pse_041.001 beinahe unergiebig bleibt. Aber immerhin kann pse_041.002 man etwa an Romane Paul Kellers, an manches von Ebner- pse_041.003 Eschenbach, von Heyse und Geibel und an die Flut guter pse_041.004 Unterhaltungsromane denken, auch an die Kalendergeschichten pse_041.005 (Hebel, Gotthelf, Anzengruber, Rosegger). Endlich die pse_041.006 Lehrliteratur; wir würden sagen: die sprachkünstlerische pse_041.007 Sachliteratur, also Landschaftsschilderungen, Charakteristiken pse_041.008 von großen Persönlichkeiten, Reisebeschreibungen pse_041.009 (etwa die des Orientalisten Fallmerayer, oder die "Wanderungen pse_041.010 durch die Mark Brandenburg" von Fontane), sprachkünstlerische pse_041.011 Darstellungen großer geschichtlicher Ereignisse pse_041.012 usw. Das Gemeinsame an all diesen Werken oder Teilen pse_041.013 von ihnen, das sie eben zu Sprachkunstwerken macht, ist die pse_041.014 Tatsache, daß die sprachliche Gestaltung hier weit über die pse_041.015 bloße Mitteilung von Gedanken usw. hinausgeht, und sich pse_041.016 also die Sprache nicht im rein ökonomisierten Zustand bloß pse_041.017 auf das in ihren Formmöglichkeiten beschränkt, was zu pse_041.018 solcher Mitteilung genügt. Wo außerhalb reiner Dichtung in pse_041.019 Prosa schon sprachkünstlerische Möglichkeiten stecken, deute pse_041.020 die folgende Liste an, wobei es bei manchen Kleinformen oft pse_041.021 gerade auf die scharfe, zugespitzte und damit "packende" Gestaltung pse_041.022 ankommt: Anekdoten, Streiche, Schwänke, Bildnisse, pse_041.023 Fragmente, Essays, Botschaften, Vorträge, Reden, pse_041.024 Kundgebungen, Predigten; Aphorismen, Sprüche, Sprichwörter, pse_041.025 Rätsel, Schwüre, Flüche, Formeln.
pse_041.026 Etwas aber muß noch betont werden: Sprachkunstwerke pse_041.027 müssen nicht schriftlich fixiert sein. Wir wissen, daß das pse_041.028 selbstverständlich für Dichtung auch gilt. Man denke an pse_041.029 die ganze altgermanische Dichtung, besonders das Heldenlied pse_041.030 und viele Volkslieder. Spätere schriftliche Aufzeichnung pse_041.031 ist eine geschichtliche, gelehrte oder pädagogische Angelegenheit, pse_041.032 die aber nicht erst aus dem jetzt Aufgeschriebenen pse_041.033 Dichtung macht. Aber auch Sprüche, sprachlich geformte, pse_041.034 aber nie aufgeschriebene Einfälle, heftige, kraftvoll geführte pse_041.035 Gespräche, edle Konversation: das alles können schon kleine pse_041.036 Sprachkunstwerke sein.
pse_041.037 Mit der Frage der Aufzeichnung von Sprachkunstwerken pse_041.038 berühren wir die Ausdrücke Literatur und Schrifttum. Sie
pse_041.001 beinahe unergiebig bleibt. Aber immerhin kann pse_041.002 man etwa an Romane Paul Kellers, an manches von Ebner- pse_041.003 Eschenbach, von Heyse und Geibel und an die Flut guter pse_041.004 Unterhaltungsromane denken, auch an die Kalendergeschichten pse_041.005 (Hebel, Gotthelf, Anzengruber, Rosegger). Endlich die pse_041.006 Lehrliteratur; wir würden sagen: die sprachkünstlerische pse_041.007 Sachliteratur, also Landschaftsschilderungen, Charakteristiken pse_041.008 von großen Persönlichkeiten, Reisebeschreibungen pse_041.009 (etwa die des Orientalisten Fallmerayer, oder die »Wanderungen pse_041.010 durch die Mark Brandenburg« von Fontane), sprachkünstlerische pse_041.011 Darstellungen großer geschichtlicher Ereignisse pse_041.012 usw. Das Gemeinsame an all diesen Werken oder Teilen pse_041.013 von ihnen, das sie eben zu Sprachkunstwerken macht, ist die pse_041.014 Tatsache, daß die sprachliche Gestaltung hier weit über die pse_041.015 bloße Mitteilung von Gedanken usw. hinausgeht, und sich pse_041.016 also die Sprache nicht im rein ökonomisierten Zustand bloß pse_041.017 auf das in ihren Formmöglichkeiten beschränkt, was zu pse_041.018 solcher Mitteilung genügt. Wo außerhalb reiner Dichtung in pse_041.019 Prosa schon sprachkünstlerische Möglichkeiten stecken, deute pse_041.020 die folgende Liste an, wobei es bei manchen Kleinformen oft pse_041.021 gerade auf die scharfe, zugespitzte und damit »packende« Gestaltung pse_041.022 ankommt: Anekdoten, Streiche, Schwänke, Bildnisse, pse_041.023 Fragmente, Essays, Botschaften, Vorträge, Reden, pse_041.024 Kundgebungen, Predigten; Aphorismen, Sprüche, Sprichwörter, pse_041.025 Rätsel, Schwüre, Flüche, Formeln.
