pse_564.001 Vergangenheitsform erzählt: der Erzähler hat eben bereits pse_564.002 den Überblick über das Ganze, für ihn ist es bereits geschehen. pse_564.003 Der Antrieb kann die Sehnsucht nach einer besseren Welt pse_564.004 sein oder die Erschütterung darüber, wohin es noch kommen pse_564.005 könnte, wenn die Entwicklung so weiter ginge. Die Erfolge pse_564.006 und Wirkungen hängen mit besonderen Lagen zusammen, pse_564.007 der dichterische Wert ist unabhängig davon zu beurteilen.
pse_564.008 Der Roman hat sich langsam durch größte Entfaltung aller pse_564.009 Möglichkeiten zu der umfassendsten Dichtungsart entwickelt. pse_564.010 Er reicht von den übelsten Schundheften schon gänzlich pse_564.011 außerhalb jedes dichterischen Bereiches bis zu höchsten dichterischen pse_564.012 Leistungen der Weltliteratur. Er nimmt infolge pse_564.013 seiner Art jeglichen Lebensstoff zur Anregung, kann alle pse_564.014 Bereiche des Lebens der Menschen und der Welt überhaupt pse_564.015 formen und hat einen Reichtum an künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten pse_564.016 entfaltet, in dem er jede andere Dichtungsart pse_564.017 übertrifft. In der Gegenwart beherrscht er geradezu das literarische pse_564.018 Gebiet. Damit aber sind zugleich seine Gefahren angedeutet: pse_564.019 durch diese Umfassenheit stößt er überall an Grenzen. pse_564.020 Wenn er sie übertritt, verläßt er den Bereich der Dichtung. pse_564.021 Nirgends so wie hier kann also immer wieder das dichterische pse_564.022 Gewissen geprüft und dauernd scharf erhalten werden. pse_564.023 Das gilt für den Dichter, den Kritiker und den wissenschaftlichen pse_564.024 Erforscher der Dichtung.
pse_564.025 V pse_564.026 DIE DRAMATIK
pse_564.027 Das Drama nimmt im Gesamten der Kunst eine eigenartige pse_564.028 Stellung ein. Es ist auf der einen Seite höchste Dichtung, pse_564.029 wenn man etwa an Goethes "Tasso" denkt, auf der anderen pse_564.030 Seite reicht es in ein anderes Kunstgebiet hinüber, in das des pse_564.031 Theaters mit seinen Bühnenmöglichkeiten. Zugleich breitet pse_564.032 sich auf dem Theater auch manches aus, was kaum mehr etwas pse_564.033 mit Kunst zu tun hat, besonders alles Geschäftliche, das pse_564.034 mit dem Theaterbetrieb zusammenhängt. Dann ist das Drama
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pse_564.008 Der Roman hat sich langsam durch größte Entfaltung aller pse_564.009 Möglichkeiten zu der umfassendsten Dichtungsart entwickelt. pse_564.010 Er reicht von den übelsten Schundheften schon gänzlich pse_564.011 außerhalb jedes dichterischen Bereiches bis zu höchsten dichterischen pse_564.012 Leistungen der Weltliteratur. Er nimmt infolge pse_564.013 seiner Art jeglichen Lebensstoff zur Anregung, kann alle pse_564.014 Bereiche des Lebens der Menschen und der Welt überhaupt pse_564.015 formen und hat einen Reichtum an künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten pse_564.016 entfaltet, in dem er jede andere Dichtungsart pse_564.017 übertrifft. In der Gegenwart beherrscht er geradezu das literarische pse_564.018 Gebiet. Damit aber sind zugleich seine Gefahren angedeutet: pse_564.019 durch diese Umfassenheit stößt er überall an Grenzen. pse_564.020 Wenn er sie übertritt, verläßt er den Bereich der Dichtung. pse_564.021 Nirgends so wie hier kann also immer wieder das dichterische pse_564.022 Gewissen geprüft und dauernd scharf erhalten werden. pse_564.023 Das gilt für den Dichter, den Kritiker und den wissenschaftlichen pse_564.024 Erforscher der Dichtung.
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pse_564.027 Das Drama nimmt im Gesamten der Kunst eine eigenartige pse_564.028 Stellung ein. Es ist auf der einen Seite höchste Dichtung, pse_564.029 wenn man etwa an Goethes »Tasso« denkt, auf der anderen pse_564.030 Seite reicht es in ein anderes Kunstgebiet hinüber, in das des pse_564.031 Theaters mit seinen Bühnenmöglichkeiten. Zugleich breitet pse_564.032 sich auf dem Theater auch manches aus, was kaum mehr etwas pse_564.033 mit Kunst zu tun hat, besonders alles Geschäftliche, das pse_564.034 mit dem Theaterbetrieb zusammenhängt. Dann ist das Drama
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 564. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/580>, abgerufen am 22.11.2024.
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