pse_042.001 können beide als völlig gleichbedeutend angesehen werden. pse_042.002 Auch ihr Ursprung ermöglicht das: Literatur, ein Lehnwort pse_042.003 aus dem Lateinischen, bezeichnet ursprünglich Schreibunterlage, pse_042.004 dann Schreibmaterial, endlich das Geschriebene. Beim pse_042.005 deutschen Wort ist die Ableitung klar. Ganz allgemein bezeichnen pse_042.006 also diese beiden Worte alles Aufgeschriebene. Das pse_042.007 ist so mannigfaltig, besonders etwa, wenn man daran denkt, pse_042.008 was heute alles gedruckt und geschrieben wird, daß es nur pse_042.009 mehr dann unter einen Hut gebracht werden kann, wenn man pse_042.010 es in einer Geschichte des Druckens als Unterlage braucht pse_042.011 oder wenn es Quelle sprachlicher und sprachgeschichtlicher pse_042.012 Studien ist. Deshalb haben sich bald drei Sonderbedeutungen pse_042.013 entwickelt. Nur müssen wir eben beachten, daß alle diese Bedeutungen, pse_042.014 die ursprüngliche und die gleich zu nennenden pse_042.015 Sonderbedeutungen, nebeneinander gebraucht werden. Die pse_042.016 erste Sonderbedeutung meint alles Aufgeschriebene, das von pse_042.017 geistiger Bedeutung ist. So wird es etwa aufgefaßt, wenn man pse_042.018 von römischer und griechischer Literatur spricht: man bezieht pse_042.019 hier Rhetorik, Historiographie, Gesetzschreibung, auch philosophische pse_042.020 und naturwissenschaftliche Schriften ein. Das gilt pse_042.021 für alte Völker (auch etwa noch fürs Germanische, Altfranzösische, pse_042.022 Altenglische usw.), die man in ihrer gesamten geistigen pse_042.023 Entwicklung und Leistung so am besten überblicken pse_042.024 kann. In neueren Zeiten ginge das schon ins Uferlose.
pse_042.025 Die zweite Sonderbedeutung gilt für die Wissenschaft: pse_042.026 man meint mit Literatur das wissenschaftliche Schrifttum pse_042.027 eines bestimmten Gebietes. Aber mit der dritten nähern wir pse_042.028 uns wieder unseren Problemen. Wenn man einen Buchtitel pse_042.029 wie "Geschichte der deutschen Literatur" liest, denkt man pse_042.030 sofort, daß man hier vor allem über deutsche Dichtung unterrichtet pse_042.031 werde. Freilich könnte jedes solche Buch zeigen, daß pse_042.032 sogar innerhalb seines Umfangs der Begriff "Literatur" sich pse_042.033 wandelt: in der ältesten Zeit werden sogar Wörterbücher pse_042.034 (Glossen), Marktbeschreibungen, Urkunden hereinbezogen, pse_042.035 im zwanzigsten Jahrhundert nur mehr Dichtungen, während pse_042.036 noch im 18. Jahrhundert Herders ganzes Schaffen genau dargestellt pse_042.037 wird. Das hängt einerseits mit dem wachsenden pse_042.038 Stoffreichtum, andererseits mit der Geschichte der Literaturgeschichtsschreibung
pse_042.001 können beide als völlig gleichbedeutend angesehen werden. pse_042.002 Auch ihr Ursprung ermöglicht das: Literatur, ein Lehnwort pse_042.003 aus dem Lateinischen, bezeichnet ursprünglich Schreibunterlage, pse_042.004 dann Schreibmaterial, endlich das Geschriebene. Beim pse_042.005 deutschen Wort ist die Ableitung klar. Ganz allgemein bezeichnen pse_042.006 also diese beiden Worte alles Aufgeschriebene. Das pse_042.007 ist so mannigfaltig, besonders etwa, wenn man daran denkt, pse_042.008 was heute alles gedruckt und geschrieben wird, daß es nur pse_042.009 mehr dann unter einen Hut gebracht werden kann, wenn man pse_042.010 es in einer Geschichte des Druckens als Unterlage braucht pse_042.011 oder wenn es Quelle sprachlicher und sprachgeschichtlicher pse_042.012 Studien ist. Deshalb haben sich bald drei Sonderbedeutungen pse_042.013 entwickelt. Nur müssen wir eben beachten, daß alle diese Bedeutungen, pse_042.014 die ursprüngliche und die gleich zu nennenden pse_042.015 Sonderbedeutungen, nebeneinander gebraucht werden. Die pse_042.016 erste Sonderbedeutung meint alles Aufgeschriebene, das von pse_042.017 geistiger Bedeutung ist. So wird es etwa aufgefaßt, wenn man pse_042.018 von römischer und griechischer Literatur spricht: man bezieht pse_042.019 hier Rhetorik, Historiographie, Gesetzschreibung, auch philosophische pse_042.020 und naturwissenschaftliche Schriften ein. Das gilt pse_042.021 für alte Völker (auch etwa noch fürs Germanische, Altfranzösische, pse_042.022 Altenglische usw.), die man in ihrer gesamten geistigen pse_042.023 Entwicklung und Leistung so am besten überblicken pse_042.024 kann. In neueren Zeiten ginge das schon ins Uferlose.
