pse_532.001 Blicke auf andere Weltbereiche, und beide werden durch ihre pse_532.002 Bezugstiftung im Gleichnis in besonderer Sicht gegeben, der pse_532.003 eine je vom anderen her beleuchtet und gefärbt. Im Zusammenschauen pse_532.004 beider ahnen wir Zusammenhänge alles Weltgeschehens. pse_532.005 Zugleich ordnen sich dadurch beide Bereiche in pse_532.006 höhere Zusammenhänge ein. Es ist, als ob sie beide nur Ausstrahlungen pse_532.007 gleicher Grundbestimmtheiten wären, durch den pse_532.008 Bezug zum Höheren auch zueinander stimmend. Endlich pse_532.009 geben solche Gleichnisse immer epische Fülle und offenbaren pse_532.010 so in jedem Einzelzug den Reichtum der Welt.
pse_532.011 Eine andere Form großepischer Gestaltung in Versen sind pse_532.012 die Romanzenzyklen. Wir denken vor allem an Herders "Cid" pse_532.013 und an die "Romanzen vom Rosenkranz" von Clemens Brentano. pse_532.014 Gewiß erscheint auf den ersten Blick der Aufbau pse_532.015 lockerer. Es werden einzelne, in sich ziemlich geschlossene pse_532.016 und für sich bestehende Romanzen miteinander verbunden. pse_532.017 Es ergibt sich ein Zusammenhang der einzelnen Gebilde, ohne pse_532.018 daß ein durchgehender Zug vorhanden sein müßte. Es kann pse_532.019 so sein, daß der großepische Charakter stark zurücktritt. pse_532.020 Aber gerade Brentanos "Romanzen" zeigen, wie kunstvoll pse_532.021 der geheime Zusammenhang sein kann. Schon dadurch, daß pse_532.022 die ganze, weit zurückliegende Vorgeschichte nur nachholend pse_532.023 an bestimmten Stellen langsam eingefügt wird, entsteht Geschlossenheit, pse_532.024 die verschlungenen Beziehungen zwischen den pse_532.025 einzelnen Gestalten können in einzelnen Romanzen leichter pse_532.026 für sich heraustreten und doch wieder ständig zusammenwachsen. pse_532.027 So wäre in Brentanos Werk ein besonders kunstvolles pse_532.028 Gebilde gelungen, wenn der Dichter das Werk vollendet pse_532.029 hätte.
pse_532.030 Der Roman ist heute die umfassendste Form erzählender pse_532.031 Dichtung nicht nur, was die Zahl der Produktion in allen pse_532.032 Ländern, sondern auch was den Wert anlangt. Von den üblichen pse_532.033 Reißern der Detektivromane und der Massenware der pse_532.034 Kolportagebücher und billigen Unterhaltungsware, von den pse_532.035 sittlich durchaus bedenklichen Serien über gute Durchschnittsware pse_532.036 und anspruchsvollere Unterhaltungsromane bis zu den pse_532.037 ernstzunehmenden, aber schlichten und einfachen Gebilden pse_532.038 und endlich zu den großen Leistungen der Weltliteratur: eine
pse_532.001 Blicke auf andere Weltbereiche, und beide werden durch ihre pse_532.002 Bezugstiftung im Gleichnis in besonderer Sicht gegeben, der pse_532.003 eine je vom anderen her beleuchtet und gefärbt. Im Zusammenschauen pse_532.004 beider ahnen wir Zusammenhänge alles Weltgeschehens. pse_532.005 Zugleich ordnen sich dadurch beide Bereiche in pse_532.006 höhere Zusammenhänge ein. Es ist, als ob sie beide nur Ausstrahlungen pse_532.007 gleicher Grundbestimmtheiten wären, durch den pse_532.008 Bezug zum Höheren auch zueinander stimmend. Endlich pse_532.009 geben solche Gleichnisse immer epische Fülle und offenbaren pse_532.010 so in jedem Einzelzug den Reichtum der Welt.
