzepik zählen wir im Rahmen der pse_507.030 Versdichtung das altgermanische Heldenlied, die Ballade, im pse_507.031 Rahmen der Prosadichtung die Novelle, die Anekdote und pse_507.032 die Kurzgeschichte.
pse_507.033 Das altgermanische Heldenlied ist ein geschichtliches Gebilde. pse_507.034 Aber so einzigartig, daß es einen Typus für sich darstellt. Es pse_507.035 ist aber durchaus möglich, daß wir in ihm nur einen geschichtlichen pse_507.036 Vertreter greifen, andere Erscheinungsformen uns pse_507.037 nicht erhalten sind. Geschichtliches gibt dem Heldenlied
pse_507.001 Arten zu scharf zu ziehen, da man sonst geschichtliche Entwicklungen pse_507.002 und Differenzierungen vergewaltigt. Man sollte pse_507.003 mehr an Mittelpunkte mit Ausstrahlungen und Überschneidungen pse_507.004 denken. Die künstlerische Gestaltung muß dabei pse_507.005 als Einteilungsgrund vorherrschen, inhaltliche Einteilungen pse_507.006 (Abenteuerroman, Gespensterballade usw.) sind uferlos und pse_507.007 künstlerisch unwesentlich. Am umfassendsten scheint die Einteilung pse_507.008 in Kurzepik und Großepik zu sein. Sie fußt auf den pse_507.009 beiden Formen des knappen und des breiten Erzählens und pse_507.010 wirkt sich vom Sprachgebilde bis zu den letzten Zusammenhängen pse_507.011 des Aufbaus aus, scheidet also auch verschieden gestaltete pse_507.012 Weltbilder.
pse_507.013 Kurzepik
pse_507.014 Sie erwächst aus dem knappen, aufgeregten Erzählen. Die pse_507.015 Ereignisse ballen sich, man kann geradezu von Schicksalsballung pse_507.016 sprechen. Solches Erzählen springt von Höhe zu pse_507.017 Höhe oder führt über starke Steigerungen. Daher arbeitet es pse_507.018 mit Spannung. Darin ruhen auch die vielfach engen Beziehungen pse_507.019 zur dramatischen Kunst, zumal ja solche Ballung pse_507.020 Klüfte und Spaltungen eher aufreißt als breites Erzählen. pse_507.021 Doch kann man innerhalb der Kurzepik neben strengen Formen pse_507.022 auch lockerere finden, die freier in der Anlage sind und pse_507.023 die Gefahren schroffer Gestaltung glätten. Die Scheidung von pse_507.024 Vers- und Prosadichtung innerhalb der Kurzepik ist sekundär. pse_507.025 In früheren Zeiten herrschte die Versdichtung, heute die pse_507.026 Prosadichtung vor. Die Strukturgrundsätze sind innerhalb des pse_507.027 knappen Erzählens durchaus ähnlich, nur gestaltet Versdichtung pse_507.028 noch mehr über den Alltag hinaus ins Wesenhafte. Zu pse_507.029 den strengen Formen der Kurzepik zählen wir im Rahmen der pse_507.030 Versdichtung das altgermanische Heldenlied, die Ballade, im pse_507.031 Rahmen der Prosadichtung die Novelle, die Anekdote und pse_507.032 die Kurzgeschichte.
pse_507.033 Das altgermanische Heldenlied ist ein geschichtliches Gebilde. pse_507.034 Aber so einzigartig, daß es einen Typus für sich darstellt. Es pse_507.035 ist aber durchaus möglich, daß wir in ihm nur einen geschichtlichen pse_507.036 Vertreter greifen, andere Erscheinungsformen uns pse_507.037 nicht erhalten sind. Geschichtliches gibt dem Heldenlied
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0523"n="507"/><lbn="pse_507.001"/>
Arten zu scharf zu ziehen, da man sonst geschichtliche Entwicklungen <lbn="pse_507.002"/>
und Differenzierungen vergewaltigt. Man sollte <lbn="pse_507.003"/>
mehr an Mittelpunkte mit Ausstrahlungen und Überschneidungen <lbn="pse_507.004"/>
denken. Die künstlerische Gestaltung muß dabei <lbn="pse_507.005"/>
als Einteilungsgrund vorherrschen, inhaltliche Einteilungen <lbn="pse_507.006"/>
(Abenteuerroman, Gespensterballade usw.) sind uferlos und <lbn="pse_507.007"/>
künstlerisch unwesentlich. Am umfassendsten scheint die Einteilung <lbn="pse_507.008"/>
in Kurzepik und Großepik zu sein. Sie fußt auf den <lbn="pse_507.009"/>
beiden Formen des knappen und des breiten Erzählens und <lbn="pse_507.010"/>
wirkt sich vom Sprachgebilde bis zu den letzten Zusammenhängen <lbn="pse_507.011"/>
des Aufbaus aus, scheidet also auch verschieden gestaltete <lbn="pse_507.012"/>
Weltbilder.</p><divn="4"><lbn="pse_507.013"/><head><hirendition="#c"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">Kurzepik</hi></hi></hi></head><p><lbn="pse_507.014"/>
Sie erwächst aus dem knappen, aufgeregten Erzählen. Die <lbn="pse_507.015"/>
Ereignisse ballen sich, man kann geradezu von Schicksalsballung <lbn="pse_507.016"/>
