pse_572.001 uns eine außersprachliche Wirklichkeit auf der Bühne: die pse_572.002 Bühne, ihre Gegenstände, die Personen auf ihr sind genau pse_572.003 solche außersprachliche Wirklichkeiten wie die Gegenstände pse_572.004 und Menschen des Alltags, sie sind ganz einfach Realitäten. pse_572.005 Aber sie sind als solche nicht von Bedeutung, sondern nur pse_572.006 insofern, als sie durch ihr Dasein die dichterische Wirklichkeit pse_572.007 aufbauen helfen, die beim gelesenen Drama in der Phantasie pse_572.008 des Lesers ersteht. Eine außersprachliche Wirklichkeit wird pse_572.009 hier Mittel und Zeichen für eine dichterische, außerhalb der pse_572.010 Realität stehende Wirklichkeit. Nur wenn wir das Bühnenbild pse_572.011 und -geschehen als Zeichen für eine dichterische Wirklichkeit pse_572.012 nehmen und von seiner Tatsächlichkeit absehen, erfassen pse_572.013 wir es in diesem Zusammenhang richtig. Die Lage pse_572.014 wird deutlich, wenn Ungewohnte Schauspieler, die Bösewichte pse_572.015 darstellen, mit faulen Eiern und Äpfeln bewerfen. pse_572.016 Das Verschieben des Bühnenbildes vom außersprachlichen pse_572.017 Wirklichkeitsfeld in das dichterische ist ein besonders eigenartiger pse_572.018 Vorgang im Erleben von Dichtung. Plötzliche Bezüge pse_572.019 zur außerdichterischen Wirklichkeit, wenn etwa ein Schauspieler pse_572.020 unerwartet aus dem Zuschauerraum spricht oder auf pse_572.021 die Bühne geht, wirken deshalb so verblüffend, weil hier zwei pse_572.022 Wirklichkeitssphären zusammenstoßen. Die dichterische pse_572.023 Weltgestaltung ist gerade deshalb im Drama, natürlich vor pse_572.024 allem im aufgeführten, so verschieden von der epischen, weil pse_572.025 im Drama die außersprachliche Wirklichkeit eine Funktion pse_572.026 zur Gestaltung der dichterischen Welt ausübt. Endlich ist pse_572.027 auch das Weltbild in der Epik anders als in der Dramatik: pse_572.028 dort ist es ein geschlossener Kosmos, in den der Mensch eingefügt pse_572.029 ist, hier ist es eine gespaltene, von Gegensätzen zerrissene pse_572.030 Welt voller Daseinsabgründe.
pse_572.031 Das dramatische Werk
pse_572.032 Wir betrachten nun das Drama als geschlossenes, für sich pse_572.033 bestehendes Kunstgebilde. Dabei wiederholen sich manche pse_572.034 Begriffe, die wir schon im Rahmen der Epik geklärt haben. pse_572.035 Wir können diese Klärungen nun voraussetzen. Auch hier
pse_572.001 uns eine außersprachliche Wirklichkeit auf der Bühne: die pse_572.002 Bühne, ihre Gegenstände, die Personen auf ihr sind genau pse_572.003 solche außersprachliche Wirklichkeiten wie die Gegenstände pse_572.004 und Menschen des Alltags, sie sind ganz einfach Realitäten. pse_572.005 Aber sie sind als solche nicht von Bedeutung, sondern nur pse_572.006 insofern, als sie durch ihr Dasein die dichterische Wirklichkeit pse_572.007 aufbauen helfen, die beim gelesenen Drama in der Phantasie pse_572.008 des Lesers ersteht. Eine außersprachliche Wirklichkeit wird pse_572.009 hier Mittel und Zeichen für eine dichterische, außerhalb der pse_572.010 Realität stehende Wirklichkeit. Nur wenn wir das Bühnenbild pse_572.011 und -geschehen als Zeichen für eine dichterische Wirklichkeit pse_572.012 nehmen und von seiner Tatsächlichkeit absehen, erfassen pse_572.013 wir es in diesem Zusammenhang richtig. Die Lage pse_572.014 wird deutlich, wenn Ungewohnte Schauspieler, die Bösewichte pse_572.015 darstellen, mit faulen Eiern und Äpfeln bewerfen. pse_572.016 Das Verschieben des Bühnenbildes vom außersprachlichen pse_572.017 Wirklichkeitsfeld in das dichterische ist ein besonders eigenartiger pse_572.018 Vorgang im Erleben von Dichtung. Plötzliche Bezüge pse_572.019 zur außerdichterischen Wirklichkeit, wenn etwa ein Schauspieler pse_572.020 unerwartet aus dem Zuschauerraum spricht oder auf pse_572.021 die Bühne geht, wirken deshalb so verblüffend, weil hier zwei pse_572.022 Wirklichkeitssphären zusammenstoßen. Die dichterische pse_572.023 Weltgestaltung ist gerade deshalb im Drama, natürlich vor pse_572.024 allem im aufgeführten, so verschieden von der epischen, weil pse_572.025 im Drama die außersprachliche Wirklichkeit eine Funktion pse_572.026 zur Gestaltung der dichterischen Welt ausübt. Endlich ist pse_572.027 auch das Weltbild in der Epik anders als in der Dramatik: pse_572.028 dort ist es ein geschlossener Kosmos, in den der Mensch eingefügt pse_572.029 ist, hier ist es eine gespaltene, von Gegensätzen zerrissene pse_572.030 Welt voller Daseinsabgründe.
pse_572.031 Das dramatische Werk
pse_572.032 Wir betrachten nun das Drama als geschlossenes, für sich pse_572.033 bestehendes Kunstgebilde. Dabei wiederholen sich manche pse_572.034 Begriffe, die wir schon im Rahmen der Epik geklärt haben. pse_572.035 Wir können diese Klärungen nun voraussetzen. Auch hier
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Realität stehende Wirklichkeit. Nur wenn wir das Bühnenbild pse_572.011
und -geschehen als Zeichen für eine dichterische Wirklichkeit pse_572.012
nehmen und von seiner Tatsächlichkeit absehen, erfassen pse_572.013
wir es in diesem Zusammenhang richtig. Die Lage pse_572.014
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unerwartet aus dem Zuschauerraum spricht oder auf pse_572.021
die Bühne geht, wirken deshalb so verblüffend, weil hier zwei pse_572.022
Wirklichkeitssphären zusammenstoßen. Die dichterische pse_572.023
Weltgestaltung ist gerade deshalb im Drama, natürlich vor pse_572.024
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im Drama die außersprachliche Wirklichkeit eine Funktion pse_572.026
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auch das Weltbild in der Epik anders als in der Dramatik: pse_572.028
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Das dramatische Werk pse_572.032
Wir betrachten nun das Drama als geschlossenes, für sich pse_572.033
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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/588>, abgerufen am 22.11.2024.
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