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Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959.

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etwa über Grillparzer stellen. Sprachliche Gestaltung enthält pse_050.002
immer ihre volle Kraft durch das, was in der Sprache Gestalt pse_050.003
gewinnt. Mit anderen Worten: Wir müssen beide Seiten, den pse_050.004
göttlichen Hauch, den wir in der Dichtung spüren, und das pse_050.005
Kunstkönnen, durch das wir eben diesen göttlichen Hauch pse_050.006
erfahren, in einen Blick bekommen. In der vollen Einheit pse_050.007
beider greifen wir etwas vom Wesen der Dichtung.

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Es gibt nun noch weitere Auffassungen von Dichtung, die pse_050.009
auch zwei Seiten an der Dichtung unterscheiden. Sicher ist pse_050.010
mit solcher Zweiseitigkeit der Sicht etwas gewonnen: es pse_050.011
können so verschiedene Spielarten dichterischen Gestaltens pse_050.012
gefaßt werden, je nach der Art, welche Seite nun vorherrscht pse_050.013
und wie stark. Auch ist diese Zweiseitigkeit zu begreifen: pse_050.014
was im ästhetischen Gegenstand, also auch in der Dichtung, pse_050.015
volle Einheit und Fülle ist, kann in theoretischer, begrifflicher, pse_050.016
unterscheidender Betrachtung nie in eines gefaßt werden, pse_050.017
sondern spaltet sich für den begreifenden Verstand eben pse_050.018
auf. Da heißt es einmal, Dichtung sei visionäres Schauen des pse_050.019
Wesens der Dinge und das Reden davon in Bildern; ein pse_050.020
andermal: Dichtung ist Wahrheit, weil sie Wesentliches pse_050.021
gestaltet, und zugleich Spiel als freies, nicht zweckgerichtetes pse_050.022
Gestalten des Geistes. Jedesmal werden mit jeder Seite wichtige pse_050.023
Züge der Dichtung erfaßt. Aber erst wenn wir imstande pse_050.024
sind, die volle höhere Einheit, die diese zwei Seiten im Dichtwerk pse_050.025
bilden, mitzuerfassen, sind wir dem Wesen der Dichtung pse_050.026
nähergekommen. Nur in der sprachlichen Gestaltung pse_050.027
(das Wort "Reden" würde besser vermieden) schauen wir pse_050.028
das Wesen der Dinge (in anderen Geisteshaltungen können pse_050.029
wir das auch auf andere Weise tun), nur in freier Geistesgestaltung pse_050.030
wird das Wesentliche offenbar (wiederum kann pse_050.031
es in anderer Haltung auf andere Weise geschehen). Gerade pse_050.032
eben in der völligen Geschlossenheit und Einheit sprachlichen, pse_050.033
geistigen Gestaltens und Schauens auf Tieferes besteht das pse_050.034
Wesen der Dichtung; Wahrheitseröffnung nur in der bestimmten pse_050.035
sprachlichen Formung.

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Versuchen wir, alles Wesentliche zusammenzufassen. Drei pse_050.037
Züge scheinen sich besonders scharf abzuheben als Wesensmerkmale pse_050.038
der Dichtung. 1. Dichtung ist ein Sprachkunstwerk.

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etwa über Grillparzer stellen. Sprachliche Gestaltung enthält pse_050.002
immer ihre volle Kraft durch das, was in der Sprache Gestalt pse_050.003
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göttlichen Hauch, den wir in der Dichtung spüren, und das pse_050.005
Kunstkönnen, durch das wir eben diesen göttlichen Hauch pse_050.006
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beider greifen wir etwas vom Wesen der Dichtung.

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Es gibt nun noch weitere Auffassungen von Dichtung, die pse_050.009
auch zwei Seiten an der Dichtung unterscheiden. Sicher ist pse_050.010
mit solcher Zweiseitigkeit der Sicht etwas gewonnen: es pse_050.011
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gefaßt werden, je nach der Art, welche Seite nun vorherrscht pse_050.013
und wie stark. Auch ist diese Zweiseitigkeit zu begreifen: pse_050.014
was im ästhetischen Gegenstand, also auch in der Dichtung, pse_050.015
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Wesens der Dinge und das Reden davon in Bildern; ein pse_050.020
andermal: Dichtung ist Wahrheit, weil sie Wesentliches pse_050.021
gestaltet, und zugleich Spiel als freies, nicht zweckgerichtetes pse_050.022
Gestalten des Geistes. Jedesmal werden mit jeder Seite wichtige pse_050.023
Züge der Dichtung erfaßt. Aber erst wenn wir imstande pse_050.024
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bilden, mitzuerfassen, sind wir dem Wesen der Dichtung pse_050.026
nähergekommen. Nur in der sprachlichen Gestaltung pse_050.027
(das Wort »Reden« würde besser vermieden) schauen wir pse_050.028
das Wesen der Dinge (in anderen Geisteshaltungen können pse_050.029
wir das auch auf andere Weise tun), nur in freier Geistesgestaltung pse_050.030
wird das Wesentliche offenbar (wiederum kann pse_050.031
es in anderer Haltung auf andere Weise geschehen). Gerade pse_050.032
eben in der völligen Geschlossenheit und Einheit sprachlichen, pse_050.033
geistigen Gestaltens und Schauens auf Tieferes besteht das pse_050.034
Wesen der Dichtung; Wahrheitseröffnung nur in der bestimmten pse_050.035
sprachlichen Formung.

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Versuchen wir, alles Wesentliche zusammenzufassen. Drei pse_050.037
Züge scheinen sich besonders scharf abzuheben als Wesensmerkmale pse_050.038
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Zitationshilfe: Seidler, Herbert: Die Dichtung: Wesen, Form, Dasein. Stuttgart, 1959, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seidler_poetik_1959/66>, abgerufen am 26.11.2024.