pse_042.025 Die zweite Sonderbedeutung gilt für die Wissenschaft: pse_042.026 man meint mit Literatur das wissenschaftliche Schrifttum pse_042.027 eines bestimmten Gebietes. Aber mit der dritten nähern wir pse_042.028 uns wieder unseren Problemen. Wenn man einen Buchtitel pse_042.029 wie »Geschichte der deutschen Literatur« liest, denkt man pse_042.030 sofort, daß man hier vor allem über deutsche Dichtung unterrichtet pse_042.031 werde. Freilich könnte jedes solche Buch zeigen, daß pse_042.032 sogar innerhalb seines Umfangs der Begriff »Literatur« sich pse_042.033 wandelt: in der ältesten Zeit werden sogar Wörterbücher pse_042.034 (Glossen), Marktbeschreibungen, Urkunden hereinbezogen, pse_042.035 im zwanzigsten Jahrhundert nur mehr Dichtungen, während pse_042.036 noch im 18. Jahrhundert Herders ganzes Schaffen genau dargestellt pse_042.037 wird. Das hängt einerseits mit dem wachsenden pse_042.038 Stoffreichtum, andererseits mit der Geschichte der Literaturgeschichtsschreibung
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[42/0058]
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können beide als völlig gleichbedeutend angesehen werden. pse_042.002
Auch ihr Ursprung ermöglicht das: Literatur, ein Lehnwort pse_042.003
aus dem Lateinischen, bezeichnet ursprünglich Schreibunterlage, pse_042.004
dann Schreibmaterial, endlich das Geschriebene. Beim pse_042.005
deutschen Wort ist die Ableitung klar. Ganz allgemein bezeichnen pse_042.006
also diese beiden Worte alles Aufgeschriebene. Das pse_042.007
ist so mannigfaltig, besonders etwa, wenn man daran denkt, pse_042.008
was heute alles gedruckt und geschrieben wird, daß es nur pse_042.009
mehr dann unter einen Hut gebracht werden kann, wenn man pse_042.010
es in einer Geschichte des Druckens als Unterlage braucht pse_042.011
oder wenn es Quelle sprachlicher und sprachgeschichtlicher pse_042.012
Studien ist. Deshalb haben sich bald drei Sonderbedeutungen pse_042.013
entwickelt. Nur müssen wir eben beachten, daß alle diese Bedeutungen, pse_042.014
die ursprüngliche und die gleich zu nennenden pse_042.015
Sonderbedeutungen, nebeneinander gebraucht werden. Die pse_042.016
erste Sonderbedeutung meint alles Aufgeschriebene, das von pse_042.017
geistiger Bedeutung ist. So wird es etwa aufgefaßt, wenn man pse_042.018
von römischer und griechischer Literatur spricht: man bezieht pse_042.019
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für alte Völker (auch etwa noch fürs Germanische, Altfranzösische, pse_042.022
Altenglische usw.), die man in ihrer gesamten geistigen pse_042.023
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pse_042.025
Die zweite Sonderbedeutung gilt für die Wissenschaft: pse_042.026
man meint mit Literatur das wissenschaftliche Schrifttum pse_042.027
eines bestimmten Gebietes. Aber mit der dritten nähern wir pse_042.028
uns wieder unseren Problemen. Wenn man einen Buchtitel pse_042.029
wie »Geschichte der deutschen Literatur« liest, denkt man pse_042.030
sofort, daß man hier vor allem über deutsche Dichtung unterrichtet pse_042.031
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sogar innerhalb seines Umfangs der Begriff »Literatur« sich pse_042.033
wandelt: in der ältesten Zeit werden sogar Wörterbücher pse_042.034
(Glossen), Marktbeschreibungen, Urkunden hereinbezogen, pse_042.035
im zwanzigsten Jahrhundert nur mehr Dichtungen, während pse_042.036
noch im 18. Jahrhundert Herders ganzes Schaffen genau dargestellt pse_042.037
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Stoffreichtum, andererseits mit der Geschichte der Literaturgeschichtsschreibung
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/58>, abgerufen am 26.11.2024.
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