pse_532.011 Eine andere Form großepischer Gestaltung in Versen sind pse_532.012 die Romanzenzyklen. Wir denken vor allem an Herders »Cid« pse_532.013 und an die »Romanzen vom Rosenkranz« von Clemens Brentano. pse_532.014 Gewiß erscheint auf den ersten Blick der Aufbau pse_532.015 lockerer. Es werden einzelne, in sich ziemlich geschlossene pse_532.016 und für sich bestehende Romanzen miteinander verbunden. pse_532.017 Es ergibt sich ein Zusammenhang der einzelnen Gebilde, ohne pse_532.018 daß ein durchgehender Zug vorhanden sein müßte. Es kann pse_532.019 so sein, daß der großepische Charakter stark zurücktritt. pse_532.020 Aber gerade Brentanos »Romanzen« zeigen, wie kunstvoll pse_532.021 der geheime Zusammenhang sein kann. Schon dadurch, daß pse_532.022 die ganze, weit zurückliegende Vorgeschichte nur nachholend pse_532.023 an bestimmten Stellen langsam eingefügt wird, entsteht Geschlossenheit, pse_532.024 die verschlungenen Beziehungen zwischen den pse_532.025 einzelnen Gestalten können in einzelnen Romanzen leichter pse_532.026 für sich heraustreten und doch wieder ständig zusammenwachsen. pse_532.027 So wäre in Brentanos Werk ein besonders kunstvolles pse_532.028 Gebilde gelungen, wenn der Dichter das Werk vollendet pse_532.029 hätte.
pse_532.030 Der Roman ist heute die umfassendste Form erzählender pse_532.031 Dichtung nicht nur, was die Zahl der Produktion in allen pse_532.032 Ländern, sondern auch was den Wert anlangt. Von den üblichen pse_532.033 Reißern der Detektivromane und der Massenware der pse_532.034 Kolportagebücher und billigen Unterhaltungsware, von den pse_532.035 sittlich durchaus bedenklichen Serien über gute Durchschnittsware pse_532.036 und anspruchsvollere Unterhaltungsromane bis zu den pse_532.037 ernstzunehmenden, aber schlichten und einfachen Gebilden pse_532.038 und endlich zu den großen Leistungen der Weltliteratur: eine
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Blicke auf andere Weltbereiche, und beide werden durch ihre pse_532.002
Bezugstiftung im Gleichnis in besonderer Sicht gegeben, der pse_532.003
eine je vom anderen her beleuchtet und gefärbt. Im Zusammenschauen pse_532.004
beider ahnen wir Zusammenhänge alles Weltgeschehens. pse_532.005
Zugleich ordnen sich dadurch beide Bereiche in pse_532.006
höhere Zusammenhänge ein. Es ist, als ob sie beide nur Ausstrahlungen pse_532.007
gleicher Grundbestimmtheiten wären, durch den pse_532.008
Bezug zum Höheren auch zueinander stimmend. Endlich pse_532.009
geben solche Gleichnisse immer epische Fülle und offenbaren pse_532.010
so in jedem Einzelzug den Reichtum der Welt.
pse_532.011
Eine andere Form großepischer Gestaltung in Versen sind pse_532.012
die Romanzenzyklen. Wir denken vor allem an Herders »Cid« pse_532.013
und an die »Romanzen vom Rosenkranz« von Clemens Brentano. pse_532.014
Gewiß erscheint auf den ersten Blick der Aufbau pse_532.015
lockerer. Es werden einzelne, in sich ziemlich geschlossene pse_532.016
und für sich bestehende Romanzen miteinander verbunden. pse_532.017
Es ergibt sich ein Zusammenhang der einzelnen Gebilde, ohne pse_532.018
daß ein durchgehender Zug vorhanden sein müßte. Es kann pse_532.019
so sein, daß der großepische Charakter stark zurücktritt. pse_532.020
Aber gerade Brentanos »Romanzen« zeigen, wie kunstvoll pse_532.021
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die ganze, weit zurückliegende Vorgeschichte nur nachholend pse_532.023
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einzelnen Gestalten können in einzelnen Romanzen leichter pse_532.026
für sich heraustreten und doch wieder ständig zusammenwachsen. pse_532.027
So wäre in Brentanos Werk ein besonders kunstvolles pse_532.028
Gebilde gelungen, wenn der Dichter das Werk vollendet pse_532.029
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Der Roman ist heute die umfassendste Form erzählender pse_532.031
Dichtung nicht nur, was die Zahl der Produktion in allen pse_532.032
Ländern, sondern auch was den Wert anlangt. Von den üblichen pse_532.033
Reißern der Detektivromane und der Massenware der pse_532.034
Kolportagebücher und billigen Unterhaltungsware, von den pse_532.035
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 532. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/548>, abgerufen am 22.11.2024.
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