sprechen. Solches Erzählen springt von Höhe zu <lbn="pse_507.017"/>
Höhe oder führt über starke Steigerungen. Daher arbeitet es <lbn="pse_507.018"/>
mit Spannung. Darin ruhen auch die vielfach engen Beziehungen <lbn="pse_507.019"/>
zur dramatischen Kunst, zumal ja solche Ballung <lbn="pse_507.020"/>
Klüfte und Spaltungen eher aufreißt als breites Erzählen. <lbn="pse_507.021"/>
Doch kann man innerhalb der Kurzepik neben strengen Formen <lbn="pse_507.022"/>
auch lockerere finden, die freier in der Anlage sind und <lbn="pse_507.023"/>
die Gefahren schroffer Gestaltung glätten. Die Scheidung von <lbn="pse_507.024"/>
Vers- und Prosadichtung innerhalb der Kurzepik ist sekundär. <lbn="pse_507.025"/>
In früheren Zeiten herrschte die Versdichtung, heute die <lbn="pse_507.026"/>
Prosadichtung vor. Die Strukturgrundsätze sind innerhalb des <lbn="pse_507.027"/>
knappen Erzählens durchaus ähnlich, nur gestaltet Versdichtung <lbn="pse_507.028"/>
noch mehr über den Alltag hinaus ins Wesenhafte. Zu <lbn="pse_507.029"/>
den <hirendition="#i">strengen Formen</hi> der Kurzepik zählen wir im Rahmen der <lbn="pse_507.030"/>
Versdichtung das altgermanische Heldenlied, die Ballade, im <lbn="pse_507.031"/>
Rahmen der Prosadichtung die Novelle, die Anekdote und <lbn="pse_507.032"/>
die Kurzgeschichte.</p><p><lbn="pse_507.033"/>
Das <hirendition="#i">altgermanische Heldenlied</hi> ist ein geschichtliches Gebilde. <lbn="pse_507.034"/>
Aber so einzigartig, daß es einen Typus für sich darstellt. Es <lbn="pse_507.035"/>
ist aber durchaus möglich, daß wir in ihm nur einen geschichtlichen <lbn="pse_507.036"/>
Vertreter greifen, andere Erscheinungsformen uns <lbn="pse_507.037"/>
nicht erhalten sind. Geschichtliches gibt dem Heldenlied
</p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[507/0523]
pse_507.001
Arten zu scharf zu ziehen, da man sonst geschichtliche Entwicklungen pse_507.002
und Differenzierungen vergewaltigt. Man sollte pse_507.003
mehr an Mittelpunkte mit Ausstrahlungen und Überschneidungen pse_507.004
denken. Die künstlerische Gestaltung muß dabei pse_507.005
als Einteilungsgrund vorherrschen, inhaltliche Einteilungen pse_507.006
(Abenteuerroman, Gespensterballade usw.) sind uferlos und pse_507.007
künstlerisch unwesentlich. Am umfassendsten scheint die Einteilung pse_507.008
in Kurzepik und Großepik zu sein. Sie fußt auf den pse_507.009
beiden Formen des knappen und des breiten Erzählens und pse_507.010
wirkt sich vom Sprachgebilde bis zu den letzten Zusammenhängen pse_507.011
des Aufbaus aus, scheidet also auch verschieden gestaltete pse_507.012
Weltbilder.
pse_507.013
Kurzepik pse_507.014
Sie erwächst aus dem knappen, aufgeregten Erzählen. Die pse_507.015
Ereignisse ballen sich, man kann geradezu von Schicksalsballung pse_507.016
sprechen. Solches Erzählen springt von Höhe zu pse_507.017
Höhe oder führt über starke Steigerungen. Daher arbeitet es pse_507.018
mit Spannung. Darin ruhen auch die vielfach engen Beziehungen pse_507.019
zur dramatischen Kunst, zumal ja solche Ballung pse_507.020
Klüfte und Spaltungen eher aufreißt als breites Erzählen. pse_507.021
Doch kann man innerhalb der Kurzepik neben strengen Formen pse_507.022
auch lockerere finden, die freier in der Anlage sind und pse_507.023
die Gefahren schroffer Gestaltung glätten. Die Scheidung von pse_507.024
Vers- und Prosadichtung innerhalb der Kurzepik ist sekundär. pse_507.025
In früheren Zeiten herrschte die Versdichtung, heute die pse_507.026
Prosadichtung vor. Die Strukturgrundsätze sind innerhalb des pse_507.027
knappen Erzählens durchaus ähnlich, nur gestaltet Versdichtung pse_507.028
noch mehr über den Alltag hinaus ins Wesenhafte. Zu pse_507.029
den strengen Formen der Kurzepik zählen wir im Rahmen der pse_507.030
Versdichtung das altgermanische Heldenlied, die Ballade, im pse_507.031
Rahmen der Prosadichtung die Novelle, die Anekdote und pse_507.032
die Kurzgeschichte.
pse_507.033
Das altgermanische Heldenlied ist ein geschichtliches Gebilde. pse_507.034
Aber so einzigartig, daß es einen Typus für sich darstellt. Es pse_507.035
ist aber durchaus möglich, daß wir in ihm nur einen geschichtlichen pse_507.036
Vertreter greifen, andere Erscheinungsformen uns pse_507.037
nicht erhalten sind. Geschichtliches gibt dem Heldenlied
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/523>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.