pse_041.026 Etwas aber muß noch betont werden: Sprachkunstwerke pse_041.027 müssen nicht schriftlich fixiert sein. Wir wissen, daß das pse_041.028 selbstverständlich für Dichtung auch gilt. Man denke an pse_041.029 die ganze altgermanische Dichtung, besonders das Heldenlied pse_041.030 und viele Volkslieder. Spätere schriftliche Aufzeichnung pse_041.031 ist eine geschichtliche, gelehrte oder pädagogische Angelegenheit, pse_041.032 die aber nicht erst aus dem jetzt Aufgeschriebenen pse_041.033 Dichtung macht. Aber auch Sprüche, sprachlich geformte, pse_041.034 aber nie aufgeschriebene Einfälle, heftige, kraftvoll geführte pse_041.035 Gespräche, edle Konversation: das alles können schon kleine pse_041.036 Sprachkunstwerke sein.
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man etwa an Romane Paul Kellers, an manches von Ebner- pse_041.003
Eschenbach, von Heyse und Geibel und an die Flut guter pse_041.004
Unterhaltungsromane denken, auch an die Kalendergeschichten pse_041.005
(Hebel, Gotthelf, Anzengruber, Rosegger). Endlich die pse_041.006
Lehrliteratur; wir würden sagen: die sprachkünstlerische pse_041.007
Sachliteratur, also Landschaftsschilderungen, Charakteristiken pse_041.008
von großen Persönlichkeiten, Reisebeschreibungen pse_041.009
(etwa die des Orientalisten Fallmerayer, oder die »Wanderungen pse_041.010
durch die Mark Brandenburg« von Fontane), sprachkünstlerische pse_041.011
Darstellungen großer geschichtlicher Ereignisse pse_041.012
usw. Das Gemeinsame an all diesen Werken oder Teilen pse_041.013
von ihnen, das sie eben zu Sprachkunstwerken macht, ist die pse_041.014
Tatsache, daß die sprachliche Gestaltung hier weit über die pse_041.015
bloße Mitteilung von Gedanken usw. hinausgeht, und sich pse_041.016
also die Sprache nicht im rein ökonomisierten Zustand bloß pse_041.017
auf das in ihren Formmöglichkeiten beschränkt, was zu pse_041.018
solcher Mitteilung genügt. Wo außerhalb reiner Dichtung in pse_041.019
Prosa schon sprachkünstlerische Möglichkeiten stecken, deute pse_041.020
die folgende Liste an, wobei es bei manchen Kleinformen oft pse_041.021
gerade auf die scharfe, zugespitzte und damit »packende« Gestaltung pse_041.022
ankommt: Anekdoten, Streiche, Schwänke, Bildnisse, pse_041.023
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Rätsel, Schwüre, Flüche, Formeln.
pse_041.026
Etwas aber muß noch betont werden: Sprachkunstwerke pse_041.027
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selbstverständlich für Dichtung auch gilt. Man denke an pse_041.029
die ganze altgermanische Dichtung, besonders das Heldenlied pse_041.030
und viele Volkslieder. Spätere schriftliche Aufzeichnung pse_041.031
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pse_041.037
Mit der Frage der Aufzeichnung von Sprachkunstwerken pse_041.038
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/57>, abgerufen am 26.11.2024.
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